1. Leben und Wirken des heiligen Pachomius.
S. 781 Pachomius1 wurde als der Sohn heidnischer Eltern in der oberen Thebais, nahe bei Esneh geboren; sein Geburtsjahr steht nicht fest, es wird um 292 oder 288 angenommen. Wenn mit dem Kriege, zu dem er, wie es in unserer Vita heißt, mit zwanzig Jahren als Rekrut ausgehoben wurde, der des Konstantinus mit Licinius gemeint ist, so würde seine Geburt in das Jahr 294 fallen. Jedenfalls diente er als Soldat in einem der Kriege, die zur Alleinherrschaft des Konstantin führten, wohl im Heere des Maximinus (kaum unter Konstantius). In Esneh lernte er dabei das Christentum kennen und wurde dafür durch das tätige Mitleid frommer Christen, das er an sich selbst erfuhr, gewonnen. Nach dem Siege Konstantins wurde er wieder entlassen, kehrte in seine Heimat zurück, ließ sich im Dorfe Chenoboskia (Schenesit) im christlichen Glauben unterrichten und taufen. 314 wieder als Dienstjahr des Pachomius vorausgesetzt, würde seine Bekehrung in den Anfang des Jahres 315 fallen. Daß Pachomius in einem Serapistempel in Schenesit als Inkluse gelebt habe, läßt sich nicht beweisen.
Pachomius fühlte sich bald nach seiner Taufe zum Einsiedlerleben hingezogen und verweilte auch längere Zeit in der Eremitenkolonie des Palamon. Um 318, nach anderer Annahme um 325, d. h. etwa zwanzig Jahre S. 782 später als Antonius, gründete er in Tabennesis ein Kloster, nach unserer Vita geleitet durch eine göttliche Stimme. Während unter Antonius die Mönche in Einzelzellen lebten, die zusammen eine Laura bildeten, ersetzte Pachomius diese zerstreuten Zellen durch ein Haus mit einer größeren Anzahl von Zellen und umgab es mit einer Mauer.
Nach unserer Vita empfing er von einem Engel eine Tafel (δέλτον), welche die Satzungen des neuen Klosters enthielt. Ιm Verein mit Palamon führte er den Auftrag aus; auch der ältere Bruder des Pachomius, Johannes, schloß sich ihm an, starb aber bald. Um 330 wurde er durch den Besuch des Athanasius ausgezeichnet (nach anderer Angabe 333). Auch seine Schwester Maria, deren Namen jedoch hier nicht genannt wird, gewann er für das asketische Leben; sie wurde die Vorsteherin des ersten Nonnenklosters, das nach seiner Regel geleitet wurde. Auch Theodorus, der spätere Lieblingsschüler des Pachomius und energische Vertreter der Einheit des Klosterverbandes, trat ein.
Bald wurde das erste Kloster zu klein, und Pachomius gründete zu Peboon (in unserer Vita Pibu), griechisch Βαῦ, nördlich von Tabennesis, ein zweites Kloster nach dem Muster des ersten, das später das Zentralkloster des ganzen Klosterstaates wurde. Unsere Vita berichtet dann weiter, daß sich auch die Klöster (wohl besser Asketengenossenschaften) in Chenoboskia und Muchonse angliederten.
Neun Männerklöster und zwei Nonnenklöster zählte der Verband noch zu Lebzeiten des Heiligen.
Aus unserer Vita erfahren wir weiter, daß Theodorus zum Verwalter in Tabennesis eingesetzt wurde und hören Näheres über die Gründung eines neuen Klosters und die Widerstände, die dabei zu überwinden waren.
Diese gingen nicht allein von offenbar heidnischen Volkskreisen aus, auch die kirchlichen Oberen standen dem Pachomius nicht immer freundlich gegenüber. Er wurde sogar auf einer Synode zu Esneh (346 oder 348) von den Bischöfen wegen seiner Visionen angeklagt und nur mit Mühe aus dem blutigen Handgemenge, das sich S. 783 zwischen den Priestern und seinen streitbaren Mönchen entspann, gerettet. Dagegen genoß er seit langem die Gunst des Athanasius (siehe oben), für den er mit Nachdruck eintrat; davon weiß auch unsere Vita Ausführliches zu berichten.
Sie erzählt uns auch, daß er nach dem Osterfeste erkrankte - wie wir anderwärts hören an der Pest des Jahres 346, die auch in seinen Klöstern viele Opfer forderte -, daß Theodorus ihn pflegte und daß er selbst noch die Wahl des Petronius zu seinem Nachfolger veranlaßte. Am 14. Mai - so lautet die Angabe unserer Vita - starb er. Andere Quellen geben als Todestag den 9. Mai an. Als Todesjahr wird gewöhnlich 346, daneben auch das Jahr 348 genannt.
Petronius starb nach dem Bericht der Vita bald nach ihm, laut anderer Angabe nach zwei Monaten; an seine Stelle trat Orsisius, oder, wie er auch genannt wird, Horsisi (Horsiesi).
„Pachomius hatte es verstanden, den ganzen Klosterverband zu einer großen Produktivgenossenschaft zusammenzufassen. Sämtliche Erzeugnisse wurden in dem Hauptkloster Peboon abgeliefert; einem οἰκονόμος μέγας unterstand die ganze wirtschaftliche Leitung. Er kaufte die Rohmaterialien ein und verkaufte die fertigen Erzeugnisse. Zweimal im Jahre war Generalabrechnung. zu Ostern und im Herbste am 13. August“.2
Im Jahre 350 suchte einer der Äbte der Pachomiusklöster, Apollonius von Temuschons, die Unterordnung unter das Mutterkloster aufzuheben. Orsisius nahm sich den tatkräftigen Theodorus als Koadjutor zur Seite, der das drohende Schisma beilegte. Theodorus war ein ehrgeiziger Mann, aus vornehmer Familie, der sich schon bei Lebzeiten des Pachomius Hoffnungen auf die leitende Stellung im Klosterverbande machen durfte. Um so auffälliger ist es, daß Pachomius nicht ihn, sondern Petronius als Nachfolger vorschlug; es scheint unter den Mönchen, wie auch aus unserer Vita aus einer Stelle (Kap.28) hervorgeht, eine Strömung gegen ihn bestanden zu haben. Theodorus hielt den Verband zusammen S. 784 und erbaute drei neue Mönchsklöster und ein Nonnenkloster. Als er am 27. April 368 starb, sprach Athanasius in einem Schreiben dem Orsisius seine Teilnahme aus; dieser übernahm wieder selbst die Leitung des Verbandes.
Es sei gestattet, hier noch einige Bemerkungen über das weitere Schicksal der Gründung des Pachomius zu geben.3 Wir erfahren darüber aus dem von Hieronymus 404 geschriebenen Prolog zu seiner Übersetzung der Regel des Pachomius.4 Hieronymus spricht hier von einem Pachomiuskloster zu Canopis bei Alexandria und gibt an, daß hierher fünfzigtausend Mönche zur Rechenschaftsablage zusammenkamen, eine sicher übertriebene Zahl. Cassian5 nennt fünftausend, Palladius6 und Sozomenos7 wissen von siebentausend Tabennesioten. Um 460 wurde von Abt Martyrius von Peboon eine Kirche zu Ehren des Pachomius erbaut.
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Der Name wird aus dem Sahidischen erklärt von W. E. Crum, Notes on: I. The name Pachomius. Proceedings of the Society of biblical Archaeology 21 (1899) 247-249. Bemerkung: Das Material für die Einleitung stammt aus der vorliegenden vita; ferner aus: Bardenhewer, Patrologie, 1910, 3. Aufl., S. 219ff. Wetzer und Welte, Kirchenlexikon, 2. Aufl. Bd. 9 Sp. 1228. (J. J. Herzog-) A. Hauck, Realenzyklopädie für prot. Theologie und Kirche Bd. 14 (1904) S. 548 ff. ↩
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Hauck, Realenzyklopädie etc. a. a. O. ↩
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Hauck, Realenzyklop. etc. a. a. O. ↩
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Migne, Patr. lat. 23, 61-86. ↩
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De coenob. inst. 4, 1. ↩
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Hist. Laus. 38. ↩
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Hist. Eccl. 3, 14. ↩