• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Theresia von Jesu (1515-1582) Berichte und Gunstbezeigungen der hl. Theresia
II. Gunstbezeigungen Gottes

9.

Während des ganzen gestrigen Tages fühlte ich mich recht vereinsamt, selbst in dem Augenblicke, als ich die Kommunion empfing. Das Fest der Auferstehung machte keinen besonderen Eindruck auf mich. Am Abend waren alle Schwestern um mich versammelt, und man sang ein Lied über die Pein, die das Leben ohne Gott verursacht. Da ich schon betrübt war, so wurde ich davon so ergriffen, daß mir trotz meines Widerstrebens meine Hände erstarrten; und zu gleicher Zeit, da meine Seele durch eine Entzückung der Freude entrückt wurde, wurde sie auch von außerordentlichem Schmerze erfüllt und war wie außer sich. Ich habe dies bis dahin nicht verstanden. Seit einigen Tagen scheint es mir jedoch, daß die Antriebe nicht mehr so erhaben waren wie gewöhnlich, und der Grund ist folgender; ich weiß jedoch nicht, ab dies sein kann. Früher war der Schmerz nicht so heftig, daß ich in Ekstase geriet, aber da er unerträglich war und ich den Gebrauch meiner Sinne noch beibehielt, so nötigte er mich heftig aufzuschreien, ohne daß ich widerstehen konnte. Jetzt aber hat dieser Schmerz noch zugenommen, und ich bin wie durchbohrt von ihm. Nun kann ich auch besser verstehen, wie der Mutter Gottes zumute war bei ihrem schmerzdurchbohrten Herzen; denn bis jetzt hatte ich, wie gesagt, kein Verständnis für diese durchbohrende Qual. Mein Körper ist so gebrochen, daß ich selbst diese Zeilen nur mit größter Schwierigkeit schreiben kann, meine Hände sind wie verrenkt und schmerzen aufs höchste. Wenn Sie zu mir kommen, werden Sie mir sagen, ob so eine peinvolle Ekstase möglich ist oder ob ich sie so empfinde, wie sie wirklich ist, oder ob ich mich täusche.

Diese innere Pein hat fortgedauert bis heute morgens, wo ich in eine Entzückung fiel. Ich glaubte, Unser Herr habe mich zu seinem Vater erhoben und zu ihm gesagt: »Siehe, diese, die du mir gegeben hast, gebe ich dir zurück.« Und es schien mir, der Vater ziehe mich an sich. Dies war keine Einbildung meinerseits, sondern eine vollkommene wirkliche Gunstbezeigung, eine so erhabene geistliche Gnade, daß ich sie nicht auszudrücken vermag. Der himmlische Vater richtete noch einige Worte an mich, deren ich mich nicht mehr erinnern kann. Einige bezogen sich auf die Gnaden, womit er meine Seele erfüllen will. Er behielt mich einige Zeit lang bei sich.

Da sie sich gestern so schnell entfernten und ich sah, daß Ihre vielfachen Beschäftigungen mir nicht erlauben, selbst den notwendigsten Trost bei Ihnen zu finden, und andererseits diese Beschäftigungen viel wichtiger sind als dies, war ich eine Zeitlang betrübt und traurig. In dieser meiner Vereinsamung vermehrte sich mein Kummer; und obgleich ich meinte, mein Herz sei von den Geschöpfen dieser Welt losgelöst, befiel mich doch eine gewisse Beängstigung aus Furcht, ich möchte allmählich diese Freiheit wieder verlieren. Dies alles geschah gestern abend. Heute aber gab mir der Herr auf diese Bedenken Antwort und sagte zu mir: »Wundere dich nicht; denn wie die Sterblichen nach Gesellschaft Verlangen tragen, um von ihren Weltfreuden zu reden, ebenso hat auch die Seele, wenn sie jemand findet, der sie versteht, den Wunsch, diesem ihre Freuden und Schmerzen mitzuteilen; sie ist betrübt, wenn sie niemanden findet.« Er fügte dann hinzu: »Jetzt bist du auf gutem Wege, und deine Werke sind mir angenehm.« Da er einige Augenblicke bei mir verweilte, fiel mir ein, Ihnen gegenüber bemerkt zu haben, daß diese Visionen schnell vorübergehen; da sprach der Herr zu mir: »Es ist ein Unterschied zwischen dieser Gnade und den imaginären Visionen, und es läßt sich bei meinen Gnadenerweisungen keine bestimmte Regel aufstellen; denn das eine Mal sei diese, ein anderes Mal jene Gnadenerweisung besser.«

Eines Tages nach der hl. Kommunion kam es mir vor, als stellte sich der Herr ganz wahrnehmbar neben mich hin und als finge er an, mich mit großer Zärtlichkeit zu trösten. Unter anderem sagte er: »Siehst du mich hier, meine Tochter, daß ich es bin? Zeige mir deine Hand!« Nun schien es mir, als nehme er meine Hand und drücke sie an seine Seite mit den Worten: »Sieh an, diese meine Wunde; du bist nicht ohne mich; leide die kurze Zeit des Lebens!« Aus einigem, was er mir sagte, erkannte ich, daß er seit seiner Himmelfahrt nie mehr auf die Erde herabgestiegen sei, um jemand vertraulich sich mitzuteilen, ausgenommen im heiligsten Altarsakramente. Außerdem teilte er mir mit, er habe nach seiner Auferstehung Unsere Liebe Frau besucht, weil sie dessen sehr bedurfte; ihr Schmerz hätte sie so niedergebeugt, daß sie, um diese Freude zu genießen, nicht gleich zu sich selbst gekommen sei; er habe sich bei ihr, weil es notwendig war, sehr lange aufgehalten.

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (74.50 kB)
  • epubEPUB (60.54 kB)
  • pdfPDF (224.89 kB)
  • rtfRTF (178.58 kB)
Übersetzungen dieses Werks
Berichte und Gunstbezeigungen der hl. Theresia

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung