8.
Denn es versteht sich, daß es weder mehr noch weniger als diese Evangelien geben kann. Da es nämlich in der Welt, in der wir uns befinden, vier Gegenden und vier Hauptwindrichtungen gibt und die Kirche über die ganze Erde ausgesät ist, das Evangelium aber die Säule und Grundfeste der Kirche und ihr Lebenshauch ist, so muß sie naturgemäß auch vier Säulen haben, die von allen Seiten S. 243Unsterblichkeit aushauchen und die Menschen wieder beleben. Daraus ergibt sich, daß das Wort, als Urheber des Weltalls, thronend über den Cherubinen und alles umfassend, als es den Menschen sich offenbarte, uns ein viergestaltiges Evangelium gab, das aber von einem Geiste zusammengehalten wird. Wie auch David im Verlangen nach seiner Ankunft ausruft: „Der du thronest über den Cherubinen, erscheine!“1 Die Cherubim nämlich haben vier Gesichter, und diese ihre Gesichter sind die Abbilder der Heilseinrichtung des Sohnes Gottes. Denn „das erste Tier“, heißt es, „ist ähnlich einem Löwen“2 , um seine Kraft, Herrschaft und königliche Art auszudrücken; „das zweite ähnlich einem jungen Stiere“, um seine Opfer- und Priesterstellung anzuzeigen; „das dritte hat das Angesicht eines Menschen“, um seine Ankunft in Menschengestalt aufs deutlichste zu bezeichnen; „das vierte ist ähnlich einem fliegenden Adler“, um die Gnadengabe des auf die Kirche ausströmenden Geistes kundzutun. Die Evangelien nun passen zu den Wesen, auf denen Christus sitzt. Denn das Evangelium nach Johannes betont seine uranfängliche, wirksame und ruhmvolle Geburt aus dem Vater, indem es sagt: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts gemacht worden“. Und wie seine Person, so ist auch sein Evangelium voller Zuversicht. Das Evangelium nach Lukas aber mit dem priesterlichen Charakter beginnt mit dem Priester Zacharias, wie er Gott opfert. Denn schon wurde das gemästete Kalb zubereitet, das wegen der Rückkehr des jüngeren Sohnes geschlachtet werden sollte. Matthäus dann verkündet seine menschliche Geburt mit den Worten: „Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams ... Und mit der Geburt Jesu Christi verhielt es sich folgendermaßen“3 . Dieses Evangelium hat also die menschliche Gestalt, und in seinem ganzen Verlauf ist der sanfte und demütige Mensch beibehalten S. 244worden. Markus aber beginnt mit dem prophetischen Geist, der auf die Menschen von oben herabkam, und sagt: „Anfang des Evangeliums, wie geschrieben steht beim Propheten Isaias“4 und zeigt die fliegende und beflügelte Gestalt des Evangeliums. Deshalb ist seine Botschaft knapp und vorwärtseilend, wie das der prophetische Charakter mit sich bringt. — Gerade so das Wort Gottes: Mit den Patriarchen vor Moses verkehrte es auf göttliche und majestätische Art, mit denen unter dem Gesetze nach seiner priesterlichen Stellung, als Mensch sodann sandte es die Gabe des himmlischen Geistes auf die ganze Erde, indem es mit seinen Flügeln uns beschützte. Wie also die Heilsordnung des Sohnes Gottes, so auch die Gestalt der Tiere, und wie die Gestalt der Tiere, so auch der Charakter des Evangeliums. Viergestaltig die Tiere, viergestaltig das Evangelium, viergestaltig die Heilsordnung des Herrn. Daher also wurden auch vier allgemeine Bündnisse der Menschheit gegeben, das erste nach der Sintflut mit Noe bei dem Regenbogen, das zweite mit Abraham unter dem Zeichen der Beschneidung, das dritte bei der Gesetzgebung durch Moses, das vierte, das den Menschen erneuert and in sich alle zusammenfaßt, in dem die Mensches erhoben und zu dem himmlischen Reich emporgetragen werden, ist das Evangelium unseres Herrn Jesu Christi.