III.
6. Nicht schön ist euer Rühmen.
Dadurch zeigt er, daß sie bis auf jenen Tag den Frevler noch nicht zur Buße bekehrt, weil sie sich desselben rühmten. Dann spricht er aus, daß er nicht nur aus Schonung ge- S. 246 gen denselben, sondern auch gegen sie also verfahre, und setzt deßhalb hinzu: „Wisset ihr nicht, daß ein bischen Sauerteig den ganzen Teig versauert?“1 Obgleich Jener die Sünde begangen, so kann sie, wenn nicht beachtet, den ganzen Körper der Kirche verderben. Denn sobald der erste Sünder nicht bestraft wird, werden sich schnell Andere finden, welche Dasselbe verüben. Dieß aber sagt er, um zu beweisen, daß es sich hier für sie um Kampf und Gefahr für die ganze Gemeinde und nicht für einen Einzelnen handle; darum bedürfte er auch des Bildes vom Sauerteige. Denn wie dieser, sagt er, auch in geringer Masse den ganzen Teig versäuert, so wird auch dieser Mensch, wenn er ungestraft bleibt und sein Frevel nicht gezüchtigt wird, die Übrigen verderben.
7. Feget aus den alten Sauerteig,
d. h. jenen lasterhaften Menschen; ja er versteht nicht nur diesen darunter, sondern deutet auch auf Andere. Denn nicht allein die Unzucht ist alter Sauerteig, sondern jede Schlechtigkeit. Auch sagt er nicht: „Feget,“ sondern: „Feget aus,“ feget sorgfältig aus, auf daß keine Spur, kein Schatten davon mehr übrig bleibe! Mit den Worten: „Feget aus!“ deutet er an, daß bei ihnen noch Schlechtigkeit herrsche; hingegen durch die Worte: „damit ihr neuer Teig seiet, wie ihr denn ohne Sauerteig seid,“ — zeigt er an und erklärt, daß das Übel noch nicht S. 247 gar Viele ergriffen habe. Wenn er aber spricht: „wie ihr denn ohne Sauerteig seid,“ so will er damit nicht sagen, sie seien alle rein, sondern daß sie es sein sollten. Denn unser Osterlamm, Christus, ist für uns geopfert worden.
8. Lasset uns also das Fest feiern, nicht in altem Sauerteige, nicht im Sauerteige der Bosheit und Arglist,2 sondern im Süßteige der Lauterkeit und Wahrheit.
So nannte auch Christus seine Lehre einen Sauerteig. Der Apostel aber fährt in der bildlichen Redensart fort und erinnert sie an die Begebenheiten der Vorzeit, — an das Pascha und die ungesäuerten Brode, an die Wohlthaten, Strafen und Züchtigungen der jetzigen und vergangenen Zeit. Die gegenwärtige Zeit ist eine festliche Zeit; denn er sagt: „Lasset uns das Fest feiern!“ nicht weil es Ostern oder Pfingsten war, sondern er wollte zeigen, daß für die Christen jede Zeit eine festliche sei wegen der Fülle der empfangenen Gnaden. Denn welches Gute ist dir nicht geworden? Der Sohn Gottes ist deinetwegen Mensch geworden, hat dich vom Tode errettet und zum Himmel berufen. Da du nun so große Dinge erlangt hast und auch jetzt noch erlangst, wie solltest du nicht das ganze Leben festlich begehen? Niemand sei also niedergeschlagen wegen Armuth, Krankheit und Verfolgung; denn unser ganzes Leben ist ein Fest. Darum spricht Paulus: „Freuet euch im Herrn, freuet euch; ich sage es noch einmal, freuet euch!“3 An den Festtagen trägt Niemand schmutzige Kleider, also S. 248 auch wir nicht. Denn es ist Hochzeit, eine geistige Hochzeit; „denn das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohne Hochzeit hielt.“4 Wo kann es aber ein größeres Fest geben, als wenn der König Hochzeit hält und seinem Sohne Hochzeit hält? Niemand gehe also hinein mit Lumpen bedeckt. Das sage ich euch nicht in Bezug auf die Kleider, sondern auf die unreinen Werke. Denn da der Einzige, welcher in schmutziger Kleidung befunden wurde, während alle Anderen festlich geschmückt waren, schimpflich hinausgestoßen wurde, so bedenke, welche Sorgfalt und Seelenreinheit erforderlich ist, um zu dieser Hochzeit Eintritt zu erlangen. Jedoch nicht allein darum erinnert er sie an das ungesäuerte Brod, sondern auch um die Verwandtschaft des Alten und Neuen (Testamentes) darzulegen und zu zeigen, daß man mit dem Süßteige nicht mehr nach Ägypten zurückkehren dürfe, sondern daß Demjenigen, der Dieses wollte, Dasselbe begegnen würde, was Jenen begegnet ist: denn jenes war nur ein Schattenbild von dem unsrigen, wie unverschämt der Jude Dieß auch zu läugnen versucht. Darum wird er dir, wenn du ihn fragst, nichts Großes antworten, oder doch etwas Großes, aber Nichts der Art wie wir, weil er die Wahrheit nicht kennt. Denn er wird sagen: Als die Ägyptier uns zurückhalten wollten, änderte Gott dergestalt ihren Sinn, daß sie, die uns vorher mit Gewalt zurückhalten wollten, jetzt uns fortjagten und nicht einmal Zeit ließen, den Teig zu säuern. Wenn aber mich Jemand fragt, so wird er Nichts von Ägypten und Pharao, sondern von der Rettung aus den Fallstricken der Dämonen und aus der teuflischen Finsterniß hören; Nichts von Moyses, sondern von dem Sohne Gottes; Nichts vom rothen Meere, sondern von der Taufe reich an tausendfältigen Gnaden, worin der alte Mensch erstickt wurde. Und wiederum, fragst du den Juden, warum er den Sauerteig aus dem ganzen Gebiete ausfege, so wird er schweigen S. 249 und keine Ursache wissen; denn das Eine war Vorbild des Zukünftigen und hatte seinen Grund in den Ereignissen; das Andere aber nicht so, damit die Juden verhindert würden, schlecht zu handeln und bei dem Schattenbilde stehen zu bleiben. Denn sage mir: was soll denn Das heissen: „Ein männliches (Böcklein), ohne Fehl und einjährig?“ und: „Es soll ihm kein Bein gebrochen werden“?5 Was heißt denn Das, daß sie ihre Nachbarn einladen, daß sie stehend und am Abende es verzehren und mit dem Blute die Häuser bestreichen sollen? Der Jude wird Nichts zu antworten wissen als nur überall und immer Ägypten; ich aber werde sagen, was jenes Blut bedeute und der Abend und der Umstand, daß sie alle gemeinschaftlich und stehend es verzehren sollten.
Ζύμη — ζυμοῖ, Sauerteig versauert oder durch- säuert. „Sauerteig ist das Bild einer still um sich greifenden Kraft und wird in der hl. Schrift sowohl im guten als im bösen Sinne gebraucht, z. B. das Himmelreich ist gleich dem Sauerteige; Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer. Hier ist’s im bösen Sinne gebraucht und bedeutet den Unzüchtigen und seine Sünde. Al. Meßmer, Erklär, d. I. Kor.-Br. S. 109. Wir überfetzen darum ver säuert. ↩
Κακίας καὶ πονηρίας — πονηρία ist eher noch schlechter als κακία; es ist die entschiedenste, bewußteste Bosheit, weßhalb Satan κατ’ἐξοχὴν ὁ πονηρός heißt. Al. Meßmer. Erklär, d. I. Kor.-Br. S. 111. Ebenso Reischl, 5. B. S. 700. ↩
Philipp. 4, 4. ↩
Matth. 22, 2. ↩
Exod. 12, 5. 46. ↩
