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Works Gregory of Nyssa (335-394) Orationes VIII de beatitudinibus Acht Homilien über die acht Seligkeiten (BKV)
Sechste Rede: "Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott anschauen."

I

Es lautet also die Seligpreisung: „Selig, die eines reinen Herzens sind; denn sie werden Gott anschauen.“ Diese Verheißung ist so groß, daß sie die höchste Stufe der Seligkeit noch zu überschreiten scheint. Denn welches Gut könnte nach diesem noch jener wünschen, der alles in dem besitzt, den er schaut. „Schauen“ ist nämlich nach dem Sprachgebrauch der Schrift gleichbedeutend mit „haben“. So will die Schrift mit dem Ausdruck: „Sehen sollst du die Güter Jerusalems“ (Ps. 125, 5 [ber.: Ps. 127, 5 Septuag. u. Vulgata] [Ps. 128, 5 hebr.]) sicher versprechen: „Du wirst sie finden“ oder „erhalten“; desgleichen will der Prophet in seiner Drohung: „Der Gottlose werde entfernt, damit er die Herrlichkeit des Herrn nicht sehe“ (Is. 26, 10) mit der Wendung „nicht sehen“ bestimmt „ein Nicht-Teilnehmen“ ausdrücken. Wer also Gott sieht, ist durch dieses Sehen in den Besitz aller Güter gelangt, die sich nur immer aufzählen lassen, wie: das ewige Leben, die immerwährende Unversehrtheit, die unverlierbare Seligkeit, die endlose Herrschaft, die unaufhörliche Freude, das wahre Licht, die geistige und süße Speise (bzw. Sprache), die unentreißbare Herrlichkeit, der beständige Jubel, überhaupt jedes Gut. So Vieles und so Großes ist es also, was die Seligpreisung unserer Hoffnung in Aussicht stellt.

Da aber als Mittel, dieses Schauen zu erlangen, die Reinheit des Herzens angegeben wird, so wird mein Verstand auch hier von einem Schwindel ergriffen, weil mich die Furcht befällt, es möchte die Reinheit des Herzens etwa zu den Dingen gehören, die unmöglich und für unsere Natur unerreichbar sind. Denn wenn man hiedurch zur Anschauung Gottes kommen soll, Moses aber Gott nicht gesehen hat und Paulus beteuert, weder er noch ein anderer könne ihn sehen, so scheint diese Reinheit, welche vom Worte selbst als Bedingung angegeben wird, um der Seligpreisung teilhaftig zu werden, tatsächlich in die Unmöglichkeiten eingereiht zu sein. Welchen Gewinn S. 211 haben wir also davon, wenn wir zwar das Mittel kennenlernen, um zur Anschauung Gottes zu gelangen, wenn wir aber keine Möglichkeit finden, dieses Mittel zu erreichen? Es ist, als wenn jemand sagen würde: „Selig, wer in den Himmel kommt; denn dort sieht er, was im Leben nicht gesehen werden kann.“ Denn nur dann, wenn uns durch ein Wort Gottes, auch das Mittel zur Himmelsreise angegeben wird, ist uns der Hinweis auf die Herrlichkeit des Himmels nützlich. So lange es uns jedoch unmöglich bleibt, nach oben zu gelangen, welchen Gewinn hätten wir dann von dem bloßen Wissen um die Schönheit dort oben? Vielmehr würde es uns bloß in Traurigkeit versetzen, wenn wir nur von der himmlischen Seligkeit hören würden, aber kein Mittel wüßten, uns dieselbe zu verschaffen!

Befiehlt uns also der Herr etwas, was außerhalb unserer Natur ist, oder überschritt er mit seinem großartigen Gebot die Grenzen der menschlichen Kraft? Keineswegs! Weder befiehlt er denen, welchen er keine Flügel anerschuf, sie sollten sich in die Lüfte erheben, noch verlangt er, daß die Landtiere unter dem Wasser leben. Wenn nun auf allen übrigen Gebieten das Gesetz vollständig der Kraft derjenigen Rechnung trägt, für die es gegeben wird, und nirgend der Natur Gewalt geschieht, so müssen wir folgerichtig auch in unserem Fall annehmen, daß die in der Seligpreisung enthaltene Verheißung nicht außerhalb des Bereiches unserer Hoffnung liegt, daß vielmehr auch Johannes und Paulus wie auch Moses und andere ihnen ähnliche Lehrer der Seligkeit nicht verlustig gingen, welche aus der Anschauung Gottes erwächst, weder jener, der da sagen durfte: „Aufbewahrt ist mir die Krone der Gerechtigkeit, die mir der gerechte Richter übergeben wird“ (2 Tim. 4, 8), noch der Jünger, der an Jesu Brust gelegen hatte, noch derjenige, der die Stimme Gottes vernahm: „Vor allen habe ich dich erkannt“ (Exod. 33, 17).

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Translations of this Work
Acht Homilien über die acht Seligkeiten (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung zur Schrift: „Über die Seligpreisungen."

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