4.
O du mein höchstes Gut und meine Ruhe, die Gnaden, die du mir bis dahin erwiesen hattest, wären schon genug gewesen! Führte mich doch deine Güte und Macht durch so viele Umwege zu einem so sicheren Stande und an eine Stätte, wo so viele Dienerinnen deiner Majestät waren, von denen ich hätte lernen können, in deinem Dienste stetig zuzunehmen. Wenn ich an die Seelenstimmung denke, mit der ich meine Ordensgelübde ablegte, an die große Entschlossenheit und Freude, die mich dabei beseelten, und an die geistige Verlobung, die ich mit dir einging, so weiß ich nicht, wie ich weiter fortfahren soll. Ich kann dies nicht ohne Tränen aussprechen. Ja, blutige Tränen sollte ich weinen, und das Herz sollte mir zerspringen; denn ob der Beleidigungen, die ich dir nachmals zufügte, wäre kein Reueschmerz zu groß. Nun scheint es mir, ich habe guten Grund gehabt, mir eine zu hohe Würde nicht zu wünschen, weit es leider geschehen sollte, daß ich ihr so schlecht entsprach. Du aber, o Herr, wolltest beinahe zwanzig Jahre lang, während derer ich deine Gnade mißbrauchte, diese Unbill ertragen, damit ich noch gebessert würde. O mein Gott! Es hat den Anschein, als ob ich versprochen hätte, nichts von dem zu halten, was ich dir gelobte. Zwar hatte ich damals diese Absicht nicht, aber wenn ich auf meine nachmaligen Werke sehe, so weiß ich nicht, mit welcher Gesinnung ich meine Gelübde abgelegt habe. Dies sollte indessen dazu dienen, damit um so offenbarer würde, wer du bist, o mein Bräutigam, und wer ich bin. Ich kann darum mit voller Wahrheit sagen: Was meinen Schmerz über meine großen Verschuldungen oftmals lindert, ist der Trost, den mir der Gedanke einflößt, daß man daraus die Menge deiner Erbarmungen erkennen kann. Denn an wem, o Herr, könnte wohl deine Barmherzigkeit so strahlend erglänzen wie an mir, die ich mit meinen bösen Werken die großen Gnaden, die du mir zu erweisen begonnen, so sehr verdunkelte? Ach, mein Schöpfer! Wollte ich eine Entschuldigung vorbringen, so weiß ich keine; niemand trägt die Schuld als ich allein. Denn würde ich dir die Liebe, die du mir zu erzeigen begonnen, nur einigermaßen vergolten haben, so hätte ich unmöglich etwas anderes lieben können als dich allein, und damit wäre alles Übel verhütet worden. Weil ich aber dies nicht verdiente und mir ein so großes Glück nicht beschieden ward, so helfe mir, o Herr, wenigstens jetzt deine Barmherzigkeit!