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Über das Priestertum (BKV)
KAPITEL VIII.
In jenem Falle 1 hätten, wenn nicht alle, so doch diejenigen, denen boshafte Reden zu führen ein Vergnügen ist, reichlich Gelegenheit gehabt, sowohl über mich, den Erwählten, als auch über die Wähler argwöhnische Gedanken zu fassen und sie auch auszusprechen, wie z. B. daß sie auf Reichtum schauen, daß sie sich blenden lassen würden durch den Glanz der Abkunft, oder daß sie durch meine Schmeicheleien bewogen mich zu diesem Amte berufen hätten. Ja, es ist nicht ausgeschlossen, daß der eine oder andere auf den Verdacht gekommen wäre — ich mag es gar nicht aussprechen —, sie seien sogar durch Geld bestochen worden. Noch ein anderer Einwand hätte erhoben werden können: Christus hat Fischer 2, Zeltmacher3 und Zöllner4 zu dieser Würde berufen; jene aber verschmähen alle, die sich von gewöhnlicher Arbeit ernähren. Wenn jedoch einer sich mit heidnischer 5 Wissenschaft beschäftigt und ohne zu arbeiten dahinlebt, den heben sie auf den Schild, denS. 135 bewundern sie. Warum haben sie doch Männer, die unzählige Mal ihren Schweiß für die Interessen der Kirche vergossen, übergangen, dagegen einen, der solchen Anstrengungen sich niemals unterzogen, vielmehr seine ganze Jugend in der unnützen Beschäftigung mit weltlichen Wissenschaften vergeudet hat, auf einmal zu dieser Würde erhoben?
Solche und noch mehr derartige Einwände könnte man vorbringen, wenn ich dieses hohe Amt angenommen hätte. Jetzt aber kann man das nicht. Denn jeglicher Vorwand zu übler Nachrede ist ihnen abgeschnitten. Weder können sie mir Schmeichelei noch jenen Bestechlichkeit zum Vorwurfe machen, es müßte denn gerade sein, daß einer im Wahnsinne reden wollte. Wie möchte denn jemand Schmeicheleien und Geld aufwenden, um eine Würde zu erlangen, sie aber gerade in dem Augenblicke, da er ihrer wirklich teilhaftig werden sollte, anderen überlassen? Ein solches Vorgehen wäre gerade so, als wollte einer, nachdem er unter vieler Mühe das Erdreich bestellt hat, damit ihm das Feld von reichlicher Frucht strotze und seine Kelter von Wein überfließe, nach den unzähligen Schweißtropfen und dem großen Aufwand an Geld, wenn es zur Getreideernte und zur Weinlese kommt, den ganzen Früchteertrag anderen abtreten. Siehst du also, daß diejenigen, welche gerne Verleumdungen vorbringen, wenn ihre Worte auch weit von der Wahrheit entfernt wären, in meinem Falle doch einen Vorwand hätten zu der Beschuldigung, es sei die Wahl nicht nach richtiger Beurteilung aller zu berücksichtigenden Umstände getroffen worden? Ich aber habe ihnen jetzt nicht gestattet, den Mund aufzusperren, ja nicht einmal ein wenig ihn zu öffnen.
Diese Beschuldigungen und noch andere mehr hätten sie schon von allem Anfang an verbreitet. Hätte ich aber dann wirklich das Amt übernommen, so hätte ich mich gar nicht genug 6 Tag für Tag meinen Anklägern gegenüber verteidigen können, selbst wenn ich auch S. 136 allen Verpflichtungen tadellos nachgekommen wäre; nicht zu reden davon, daß infolge meiner Unerfahrenheit und meines jugendlichen Alters viele Fehler unausbleiblich gewesen wären. Nun aber habe ich ihnen jeden Grund zu solcher Beschuldigung entzogen; andernfalls hätte ich ihnen tausendfachen Anlaß gegeben zu Schmähungen. Denn was hätte man nicht alles vorgebracht? — Unvernünftigen Knaben haben sie so außerordentliche und wichtige Geschäfte anvertraut! Die Herde Gottes haben sie geschädigt! Die christliche Sache ist zum Spielzeug und Gelächter geworden! "Jetzt jedoch wird alle Bosheit ihren Mund verstopfen"7. Sollten sie auch wider dich solche Vorwürfe erheben, dann wirst du sie rasch durch deine Taten belehren, daß man die Einsicht nicht nach dem Alter beurteilen darf, daß man also einerseits einen Alten nicht schon wegen seiner grauen Haare als erprobt ansehen, anderseits nicht unbedingt jeden jungen Mann von einem solchen Amte ausschließen soll, sondern nur den Neubekehrten8. Zwischen beiderlei Arten 9 ist aber ein großer Unterschied.
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d. h, wenn ich die Wahl angenommen hätte ↩
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Siehe Matth, 4, 18—22 ↩
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Apg. 18, 3. ↩
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Luk. 5, 27. ↩
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„λὸγων τῶν ἔξωθενv“. Gemeint ist wohl allgemein weltliche, profane Wissenschaft in Erinnerung, daß Chrys. Schüler des Libanius war. ↩
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„ἠρκέσαμεν“. Bloß wenige Manuskripte und Ausgaben wie die von Savilius lesen „ἤρκεσαν“. ↩
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Ps. 106, 42. ↩
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Vgl. 1 Tim. 3, 6. ↩
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Zwischen einem physisch Jugendlichen und einem erst jüngst Neubekehrten. ↩
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Treatise concerning the christian priesthood
8.
For had I accepted the office, I do not say all men, but those who take pleasure in speaking evil, might have suspected and said many things concerning myself who had been elected and concerning them, the electors: for instance, that they regarded wealth, and admired splendor of rank, or had been induced by flattery to promote me to this honor: indeed I cannot say whether some one might not have suspected that they were bribed by money. Moreover, they would have said, "Christ called fishermen, tentmakers, and publicans to this dignity, whereas these men reject those who support themselves by daily labor: but if there be any one who devotes himself to secular learning, and is brought up in idleness, him they receive and admire. For why, pray, have they passed by men who have undergone innumerable toils in the service of the Church, and suddenly dragged into this dignity one who has never experienced any labors of this kind, but has spent all his youth in the vain study of secular learning." These things and more they might have said had I accepted the office: but not so now. For every pretext for maligning is now cut away from them, and they can neither accuse me of flattery, nor the others of receiving bribes, unless some choose to act like mere madmen. For how could one who used flattery and expended money in order to obtain the dignity, have abandoned it to others when he might have obtained it? For this would be just as if a man who had bestowed much labor upon the ground in order that the corn field might be laden with abundant produce, and the presses overflow with wine, after innumerable toils and great expenditure of money were to surrender the fruits to others just when it was time to reap his corn and gather in his vintage. Do you see that although what was said might be far from the truth, nevertheless those who wished to calumniate the electors would then have had a pretext for alleging that the choice was made without fair judgment and consideration. But as it is I have prevented them from being open mouthed, or even uttering a single word on the subject. Such then and more would have been their remarks at the outset. But after undertaking the ministry I should not have been able day by day to defend myself against accusers, even if I had done everything faultlessly, to say nothing of the many mistakes which I must have made owing to my youth and inexperience. But now I have saved the electors from this kind of accusation also, whereas in the other case I should have involved them in innumerable reproaches. For what would not the world have said? "They have committed affairs of such vast interest and importance to thoughtless youths, they have defiled the flock of God, and Christian affairs have become a jest and a laughing-stock." But now "all iniquity shall stop her mouth." 1 For although they may say these things on your account, you will speedily teach them by your acts that understanding is not to be estimated by age, and the grey head is not to be the test of an elder--that the young man ought not to be absolutely excluded from the ministry, but only the novice: and the difference between the two is great.
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Ps. cvii. 42. ↩