15.
Ich halte es also für gefährlich, die Jahre zu zählen, die man in der Übung den innerlichen Gebetes zugebracht hat; denn geschähe es auch in Demut, so könnte doch meines Erachtens so etwas von Einbildung sich einschleichen, als hätten uns unsere Dienste gewisse Rechte bei Gott erworben. Ich sage nicht, daß man sich keine Verdienste erwerbe, denn alles wird gut belohnt werden; aber nach meiner Überzeugung wird eine dem geistlichen Leben ergebene Person, die meint, sie habe dadurch, daß sie viele Jahre lang das innerliche Gebet geübt, geistliche Tröstungen wohl verdient, niemals zur Vollkommenheit des Lebens gelangen. Ist es denn nicht genug, wenn sie verdient hat, daß Gott sie an seiner Hand hält, damit sie die Sünden meide, womit sie ihn, ehe sie das Gebet übte, beleidigte? Will sie auch noch, wie man zu sagen pflegt, mit seinem eigenen Gelde einen Rechtsstreit gegen ihn anfangen? Dies scheint mir keine tiefe Demut zu sein. Es mag sein, daß es eine solche Demut gibt, aber ich finde darin nur Dreistigkeit, und darum habe ich es auch, wie ich meine, nicht gewagt, obschon ich nur wenig Demut besitze. Indessen mag es wohl sein, daß ich es auch gar nicht gekonnt hätte, weil ich dem Herrn noch nicht gedient habe; denn sonst würde ich vielleicht mehr als andere eine Belohnung von ihm verlangt haben.