7.
Wenn ihr von hier weggehet, sobald ich zu sprechen aufgehört habe, so wird zwar wohl Etwas von der Wärme und Erregung, die euch erfaßt hat, zurückbleiben, aber es wird später doch nicht eine so große vorhanden sein, als jetzt während des Vortrages. Mag unser Herz auch kalt und starr sein, — denn so ist es, wenn wir nicht verzeihen wollen, lassen wir es aufthauen! Rufen wir an die Sonne der Gerechtigkeit, flehen wir sie an, uns einige Strahlen zu senden, und sie wird bald das starre Eis in genießbares Wasser umwandeln. Wenn das Feuer der Sonne der Gerechtigkeit in unsere Seele dringt, dann läßt sie darin nichts Starres, nichts Hartes, nichts Schädliches, nichts Unfruchtbares; sie macht Alles mild und süß und angenehm. Wenn wir einander lieben, wird auch uns ein solcher Strahl treffen. O lasset mich diese Worte mit freudiger Zuversicht zu euch sprechen, lasset mich hören, daß ich mit meinen Worten Etwas erreicht habe, daß einer von uns gleich beim Weggehen seinen Feind unter Thrä- S. 614 nen umarmt und umschlingt und küßt! Und sein Widersacher, sollte er auch grimmig sein wie ein wildes Thier und fühllos wie ein Stein, eine solche Liebe wird ihn erweichen. Warum ist er denn dein Feind? Hat er dich beleidigt? Nun, er hat dir wenigstens keinen Schaden zugefügt. Oder ist es das Geld, wegen dessen du deinen feindseligen Bruder hassest? Nicht doch, alle diese Dinge lasset uns beseitigen! Jetzt ist die Zeit noch unser, lasset sie uns zu unserm Heile benutzen. Lasset uns die Ketten der Sünde zerreißen und uns miteinander vergleichen, ehe wir vor Gottes Richterstuhl hintreten müssen; denn es steht geschrieben: „Die Sonne soll nicht untergehen über eurem Zorne!“1 Keiner schiebe es auf! Aufschub erzeugt neue Bedenken. Thust du es heute nicht, so kostet es dich morgen mehr Überwindung, und diese deine falsche Scham wächst mit jedem Tage. Thun wir uns also nicht selbst Schimpf an, sondern vergeben wir, auf daß auch uns vergeben werde! Haben wir aber Vergebung erlangt, dann werden wir aller himmlischen Güter theilhaftig werden in Christo Jesu, unserm Herrn, welchem zugleich mit dem Vater und dem heiligen Geiste Ehre, Macht, Ruhm und Preis sei jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit! Amen.
-
Eph. 4, 26. ↩