• Home
  • Works
  • Introduction Guide Collaboration Sponsors / Collaborators Copyrights Contact Imprint
Bibliothek der Kirchenväter
Search
DE EN FR
Works John Chrysostom (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
SIEBZEHNTE HOMILIE: Kap. IX, V. 1—33.

10.

Siehst du da, was es heißt: „Ein Wort, das sich in kurzer Zeit erfüllt, wird der Herr ausführen auf der Erde“? Und das Wunderbare dabei ist, daß dieses kurze Wort nicht bloß Heil, sondern auch Gerechtigkeit gebracht hat.

V. 29: „Und wie Isaias geweissagt hat: Wenn der Herr der Heerscharen uns nicht einen Samen übrig gelassen hätte, so wäre es uns wie Sodoma ergangen, und Gomorrha wären wir gleich geworden.“

— Hier führt der Apostel wieder einen andern Gedanken ein, nämlich, daß auch jene wenigen nicht auf Grund ihrer eigenen guten Werke das Heil erlangten. Wenn es auf diese angekommen wäre, so wären auch jene wenigen zugrunde gegangen, und sie hätten dasselbe Schicksal erfahren wie Sodoma, nämlich den Untergang. Die Bewohner Sodomas sind ja alle mit der Wurzel ausgerottet worden, und es ist nicht eine Spur von einem Samen von ihnen übriggeblieben. So wäre es auch diesen wenigen (geretteten Israeliten) ergangen, wenn nicht Gott ihnen gegenüber große Güte hätte walten lassen und sie durch den Glauben zum Heil geführt hätte. Dasselbe geschah ja auch bei der leiblichen Ge- S. d50 fangenschaft (in welche die Juden geführt wurden). Die große Mehrzahl der Abgeführten ging zugrunde, nur wenige wurden gerettet.

V. 30: „Was sollen wir also sagen? Daß die Heiden, die nicht (voll Selbstvertrauen) der Gerechtigkeit nachstrebten, Gerechtigkeit empfingen, Gerechtigkeit aber aus dem Glauben“;

V. 31: „Israel dagegen, welches durch das (alttestamentliche) Gesetz der Gerechtigkeit gerecht werden wollte, nicht zum (eigentlichen) Gesetz der Gerechtigkeit gelangte.“

— Damit ist die schließliche Lösung klar gegeben. Zuerst hat der Apostel den Beweis aus den Tatsachen geführt: „Nicht alle, die von Israel abstammen, sind das (wahre) Israel“; dann hat er als Beispiel die Stammväter Jakob und Esau herangezogen; zuletzt hat er seinen Beweis auf die Propheten Oseas und Isaias gestützt und bringt nun eine entscheidende Lösung, nachdem er vorher die Schwierigkeit in ihrer ganzen Größe hatte erscheinen lassen. Zwei Punkte bilden die Schwierigkeit auf Seiten der Heiden: einmal, daß sie die Gerechtigkeit überhaupt erlangten, und dann, daß sie sie erlangten, ohne darnach gestrebt zu haben, d. i. ohne ihr eigenes Verlangen. Auf seiten der Juden liegen ebenfalls zwei Schwierigkeiten: einmal, daß Israel die Gerechtigkeit nicht erlangte, und dann, daß die Juden sie nicht erlangten, obwohl sie sich darum bemüht hatten. Um diesen Unterschied recht hervortreten zu lassen, bedient sich der Apostel eines scharf bezeichnenden Ausdruckes. Er sagt nämlich nicht: sie hatten die Gerechtigkeit, sondern: „sie empfingen sie“. Das Überraschende und scheinbar Widersprechende dabei ist das, daß der eine sich um die Gerechtigkeit bemühte und sie nicht empfing, der andere sich nicht um sie bemühte und sie doch empfing. Durch den Ausdruck „sie bemühten sich um die Gerechtigkeit“ scheint er zunächst den Juden zu Gefallen zu sprechen; aber später versetzt er ihnen zu gelegener Zeit einen Schlag. Weil er in der Lage ist, eine überzeugende Lösung zu bringen, darum S. d51 macht er sich die Schwierigkeit recht groß. Er spricht darum nicht zuerst von dem Glauben und dann von der Gerechtigkeit (die aus dem Glauben kommt), sondern er weist den Juden nach, daß sie, bevor es noch einen (christlichen) Glauben gab, mit ihren eigenen guten Werken durchgefallen seien und sich das Verdammungsurteil zugezogen haben. Du, Jude, will er sagen, bist auch durch das (alttestamentliche) Gesetz zu keiner Gerechtigkeit gekommen; denn du hast es ja übertreten und warst darum dem Fluche verfallen. Die Heiden dagegen, die nicht auf dem Wege des Gesetzes zu Gott kommen konnten, sondern auf einem andern Wege, sind zu einer größeren Gerechtigkeit gekommen, nämlich zu der durch den Glauben. So hatte er ja schon oben gesagt: „Wenn Abraham durch seine Werke Gerechtigkeit erlangte, so hat er sich ja dessen zu rühmen, aber nicht vor Gott.“ Damit hat er angedeutet, daß diese Gerechtigkeit (aus dem christlichen Glauben) größer ist als jene (aus den Werken des alttestamentlichen Gesetzes).

Oben hatte ich gesagt, daß zwei schwierige Punkte vorlägen, nun sind daraus gar drei geworden: Erstens, daß die Heiden zur Gerechtigkeit kamen; zweitens, daß sie dazu kamen, ohne sich darum bemüht zu haben; und drittens, daß sie zu einer größeren Gerechtigkeit kamen, als die aus dem Gesetze war. Dieselben Schwierigkeiten ergeben sich wieder auf der entgegengesetzten Seite bei den Juden: Erstens, daß Israel nicht zur Gerechtigkeit kam; zweitens, daß es nicht dazu kam, obwohl es sich darum bemühte; und drittens, daß es auch zu einer minderen Gerechtigkeit nicht kam. — Nachdem der Apostel die Zuhörer in eine förmliche Wolke von scheinbaren Widersprüchen gehüllt hat, bringt er im folgenden Verse mit kurzen Worten die Lösung derselben und gibt zugleich die Begründung alles bisher Gesagten. Worin liegt diese Begründung?

V. 32: „Weil ihm (Israel) nicht aus dem Glauben, sondern vermeintlich aus den Werken des Gesetzes die Gerechtigkeit kommen sollte.“

— Darin liegt offenkundig die Lösung der ganzen Frage. Wenn er sie indes gleich eingangs gegeben hätte, so S. d52 wäre sie nicht so gut aufgenommen worden. Weil er sie aber erst ausspricht, nachdem er eine ganze Reihe von Einwänden und Erklärungen und Beweisen vorgebracht und zahlreiche Mißverständnisse richtig gestellt, hat er sie eben dadurch verständlicher und leichter annehmbar gemacht. Das, sagt er, war schuld an dem Verderben der Juden, daß ihnen die Gerechtigkeit nicht aus dem Glauben, sondern vermeintlich aus den Werken kommen sollte. Er sagt nicht: aus den Werken, sondern: „vermeintlich aus den Werken des Gesetzes“; damit deutet er an, daß sie in Wirklichkeit auch diese Gerechtigkeit nicht erlangten.

„Denn sie stießen an den Stein des Anstoßes.“

V. 33: „Wie geschrieben steht: Siehe, ich lege in Sion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Ärgernisses, und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“1

.— Siehst du wieder, wie aus dem Glauben das Vertrauen kommt, und zwar als Gabe für alle? Denn nicht allein von den Juden ist die Rede, sondern vom ganzen menschlichen Geschlecht. Ein jeder, heißt es, ob ein Jude oder ein Grieche oder ein Skythe oder ein Thraker oder welchem Volke immer angehörig, ein jeder, der glaubt, darf viel Vertrauen haben. Verwunderlich ist, daß der Prophet nicht bloß von solchen spricht, die glauben, sondern auch von solchen, die nicht glauben. „Anstoßen“ heißt nämlich „nicht glauben“. Wie er oben solche meint, die verloren gehen, und solche, die selig werden, wenn er spricht: „Wenn auch die Zahl der Söhne Israels wäre wie der Sand am Meere, so wird doch nur ein übrigbleibender Teil das Heil erlangen“, und: „Wenn der Herr der Heerscharen uns nicht einen Samen übrig gelassen hätte, so wäre es uns wie Sodoma ergangen“, und: „Er hat berufen nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden“, so sagt er auch hier, daß die einen glauben, die andern anstoßen werden. Das Anstoßen aber kommt davon her, daß man nicht acht gibt, weil man den Blick auf etwas anderes S. d53 gerichtet hält. Weil nun die Juden auf das Gesetz acht hatten, stießen sie an den Stein. „Ein Stein des Anstoßes und Fels des Ärgernisses“ heißt es mit Beziehung auf die Gesinnung und das Ende derer, die nicht glauben.

Ist euch nun das, was ich gesagt habe, klar oder bedarf es noch einer weiteren Auseinandersetzung? Ich denke, die, welche aufmerksam zugehorcht haben, werden es erfaßt haben. Sollten es einige doch nicht verstanden haben, so mögen sie an mich jeder für sich mit Fragen herantreten und sich unterrichten lassen. Ich habe mich in dieser Rede absichtlich etwas länger mit der Schrifterklärung befaßt, um nicht genötigt zu sein, durch eine Unterbrechung des Zusammenhanges der Deutlichkeit Abbruch zu tun. Ich will nun hiermit meine Rede beschließen, ohne diesmal eine Sittenpredigt an euch zu halten, wie ich es sonst zu tun pflege, damit ich nicht etwa durch die Menge der Ausführungen den Eindruck auf euer Gedächtnis abschwäche. Es ist übrigens schon Zeit, den Vortrag zu schließen, wie es sich gehört, mit einem Lobspruch auf Gott, den Herrn des Weltalls. So wollen denn wir beide, Redner und Zuhörer, diese Erbauungsstunden beschließen, indem wir zu Gott den Lobspruch emporsenden: Sein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.


  1. Is. 8, 14 und 28, 16. ↩

pattern
  Print   Report an error
  • Show the text
  • Bibliographic Reference
  • Scans for this version
Download
  • docxDOCX (477.49 kB)
  • epubEPUB (446.80 kB)
  • pdfPDF (1.69 MB)
  • rtfRTF (1.43 MB)
Translations of this Work
Commentaire sur l'épître aux Romains Compare
Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
Commentaries for this Work
Einleitung

Contents

Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Imprint
Privacy policy