1. Bericht.
Ávila, im Kloster der Menschwerdung 1560.
Gebetsweise der Heiligen. Verzückungen. Geistesflug, Entrückung. Verlangen, Gott zu dienen, Bußwerke zu verrichten, einsam und arm zu leben, den Heiland nicht zu beleidigen. Nächstenliebe, Gegenwart Gottes, Gehorsam gegen den Seelenführer.
Jesus!
Die Art und Weise, wie ich gegenwärtig der Übung des Gebetes obliege, ist folgende. Gar selten kommt es vor, daß ich beim Gebete mit dem Verstande tätig sein kann; denn bald beginnt meine Seele sich zu sammeln und tritt in einen Zustand der Ruhe oder der Entzückung, so daß ich von den Vermögen der Seele und von meinen Sinnen keinen Gebrauch mehr machen kann. Das einzige Vermögen, das handelt, ist das Gehör; aber auch dieses dient mir nicht dazu, um zu verstehen, was man sagt.
Gar oft, wenn ich nicht an göttliche Dinge denken will und mich mit anderen Dingen beschäftige, erfaßt mich plötzlich diese Sammlung und Erhebung des Geistes obwohl es mir infolge großer Trockenheit und körperlicher Schmerzen unmöglich erscheint, mich trotz all meiner Anstrengung in Gebetsstimmung zu versetzen. Ich vermag da nicht zu widerstehen, und in einem Augenblick finde ich mich im Besitz der daraus hervorgehenden Wirkungen und Vorteile.
Dies geschieht, ohne daß ich eine Vision gehabt noch auch irgend etwas vernommen hätte; ich weiß nicht einmal, wo ich bin, sondern sehe meine Seele, während sie sich zu verlieren scheint, mit solchem Gewinne bereichert, daß es mir nach meinem Dafürhalten trotz aller Anstrengung nicht möglich gewesen wäre, selbst in einem Jahre solche Fortschritte zu machen.
Manchmal befallen mich solch heftige Antriebe, daß ich vor Verlangen vergehe, Gott zu schauen, und ich meiner nicht mächtig bin. Es scheint mir, als ob es mit meinem Leben zu Ende ginge, und dann schreie ich auf und rufe zu Gott; diese Antriebe befallen mich mit großer Heftigkeit.
Manchmal kann ich nicht mehr sitzen bleiben, so heftig ist die Gewalt dieser Antriebe; sie verursachen eine innere Pein, ohne daß ich etwas dazu beitrage; und diese Pein ist derartig, daß sie die Seele während ihres ganzen Lebens nicht mehr entbehren möchte. Die Beängstigungen sind derart, daß die Seele verlangt, von diesem Leben zu scheiden, da sie, wie es scheint, kein Mittel findet, um dieser Qual abzuhelfen. Dieses Mittel wäre, Gott zu schauen, aber dazu müßte man sterben, und sich selber töten kann man nicht. Dabei kommt es der Seele vor, die ganze Welt außer ihr sei des Trostes voll und alle übrigen Menschen fänden Hilfe in ihren Leiden, nur nicht sie. Über diesen Gedanken ist sie so betrübt, daß der Herr sie aufrecht halten muß durch irgendeine Entzückung, wodurch sie, sei es daß sie etwas sieht, was sie verlangt, oder zum Verständnis irgendeiner Wahrheit kommt, vollkommene Befriedigung, tiefe Ruhe und Freude findet; ohne diese Hilfe Gottes könnte sie unmöglich sich aus dieser qualvollen Lage befreien.
Ein andermal ist dieses Verlangen, Gott zu dienen, mit solch heftigen Antrieben begleitet, daß ich es gar nicht in Worte zu fassen vermag. Ich empfinde dabei die heftigste Pein, weil ich sehe, daß ich so wenig zur Ehre Gottes zu tun vermag. Dann scheint es mir, es gebe keine Leiden und keine Prüfung, selbst keine Art von Tod oder Marter, die ich nicht gerne zu ertragen bereit wäre. Und dieses Gefühl kommt ohne alles Nachdenken, so daß ich in einem Augenblicke ganz verändert bin; und ich weiß nicht, woher mir ein solcher Mut zufließt. Ich möchte dann meine Stimme erheben und allen Menschen zu verstehen geben, wie wichtig es sei, für Gottes Ehre sich nicht mit wenigem zu begnügen, und welch große Schätze wir von seiner Hand empfangen werden, wenn wir uns dafür empfänglich machen. Dieses Verlangen, von dem ich spreche, ist derart, daß ich vergehen möchte, weil ich meiner Ansicht nach etwas will, was meine Kräfte übersteigt. Ich fühle mich wie gefesselt von diesem Leibe, der mich hindert, etwas zu tun für Gott und unseren Orden. Denn wäre dies nicht der Fall, so würde ich hervorragende Werke vollbringen, soweit es meine Kräfte erlaubten. Beim Anblick dieses vollständigen Unvermögens zum Dienste Gottes empfinde ich eine solche Pein, daß ich keinen Ausdruck dafür finde. Dieses Gefühl aber verschwindet wieder durch die Wonne, die Sammlung und Tröstung Gottes.
Manchmal, wenn mich dieses heftige Verlangen, Gott zu dienen, erfaßt, kommt es vor, daß ich körperliche Bußwerke verrichten will, allein in Anbetracht der Schwäche meines Körpers vermag ich es nicht. Dies würde indessen viel dazu beitragen, meine Pein zu lindern; denn schon das Wenige, das ich vollbringe, gereicht mir zur Erleichterung und Freude; wenigstens würde ich sicherlich Ausschreitungen begeben, wenn man mich längere Zeit diesem Verlangen überließe.
Zuweilen ist es für mich eine große Qual, mit jemandem umzugehen; diese Betrübnis ist aber so groß, daß sie mir reichlich Tränen auspreßt. Denn mein ganzes Verlangen geht dann dahin, allein zu sein. Und wenn ich auch nicht immer dem mündlichen Gebete und der Lesung obliege, so ist doch schon das Alleinsein an sich für mich ein Trost. Der Umgang, zumal mit Befreundeten und Verwandten, gereicht mir zur Last; ich komme mir da vor, wie wenn ich verlaust wäre, außer es sind solche Personen, mit denen ich mich über das Gebet und die Angelegenheiten der Seele besprechen kann. Bei diesen finde ich Trost und Freude, obwohl sie mir auch mitunter zur Last fallen; ich möchte sie dann nicht sehen und mich an einen Ort begeben, wo ich allein sein könnte, wenn dies auch ohne Zweifel sehr selten vorkommt. Ich spreche aber hier nicht von jenen, denen ich meine Gewissensangelegenheiten eröffne; denn diese bringen mir immer Trost.
Ein andermal gereicht es mir wieder zur Pein, zu essen und zu schlafen und sehen zu müssen, daß ich darauf weniger verzichten kann als andere. Ich tue es dann, um Gott zu dienen, und opfere es ihm auch in dieser Absicht auf.
Die Zeit rennt mir immer zu kurz vor und scheint mir unzureichend zum Gebet; denn ich werde nie überdrüssig, allein zu sein. Immer habe ich das Verlangen, eine Zeit zum Lesen herauszufinden, da ich daran immer große Freude hatte; sobald ich ein Buch zur Hand nehme, sammelt sich mein Geist, und ich bin dabei befriedigt. So verwandelt sich mein Lesen in Gebet; dies ist jedoch nicht oft der Fall in Anbetracht meiner vielfachen Beschäftigungen, die zwar an sich gut sind, aber mir nicht jene Befriedigung verschaffen, die ich beim Lesen finden würde. Dies ist der Grund, warum ich stets wünsche, mehr Zeit zu haben; es kommt mir alles geschmacklos vor, wenn ich sehe, daß ich nicht verwirklichen kann, was ich wünsche und was ich verlange.
Alle diese Wünsche sowie auch einen Zuwachs an Tugend hat mir Unser Herr verliehen, seitdem er mich mit dem Gebete der Ruhe und diesen Verzückungen begnadigt hat. Ich finde in mir eine solche Besserung, daß ich nach meinem Dafürhalten bis zu diesem Zeitpunkt die Unvollkommenheit selbst war. Diese Verzückungen und Visionen bringen in mir große Wirkungen hervor, von denen ich jetzt reden will; und wenn ich etwas Gutes an mir habe, so ist der Ursprung davon sicher darauf zurückzuführen.
Es wurde in mir der feste Entschluß wach, Gott in keiner Weise mehr, auch nicht durch eine läßliche Sünde, zu beleidigen und lieber tausendmal zu sterben als mit freiem Willen einen solchen Fehler zu begehen. Ferner fühle ich mich, wenn ich etwas für vollkommener halte und dadurch die Ehre Unseres Herrn mehr zu fördern glaube, so heftig angetrieben, es zu erfüllen, daß ich es um keiner Schwierigkeit und um keines Schatzes in der Welt willen unterlassen wollte. Dasselbe ist der Fall, sobald ich von dem einen Auftrag erhalte, der die Sorge für meine Seele und deren Leitung übernommen hat; würde ich das Gegenteil tun, so könnte ich es meiner Ansicht nach nicht mehr wagen, etwas von Gott Unserem Herrn zu erbitten noch auch zum Gebete meine Zuflucht zu nehmen, wenn ich auch dabei viele Fehler und Unvollkommenheiten begehe.
Ich gehorche meinem Beichtvater, wenn auch nur in unvollkommener Weise; sobald ich aber weiß, daß er etwas will oder befiehlt, so unterlasse ich dessen Ausführung, wie ich meine, nicht; denn sonst würde ich glauben, in einer argen Täuschung mich zu befinden.
Ich habe außerdem auch das Verlangen, arm zu leben, wenn es auch mit Unvollkommenheit verbunden ist; allein, wie mir scheint, wollte ich doch weder ein eigenes Einkommen noch auch Geld, zu meinem Privatgebrauch besitzen, selbst wenn ich große Reichtümer hätte. Dies läßt mich ganz gleichgültig; ich würde mich mit dem Notwendigen allein zufrieden geben. Bei alledem erkenne ich jedoch, daß mir von dieser Tugend der Armut noch vieles mangelt. Wenn ich auch für mich weder Geld noch Einkommen noch irgend etwas anderes wünsche, so möchte ich doch etwas haben, um es wieder verschenken zu können.
Fast aus allen Visionen, mit denen ich begnadigt wurde, habe ich Nutzen gezogen; es ist dies vielleicht eine Täuschung des bösen Feindes, allein ich überlasse mich in diesem Punkte dem Urteile meiner Beichtväter.
Ich habe keine Freude mehr, etwas Schönes und Prachtvolles, wie z. B. Wasser, Felder und Blumen, zu sehen noch auch Wohlgerüche einzuatmen oder dem Gesange zu lauschen. Denn der Unterschied zwischen jenen Gegenständen und diesen Visionen, womit mich der Herr gewöhnlich begnadigt, ist derart, daß ich kein Verlangen mehr darnach habe; ich achte daher so wenig darauf, daß mir kaum der erste Eindruck davon bleibt; alles dies erscheint mir wie Kehricht.
Wenn ich gezwungen bin, mit Weltleuten zu reden oder zu verkehren, und die Unterhaltung sich auch nur um das Gebet dreht, so muß ich mir, falls es nur zum Zeitvertreib geschieht, und es nicht notwendig ist, Gewalt antun; denn es ist dies für mich eine große Qual. Lustbarkeiten, an denen ich ehedem so großen Gefallen fand, und überhaupt weltliche Dinge sind mir zur Last; ich mag sie nicht einmal sehen.
Dieses Verlangen, Gott zu lieben, ihm zu dienen und ihn zu schauen, von dem ich gesprochen, hat seinen Ursprung nicht in Erwägungen wie ehedem, wo ich auch sehr andächtig zu sein glaubte und Tränen vergoß; es wird vielmehr hervorgerufen durch eine derartige innere Entflammung und Glut, daß ich — ich wiederhole es — meiner Ansicht nach mein Leben lassen müßte, wenn mir Gott nicht durch irgendeine Entzückung, wodurch er meine Seele mit Wonne erfüllt, zu Hilfe käme.
Solche, die ich in der Tugend weit vorangeschritten sehe, die, beseelt von diesem Verlangen, der Welt abgestorben und voll Mutes sind, liebe ich sehr; und ich möchte auch mit ihnen gerne verkehren, weil sie mir eine Stütze zu sein scheinen. Der Anblick von furchtsamen Personen aber, die im Finsteren herumtappen in Dingen, die sie vernünftigerweise tun könnten, scheint mich zu betrüben und nötigt mich, zu Gott und zu den Heiligen zu rufen, die Dinge vollbrachten, deren Erhabenheit uns jetzt in Staunen setzt. Dies sage ich nicht deshalb, weil ich auf mich etwas halte, sondern weilt ich glaube, daß Gott denen seinen Beistand gewährt, die aus Liebe zu ihm große Werke vollbringen; er verläßt jene nicht, die auf ihn allein ihr Vertrauen setzen. Und da möchte ich Seelen finden, die fähig sind, mich in dieser Überzeugung zu bestärken, und nicht mehr darüber besorgt sind, was wir essen und womit mir uns bekleiden sollen, sondern die dies alles Gott überlassen.
Wenn ich Gott die Sorge für das Notwendige überlasse, so ist das nicht so zu verstehen, daß ich mich in keiner Weise darum bemühe, sondern ich will damit nur sagen, daß ich dabei nicht mit Unruhe zu Werke gehe. Seitdem mir Gott diese Freiheit verliehen hat, befinde ich mich dabei wohl, und ich sorge nur dafür, mich so viel wie möglich zu vergessen. Es ist, wie mir scheint, noch kaum ein Jahr, seitdem mir Gott diese Gnade verliehen hat.
Gott sei Dank habe ich, soweit ich es erkenne, keinen Grund, eitel zu sein. Ich sehe klar ein, daß Gott es ist, der mir diese Gunstbezeigungen verleiht, und daß ich meinerseits nichts dazu beitrage. Übrigens läßt mich Gott meine Armseligkeit erkennen; denn nach meiner Überzeugung könnte ich trotz aller Anstrengung nie aus mir allein jene Wahrheiten erfassen, die er mir in einem Augenblick offenbart.
Was diese Gunstbezeigungen selbst betrifft, so spreche ich seit einiger Zeit in einer Weise davon, als ob es sich um eine andere Person handelte. Früher geriet ich manchmal in Verwirrung, wenn man von mir etwas erfuhr; aber jetzt sehe ich, daß ich dadurch keineswegs besser, sondern vielmehr weit elender bin; denn ich ziehe aus diesen Gnaden so wenig Nutzen, daß es mir vorkommt, es gebe nirgends auf der Welt eine schlimmere Seele als die meinige. Die Tugenden anderer scheinen mir weit verdienstvoller als die meinigen, da ich nichts anderes vollbringe als Gnaden empfangen; anderen wird Gott auf einmal geben, was er mir hier auf Erden verleihen will. Darum bitte ich ihn, er möge mich nicht schon auf dieser Welt belohnen; aber wenn er mich auf diesem Wege führt, so geschieht es, wie ich fest überzeugt bin, um meiner Schwachheit und meines Elendes willen.
Wenn ich mich im Gebete befinde und selbst fast jedesmal, so oft ich mich auch nur ein wenig in der Betrachtung sammle, ist es mir trotz aller Mühe nicht möglich, Gott um Freuden zu bitten oder darnach zu verlangen, weil ich sehe, daß sein Anteil im Leben nur Leiden waren; und darum flehe ich zu ihm um Leiden; zuerst aber bitte ich ihn, mir die Gnade zu verleihen, sie ertragen zu können.
Alle derartigen Gunstbezeigungen und jene, die sich auf eine erhabene Vollkommenheit beziehen, prägen sich mir im Gebete so tief ein, daß ich vor Verwunderung mit fortgerissen werde. Wenn ich so erhabene Wahrheiten mit solcher Klarheit sehe, so kommen mir die Dinge dieser Welt wie Torheit vor. Auch muß ich um mich selbst besorgt sein, um nicht zu vergessen, mit welchem Auge ich früher die Dinge dieser Welt betrachtete. Ist es nicht eine Torheit, über den Tod oder die Leiden eines Menschen ohne Unterlaß zu weinen oder übermäßig an Freunden oder Verwandten zu hängen? Ja, ich muß, ich wiederhole es, um mich selbst in Sorge sein, wenn ich bedenke, wie ich früher war und welche Gefühle ich damals gewöhnlich hatte.
Wenn ich an Personen Dinge gewahre, die offenbar Sünden sind, so kann ich nicht glauben, daß sie Gott beleidigt haben. Und wenn mir wirklich der Gedanke gekommen ist — was sehr selten der Fall war —, so habe ich ihm doch nie zugestimmt trotz der Beweise, die ich davon hatte. Ich war immer der Meinung, daß andere ebenso seien wie ich und Gott wirklich gefallen möchten. Gott hat mir hierin eine große Gnade erwiesen, daß ich mich nie in Gedanken an etwas Bösem aufhalte, wenn ich mich später daran erinnere. Und wenn mir auch der Gedanke daran kommt, so sehe ich immer eine andere Tugend an dem Menschen, der so etwas tut. Darum empfinde ich in diesem Betreffe nie oder fall nie die geringste Verwirrung. Nur die Häresien betrüben mich beständig; und ich kann überhaupt nicht daran denken, ohne zur Überzeugung zu kommen, daß diese allein schon genügen sollten, um uns zu betrüben. Auch das fällt mir schwer, wenn ich Personen sehe, die sich dem Gebete ergeben haben und ihm wieder den Rücken kehren. Allein diese Betrübnis ist nicht von langer Dauer, weil ich immer dafür sorge trage, daß ich mich nicht dabei aufhalte.
Auch bin ich jetzt weniger neugierig als sonst, wenn ich auch nicht ganz von diesem Fehler frei bin; denn wenn ich mich auch manchmal in diesem Punkte überwinde, so bin ich hierin doch nicht immer ganz getreu.
Alles, was ich gesagt habe, ist meines Erachtens das, was gewöhnlich in mir vorgeht; und ich füge hinzu, daß mein Geist dabei beständig mit Gott beschäftigt ist. Trotz meiner anderweitigen Beschäftigungen ist meine Aufmerksamkeit, ohne es zu wollen und zu verstehen, wie es kommt, wach für Gott. Dies trifft zwar nicht immer zu, sondern nur, wenn ich mich mit wichtigen Dingen beschäftige. Gott sei Dank! befaßt sich mein Geist mit solchen wichtigen Dingen nur zeitweilig, und selbst dann ist er nicht vollständig davon eingenommen.
Manchmal, aber nur selten, kommt es vor, daß drei, vier oder fünf Tage lang alle meine guten Werke, all mein Eifer und die Visionen aus meinem Geiste entschwunden zu sein scheinen. Ich kann mich nicht auf mehr daran erinnern, und wenn ich auch wollte, mich nicht entsinnen, ob ich je in meinem Leben etwas Gutes getan habe. Es erscheint mir dies alles wie ein Traum, wenigstens kann ich mich an nichts erinnern. Meine körperlichen Leiden quälen mich dann alle auf einmal. Mein Verstand ist so verwirrt, daß ich an nichts Göttliches denken kann und nicht einmal weiß, nach welchen Vorschriften ich lebe. Wenn ich etwas lese, so verstehe ich es nicht; ich sehe mich voll von Fehlern und ganz mutlos zur Tugend. Mein Starkmut, der mir sonst gewöhnlich eigen ist, ist so geschwächt, daß ich scheinbar nicht einmal der geringsten Versuchung Widerstand leisten und die kleinste üble Nachrede von seiten der Welt ertragen könnte. Dann kommt mir der Gedanke, daß ich zu nichts tauglich bin und man mich mit Recht für eine Person hält, die außerhalb des gewöhnlichen Weges geht. Darüber befällt mich große Traurigkeit; und es kommt mir vor, als ob ich alle täuschen würde, die eine gute Meinung von mir haben. Ich möchte mich dann an einem Orte verbergen, wo ich niemand sehen könnte; aber ich verlange nach dieser Einsamkeit nicht aus Tugend, sondern aus Kleinmut. Ich wäre, wie mir scheint, sogar bereit, mit allen jenen zu zanken, die mir widersprechen wollten. Doch Gott verleiht mir inmitten dieses Kampfes seine Gnade, daß ich ihn nicht ärger als gewöhnlich beleidige. Ich bitte ihn nicht darum, diese Prüfung von mir hinwegzunehmen, ich bin sogar bereit, sie immer zu erdulden, wenn es sein heiliger Wille ist, wenn er mich nur an seiner Hand hält, damit ich ihn nicht beleidige. Ich mache mich ihm ganz gleichförmig und erkenne es als eine besondere Gnade von seiner Seite, daß er mich nicht immer in diesem Zustande beläßt.
Über etwas muß ich mich indes wundern: Wenn ich mich in diesem Zustand befinde, so reicht ein einziges jener Worte, die ich gewöhnlich vernehme, eine Vision oder eine kurze innere Sammlung, die nur ein Ave Maria lang dauert, hin, um meiner Seele die Ruhe, meinem Leibe die Gesundheit, meinem Verstand die Klarheit und mir den Mut und das Verlangen zu verleihen, von dem ich gewöhnlich beseelt bin. Es genügt dazu sogar der Empfang der heiligen Kommunion. Ich habe diese Gunstbezeigungen häufig erfahren; wenigstens bessert sich meine Gesundheit seit sechs Jahren in auffälliger Weise, wenn ich kommuniziere; diese Wirkung macht sich auch manchmal geltend, wenn ich Verzückungen habe. Diese Besserung währt zuzeiten drei Stunden lang; öfters auch den ganzen Tag, und nach meinem Dafürhalten ist dies keine Täuschung von meiner Seite; ich habe das mit der größten Sorgfalt beobachtet. Darum habe ich, wenn ich mich in diesem Zustand der Sammlung befinde, durchaus keine Furcht vor einer Erkrankung. Wenn ich aber das Gebet in der Weise übe, wie ich es früher gewöhnt war, so merke ich von dieser Besserung nichts.
Alles, was ich bisher gesagt habe, nötigt mich zu der Annahme, daß diese Dinge von Gott kommen; denn ich weiß, was ich früher war, und ich sehe, daß ich dem Verderben zugeeilt und es in kurzer Zeit um mich geschehen gewesen wäre; aber diese Gunstbezeigungen, womit meine Seele entzückt wurde, haben mich wirklich ganz umgewandelt; ich wußte nie, woher die Tugenden kamen, die ich in mir wahrnahm; ich kannte mich nicht mehr und sah ein, daß diese in der Tat ein Geschenk des Himmels und nicht eine Frucht meiner eigenen Anstrengungen waren. Ich kann das mit aller Wahrheit und Offenheit sagen und weiß, daß ich mich nicht täusche. Gott hat mich durch diese Gunstbezeigungen nicht nur an sich ziehen, sondern auch vor der Hölle bewahren wollen, wie es auch meinen Beichtvätern bekannt ist, bei denen ich meine Generalbeichte ablegte.
Komme ich mit irgendeiner Person zusammen, die etwas von mir weiß, ja möchte ich ihr auch gerne meinen ganzen Lebenslauf mitteilen; denn ich sehe es als eine Ehre für mich an, daß Unser Herr gepriesen wird; alles andre ist mir gleichgültig. Seine Majestät weiß dies wohl, aber ich bin blind: weder Ehre noch Leben, weder Ruhm noch irgendein Gut des Leibes oder der Seele vermag mich für sie einzunehmen oder der Gegenstand meiner Wünsche zu sein. Ich wünsche nicht einmal meinen geistlichen Fortschritt, sondern nur seine Ehre. Ich kann nicht glauben, daß der Teufel so viele Mittel ausfindig gemacht hat, um meine Seele für sich zu gewinnen und sie dann zu verbergen; denn für so dumm halte ich ihn nicht. Auch kann ich nicht annehmen, daß Gott selbst, wenn ich meiner Sünden wegen verdient hätte, getäuscht zu werden, die zahllosen Gebete hätte abweisen können, die so viele fromme Seelen seit zwei Jahren für mich zu ihm emporsenden. Denn ich höre nicht auf, die ganze Welt um ihr Gebet zu bitten, damit ich erkenne, ob diese Gunstbezeigungen vom Herrn ausgehen, oder damit er mich einen anderen Weg führe. Nach meinem Dafürhalten würde Seine göttliche Majestät nicht zugelassen haben, daß diese beständig andauerten, wenn sie nicht von ihrer Hand ausgehen würden.
Diese Erwägungen sowie die Gründe so vieler heiliger Männer geben mir Mut, wenn mich in Anbetracht meiner großen Armseligkeit die Furcht befällt, es möchten diese Gnaden nicht von ihm kommen.
Aber wenn auch alle Gelehrten und Heiligen der Welt sich vereinigten und mir alle erdenklichen Qualen zufügten, um mich glauben zu machen, es kämen diese Dinge vom Teufel, so könnte ich dies zur Zeit des Gebetes und an jenen Tagen, an denen meine Seele in Ruhe und meine Gedanken mit Gott beschäftigt sind, nicht glauben, selbst wenn ich es gerne glauben wollte. Und als man mich zwingen wollte, es zu glauben, geriet ich in Anbetracht der Autorität dessen, der es mir befahl, in Furcht. Ich dachte mir, daß diese Gelehrten wohl die Wahrheit sagen müßten und daß ich mich, da ich einmal so bin, wie ich bin, täuschen würde. Aber bei der ersten Ansprache, die ich in mir vernahm, bei der ersten inneren Sammlung oder Vision war alles, was man mir sagte, wieder wie verschwunden; ich konnte nicht anders und mußte glauben, daß diese Dinge von Gott kommen.
Ich denke indessen, daß zuweilen der Teufel sich einmischen kann, und es ist auch so, wie ich es gesehen und gesagt habe; aber die Wirkungen sind dann ganz andere. Wer in diesen Gunstbezeigungen Erfahrung besitzt, der kann sich meines Erachtens nicht täuschen. Aber trotz meiner sicheren Überzeugung, daß sie von Gott kommen, erkläre ich, daß ich um nichts in der Welt etwas tun würde, was nach der Ansicht meines Seelenführers nicht zur größeren Ehre Unseres Herrn gereichen würde. Ich habe auch nie etwas anderes vernommen, als daß ich gehorsam sein müßte und keine dieser Gnaden verschweigen dürfte, da sich dies gezieme. Fast beständig werde ich wegen meiner Fehler zurechtgewiesen, und zwar auf eine Weise, daß ich bis ins Innerste meiner Seele erschüttert werde. Ich erhalte außerdem auch Anweisungen, wenn irgend etwas, womit ich mich beschäftige, gefährlich ist oder gefährlich sein könnte. Diese Warnungen gereichen mir zu außerordentlichem Nutzen; sie haben mir oft meine begangenen Sünden ins Gedächtnis zurückgerufen, die mich mit großem Schmerze erfüllten.
Ich bin zwar sehr weitläufig geworden; allein trotzdem scheint mir der Bericht der Gnaden, mit denen ich mich beim Verlassen des Gebetes bereichert finde, ganz gewiß zu kurz zu sein. Freilich begehe hole ich trotz dieser Gunstbezeigungen noch eine Menge von Unvollkommenheiten; ich fühle mich recht unnütz und elend. Vielleicht verstehe ich das Gute nicht oder ich täusche mich. Indessen bemerke ich eine große Besserung in meinem Leben; und wenn ich daher nachdenke über das, was ich gesagt habe, so muß ich in Wahrheit gestehen, daß ich dies, soviel mir scheint, in der Tat empfunden habe. Dies sind die Gnaden, die der Herr einem so elenden und unvollkommenen Geschöpfe wie mir zu verleihen sich gewürdigt hat. Ich überlasse dies alles ihrem Urteile, da Sie die tiefsten Geheimnisse meiner Seele kennen.