Translation
Hide
Über das Priestertum (BKV)
KAPITEL XI.
Aber das wird wohl niemand sich beikommen lassen. Ist es doch gefährlich, in Wahrheit gefährlich, nach dieser Würde zu streben. Nicht im Widerspruch mit dem seligen Paulus behaupte ich das, sondern vollständig in Übereinstimmung mit seinen Worten. Wie spricht er sich darüber aus? "Wenn jemand das Bischofsamt zu erlangen trachtet, der begehrt ein gutes Werk" 1. Ich aber sagte nicht, es sei gefährlich, das Werk an sich zu erstreben, sondern Ansehen und Macht zu begehren. Und dieses Verlangen, meine ich, muß man mit allem Eifer aus der Seele bannen und überhaupt von Anfang an gar nicht dulden, daß es von uns Besitz ergreife, damit wir alles mit Freiheit zu tun vermögen. Denn wer nicht darnach begehrt, im Besitze dieser Macht öffentlich sich zu zeigen, fürchtet auch die Absetzung nicht. Und wenn er diese nicht fürchtet, vermag er überall mit der den Christen geziemenden Freiheit zu handeln. Allerdings diejenigen, die zagen und zittern bei dem Gedanken, sie möchten ihres Amtes entsetzt werden, sind einer bitteren Knechtschaft verfallen, die zahlreiche Übel im Gefolge hat und werden oft genötigt, bei Gott und den Menschen anzustoßen. So darf aber unsere Seele nicht gesinnt sein, sondern wie wir im Kriege bei den Tapferen unter den Soldaten wahrnehmen können, daß sie sowohl mutig S. 154 zu kämpfen als auch mannhaft zu sterben wissen, so sollen auch die, welche zu diesem Amte gelangt sind, es zu verwalten und auch wieder niederzulegen bereit sein, wie es sich für christliche Männer geziemt, indem sie überzeugt sein dürfen, daß eine solche Abdankung eine nicht geringere Krone einträgt als die Ausübung des Amtes selbst. Denn falls jemand dafür, daß er nichts Unziemliches und nichts der Würde des Amtes Unwürdiges duldet 2 , abgesetzt wird, so bringt dieses Vorgehen denen, die ihn ungerechter Weise entfernt haben, Strafe, ihm selbst aber umso größeren Lohn 3. heißt es doch: "Selig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen und verfolgen und alles Böse fälschlich wider euch reden um meinetwillen. Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel" 4. So muß sich derjenige verhalten, der von seinen Amtsbrüdern, sei es aus Neid oder um den übrigen zu gefallen, sei es aus Haß oder aus einem anderen ungerechten Beweggrunde aus dem Amte gedrängt wird. Sollte ihm aber diese Unbill von seinen Feinden widerfahren, so bedarf es meines Erachtens keines einzigen Wortes, um erst den großen Gewinn zu zeigen, den jene ihm durch ihre eigene Bosheit verschaffen.
Es ist also nötig, allseitig Umschau zu halten und genau zu erforschen, ob nicht etwa irgendwo ein Funke jener Begierde in uns verborgen glimme, Denn es ist zu wünschen 5, daß auch diejenigen, welche sich von Anfang an von jener Leidenschaft frei zu halten wußten, ihr auch zu entgehen vermögen, wenn ihnen die hohe Würde übertragen worden ist. Sollte aber jemand schon, S. 155 bevor er diese Ehrenstelle erlangte, das genannte gefährliche und wilde Tier in sich nähren, dann ist gar nicht zu sagen, in welchen Glutofen er sich hineinstürzen wird, sobald er sein Ziel erreicht hat. Ich nun (doch glaube ja nicht, daß ich etwa aus Bescheidenheit dich anzulügen beabsichtige) besitze die genannte Leidenschaft in hohem Maße. Neben anderen Gründen hat auch dieser Umstand nicht minder mich in Furcht versetzt und mich zu meiner Flucht veranlaßt. Denn wie diejenigen, welche körperliche Schönheit lieben, solange es ihnen möglich ist, den geliebten Personen nahe zu sein, eine um so heftigere Qual ob ihrer Leidenschaft auszustehen haben, aber von der Narrheit sich losmachen, wenn sie von dem Gegenstande der Sehnsucht sich möglichst weit entfernen, so verhält es sich auch bei denen, welche nach einer kirchlichen Würde streben. Solange sie sich deren Erlangung nahe glauben, wird ihr Begehren zu einem unerträglichen Übel. Sobald sie jedoch alle Hoffnung aufgegeben haben, ersticken sie zugleich mit der Erwartung auch die Begierde darnach.
-
1 Tim. 3, 1. ↩
-
Die bisherige Übersetzung in der Bibliothek der Kirchenväter, die auch Seltmann akzeptiert hat: „Denn falls jemand die Absetzung erduldet, ohne etwas verbrochen zu haben, was den Verlust seiner Würde rechtfertigen könnte“, verträgt sich schon nicht mit dem „ὑπὲρ τοῦ . . .“, ↩
-
„τὸν μισθόν“. In manchen Ausgaben ist „τὴν τιμήν“ zn lesen. ↩
-
Matth, 5, 11. 12. ↩
-
„Ἀγαπητόν“ mit „es ist schon genug" zu übersetzen, wie dies Wohlenberg und Nairn tun, gibt einen unrichtigen Sinn. ↩
Translation
Hide
Treatise concerning the christian priesthood
11.
But no one will always endure the strain; for fearful, truly fearful is the eager desire after this honor. And in saying this I am not in opposition to the blessed Paul, but in complete harmony with his words. For what says he? "If any man desireth the office of a bishop, he desireth a good work." 1 Now I have not said that it is a terrible thing to desire the work, but only the authority and power. And this desire I think one ought to expel from the soul with all possible earnestness, not permitting it at the outset to be possessed by such a feeling, so that one may be able to do everything with freedom. For he who does not desire to be exhibited in possession of this authority, does not fear to be deposed from it, and not fearing this will be able to do everything with the freedom which becomes Christian men: whereas they who fear and tremble lest they should be deposed undergo a bitter servitude, filled with all kinds of evils, and are often compelled to offend against both God and man. Now the soul ought not to be affected in this way; but as in warfare we see those soldiers who are noble-spirited fight willingly and fall bravely, so they who have attained to this stewardship should be contented to be consecrated to the dignity or removed from it, as becomes Christian men, knowing that deposition of this kind brings its reward no less than the discharge of the office. For when any one suffers anything of this kind, in order to avoid submitting to something which is unbecoming or unworthy of this dignity, he procures punishment for those who wrongfully depose him, and a greater reward for himself. "Blessed," says our Lord, "are ye when men shall revile you and persecute you, and shall say all manner of evil against you falsely for my sake; rejoice and be exceeding glad, for great is your reward in Heaven." 2 And this, indeed, is the case when any one is expelled by those of his own rank either on account of envy, with a view to the favor of others, or through hatred, or from any other wrong motive: but when it is the lot of any one to experience this treatment at the hand of opponents, I do not think a word is needed to prove what great gain they confer upon him by their wickedness.
It behoves us, then, to be on the watch on all sides, and to make a careful search lest any spark of this desire should be secretly smouldering somewhere. For it is much to be wished that those who are originally free from this passion, should also be able to avoid it when they have lighted upon this office. But if any one, before he obtains the honor, cherishes in himself this terrible and savage monster, it is impossible to say into what a furnace he will fling himself after he has attained it. Now I possessed this desire in a high degree (and do not suppose that I would ever tell you what was untrue in self-disparagement): and this, combined with other reasons, alarmed me not a little, and induced me to take flight. For just as lovers of the human person, as long as they are permitted to be near the objects of their affection, suffer more severe torment from their passion, but when they remove as far as possible from these objects of desire, they drive away the frenzy: even so when those who desire this dignity are near it, the evil becomes intolerable: but when they cease to hope for it, the desire is extinguished together with the expectation.