4.
Mitnichten nämlich ist der Leib mächtiger als die Seele, denn von ihr wird er belebt und bewegt, von ihr empfängt er Wachstum und Gliederung. Die Seele besitzt und beherrscht den Leib. Wenn sie auch insoweit in ihrer Schnelligkeit gehindert wird, als sie dem Leibe von ihrer Bewegung mitteilt, so verliert sie doch nicht ihr Wissen. Denn der Körper ist einem Werkzeug ähnlich, die Seele aber ist dem Künstler zu vergleichen. Wie nämlich der Künstler sich sein Werk im Geiste schnell zurechtlegt, es aber nur langsam mit dem S. 202Werkzeug zustande bringt, weil es sich um unbewegliche Materie handelt und die Verbindung mit der Langsamkeit des Werkzeugs trotz der Schnelligkeit des Denkens nur ein langsames Arbeiten gestattet, so wird auch die Seele durch die Verbindung mit ihrem Körper beträchtlich gehindert, da ihre Schnelligkeit in der Langsamkeit des Körpers aufgeht. Dennoch verliert sie keineswegs gänzlich ihre eignen Kräfte; gleichsam dem Körper das Leben schenkend, hört sie selbst nicht auf zu leben. Ebensowenig verliert sie ihre Kenntnis oder die Erinnerung an das, was sie geschaut hat, wenn sie ihrem Körper davon mitteilt.