231. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Madrid
Ávila, am 26. April 1578
Ankunft der Doña Johanna in Ávila.
Jesus sei mit Euerer Paternität, mein Vater und mein Vorgesetzter, wie Sie sich nennen, worüber ich nicht wenig gelacht und mich gefreut habe! Sooft ich mich daran erinnere, gereicht es mir zur Erheiterung, zu sehen, mit welchem Ernste Sie mich zu mahnen scheinen, über meinen Vorgesetzten nicht abzuurteilen. Wie wenig hatten Sie, mein Vater, es nötig, zu schwören, nicht einmal wie ein Heiliger, geschweige denn wie ein Fuhrmann! Es ist eine Wahrheit, von der ich überzeugt bin: Wem Gott einen solchen Eifer und ein solches Verlangen nach dem Heile der Seelen gegeben hat wie Ihnen, der hätte die Sorge für seine Untergebenen nicht vernachlässigen sollen. Doch über diesen Punkt will ich weiter kein Wort mehr verlieren. Nur daran möchte ich Euere Paternität erinnern, daß Sie mir erlaubt haben, über Sie zu urteilen und zu denken, soviel ich will.
Doña Johanna kam gestern abend, den 25. April, Gott sei Dank, ganz wohlbehalten an. Es war schon spät und fast Nacht. Ich habe mich sehr gefreut, sie bei mir zu haben; denn ich liebe sie von Tag zu Tag mehr, und sie scheint mir täglich tugendhafter und verständiger.
Auch war ich sehr erfreut, unsere [neue] Nonne so glücklich zu sehen; ich kann Ihnen ihre Freude nicht beschreiben. Bei ihrem Eintritt in unser Kloster benahm sie sich so, als wäre sie schon ihr ganzes Leben lang da gewesen. Ich hoffe zu Gott, sie werde eine sehr tüchtige Nonne werden. Sie besitzt einen angenehmen Charakter und eine seltene Geschicklichkeit. Ich wünschte recht sehr, Doña Johanna möchte nicht weiterreisen; allein Euere Paternität haben diesen Engel mit einer solchen Vorliebe für Valladolid erfüllt, daß alle unsere Bitten nicht imstande waren, ihn zum Hierbleiben zu bestimmen. Gott sei gepriesen, und er beschütze Euere Paternität!
O was hat Theresia nicht alles getan und gesagt! Sie hat sich gut herausgeholfen, da sie sehr verständig ist. Sie hat mir versichert, sie werde tun, was ich wünschte; aber man konnte doch deutlich erkennen, daß sie auf unsere Absichten nicht einging. Ich habe noch ganz allein mit ihr gesprochen und ihr vieles von diesem Kloster erzählt, besonders daß es wie durch ein Wunder entstanden sei, und anderes mehr. Darauf entgegnete sie mir, daß es ihr einerlei sei, hier oder in Valladolid zu sein. Wir meinten nun schon etwas erreicht zu haben, allein ich bemerkte, daß sie traurig gestimmt war. Zuletzt redete sie noch insgeheim mit Doña Johanna und bat sie, sie nach Valladolid zu führen, ohne merken zu lassen, daß sie selbst es wünsche.
Der Doña Johanna und mir schien es durchaus notwendig, daß Ihre Schwester nicht in Ávila bleibe; denn wenn Doña Maria hier eingekleidet würde und dann nach Valladolid käme, so könnte das für sie ein Anlaß zur Unzufriedenheit werden. Sie erklärte mir auch offen, daß es ihr schwerfallen würde und sie es nicht über sich bringen könnte, ein Kloster zu verlassen, in das sie eingetreten sei. So wird denn, wie ich glaube, Doña Johanna morgen nach Tisch mit ihrer Tochter abreisen. Ich hätte gewünscht, daß sie wenigstens noch bis Montag hierbleiben würde. Allein da ich all die Ausgaben sehe, die sie machen muß, so will ich ihr durch vieles Zureden nicht lästig fallen.
Sie wohnt im Hause meines Bruders, und Aranda sorgt sehr gut für sie. Gott geleite sie auf der Reise! Ich bin sehr besorgt um sie; obwohl sie schon den schwierigsten Teil des Weges zurückgelegt hat, kam sie doch sehr wohlbehalten hier an. Gott wird verhüten, daß ihr ein Übel zustößt; denn sie ist gesund und besitzt eine gute Körperkonstitution. Weil ich sie innig liebe, habe ich sie in dem Augenblick, als Doña Maria eintrat, an der Pforte umarmt. Möge sie Gott wieder wohlbehalten in ihr Heim zurückführen; denn ihre Gesundheit ist für
uns kostbar!
