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Works John Chrysostom (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Dreizehnte Homilie.

IV.

Frägst du jetzt noch, wie man behaupten kann, daß ein solcher Körper in allseitiger Auflösung begriffen ist? Aber er ißt und trinkt ja! Aber Das ist kein Beweis für ein menschliches Dasein, da auch das unvernünftige Vieh ißt und trinkt. Wenn also die Seele als Leichnam daliegt, wozu noch essen und trinken? Denn gleichwie es, wenn der Körper todt daliegt, Nichts hilft, eine bunte Hülle darüberzuwerfen, so nützt auch ein blühender Körper nicht, der die Hülle für eine todte Seele bildet. Und ist sie nicht todt, wenn man nur von Köchen, Tischdeckern und Brodbäckern zu reden weiß und über Gottseligkeit keine Silbe verliert? Was ist denn der Mensch? wollen wir sehen! Die Heiden sagen: ein mit Vernunft begabtes Thier, sterblich, fähig zu denken und geistig aufzufassen. Wir aber wollen uns nicht von den Heiden eine Definition geben lassen, sondern von wem? Von der heiligen Schrift. Wo hat also die heilige Schrift eine Definition von dem Menschen gegeben? Höre, was sie sagt: „Es war ein Mann, gerecht, wahrhaft, gottesfürchtig, von allem Bösen sich enthaltend.“1 Das ist der Mensch. Und anderswo heißt es: „Etwas Großes ist der Mensch und etwas Kostbares ein barmherziger Mann.“2 Diejenigen aber, welche solche Prädikate nicht verdienen, und wenn sie auch Verstand besitzen, und wenn sie tausendmal geistige Befähigung haben, für diese hat die heilige Schrift nicht das Wort „Mensch“, sondern „Hund, Pferd, Natter, Schlange, Fuchs, Wolf“ und sonstige noch schlimmere Thiernamen. Wenn also der Begriff „Mensch“ darin liegt, dann ist der Schlemmer kein Mensch. Wie wäre es denn möglich, da er an jene Dinge gar nicht denkt? Es ist nicht möglich, daß Schlemmerei S. 170 und Nüchternheit zusammengehen. Davon hebt eines das andere auf. Sogar die Heiden haben das Sprüchwort: „Aus fettem Bauche stammt kein feiner Geist.“3

Die heilige Schrift weiß auch entseelte Menschen zu zeichnen: „Mein Geist wird nicht in diesen Menschen bleiben, deßhalb, weil sie Fleisch sind.“4 Sie hatten ja eine Seele; aber weil sie dieselbe als einen Leichnam mit sich herumtrugen, werden sie „Fleisch“ genannt. Gleichwie wir bei tugendhaften Menschen, obschon sie einen Körper haben, doch sagen: „Er ist ganz Seele, ganz Geist,“ so gilt von Denen, die nicht so sind, das Gegentheil. So sagt auch Paulus: „Ihr seid nicht im Fleische,“ da sie keine Werke des Fleisches übten. Und so sind auch die Schlemmer „nicht in der Seele, nicht im Geiste“. „Die üppige Wittwe ist lebendig todt,“ heißt es.

Höret es, ihr, die ihr den ganzen Tag bei Gastmälern und Zechgelagen hinbringt, die ihr die Armen nicht beachtet, welche vor Hunger verschmachten und hinsterben, während ihr vor Völlerei hinsterbet. Ihr begeht einen zweifachen Mord, an Denen, die ihr verhungern lasset, und an euch selber, beides in Folge von Unmäßigkeit. Würdet ihr aber eueren Überfluß mit der Armuth der Andern vermischen, dann würdet ihr doppeltes Leben schaffen. Warum ist dein Bauch durch Völlerei gespannt wie eine Trommel? Warum fällt der des Armen zusammen vor Hunger? Den einen lässest du übermäßig fett, den andern übermäßig mager werden.

Betrachte die Residuen der Speisen, in was die letzteren sich verwandeln, was aus ihnen wird! Wird dir nicht S. 171 übel beim bloßen Hören davon? Nun, warum bestrebst du dich, daß sie noch mehr solche Abfälle erzeugen? Das Mehr in der Völlerei ist Nichts als eine größere Anhäufung von Koth. Die Natur zieht ihre bestimmten Grenzen, und was darüber hinausgeht, ist nicht mehr Nahrung, sondern Schmutz, ein größer gewordener Kothhaufen. Nähre deinen Leib, aber tödte ihn nicht! Darum das Wort „Nahrung“, nicht damit wir den Körper zu Grunde richten, sondern damit wir ihn nähren. Ich glaube, daß die Nahrung deßhalb Kothabsonderungen verursacht, damit wir uns nicht der Völlerei ergeben. Wäre Jenes nicht der Fall, würde nicht Etwas unverbraucht abgehen und dem Körper unzuträglich sein, dann würden wir einander fortwährend aufzehren. Würde nämlich der Magen Alles, was wir verlangen, aufnehmen und verarbeiten und dem Körper übermitteln, dann gäbe es Krieg und Kampf ohne Ende. Denn wenn wir jetzt, wo ein Theil der Speisen als Koth abgeht, der andere aber in Blut und in unnütze schlechte Säfte sich verwandelt, dennoch der Schlemmerei huldigen und oft ein ganzes Vermögen bei einer einzigen Mahlzeit verschlingen: was würden wir dann nicht Alles treiben, wenn der letzte Akt der Völlerei nicht in solcher Weise verliefe? Wir füllen uns bloß mit mehr Gestank an, je mehr wir schlemmen, und der Körper rinnt auf allen Seiten wie ein alter Schlauch. Da übergibt sich Einer so, daß selbst andere Leute Kopfweh bekommen. Stinkende Dünste dringen allenthalben aus dem Körper wie aus einem Ofen, der warme Fäulnißdämpfe entsendet. Wenn aber schon andere Leute so belästigt werden, was muß das Gehirn des Unmäßigen selber leiden, an das diese Dämpfe fortwährend hinbranden! was die Adern, in denen das siedende Blut wallt! was Leber und Milz, diese Blutbehälter! was der Kanal des Kothes selber! Und was ein erschwerender Umstand ist: für die Unrathskanäle im Hause tragen wir fleissig Sorge, daß sie sich nicht verstopfen und nicht etwa den Koth nach aufwärts S. 172 treiben; wir stoßen mit Stangen hinein und räumen mit Hacken durch; aber den Kanal in unserem Körper reinigen wir nicht, sondern füllen und verstopfen ihn. Und um das Empordringen des Kothes nach oben, wo der König selber sitzt, das Gehirn nämlich, darum kümmern wir uns nicht im geringsten. Wir handeln durchweg so, als ob wir es nicht mit einem glänzenden König, sondern mit einem schmutzigen Hunde zu thun hätten. Deßhalb hat Gott jene Körpertheile so weit weggerückt, damit wir von ihnen nicht beschmutzt werden. Aber wir lassen es nicht dabei und zerstören die ganze Ordnung durch unsere Unmäßigkeit. Wie könnte man das andere Unheil alles aufzählen? Verstopfe die Abzugskanäle einer Stadt und du wirst sofort eine Pestkrankheit ausbrechen sehen! Wenn nun ein von aussen kommender übler Geruch schon eine Epidemie erzeugt, werden dann die in unserem Innern qualmenden Miasmen, eingepfercht durch die dichte Wand des Körpers und ohne eine Abzugsöffnung, nicht tausend Krankheiten im Körper und in der Seele erzeugen? Und was schlimm genug ist, Viele beschweren sich gegen Gott und sagen: „Was ist doch Das? Gott hat es so eingerichtet, daß wir den Koth in uns herumtragen.“ Sie selber jedoch häufen diesen Koth noch mehr an. Deßhalb hat Gott es also eingerichtet, damit er vielleicht auf diese Weise uns die Schwelgerei verleide, damit er uns vielleicht auf diese Weise dazubringe, daß wir uns nicht an’s Irdische hängen. Aber du bringst es trotzdem nicht über dich, von der Schlemmerei zu lassen, sondern obschon das Vergnügen nicht länger dauert, als der Schlund lang ist und die Tischzeit währt, oder vielmehr nicht einmal so lange, so beharrst du doch bei der Schwelgerei. Oder ist das Vergnügen nicht vorüber, sowie die Speise den Gaumen und die Kehle passirt hat? Eine angenehme Empfindung ist nur vorhanden im Momente des Essens, nach demselben aber nicht mehr; im Gegentheil, es entsteht S. 173 ein sehr unangenehmes Gefühl, indem der Magen entweder gar nicht arbeitet oder es mit großer Beschwernis thut.

Mit Recht also sagte der Apostel: „Die üppige Wittwe ist lebendig todt.“ Denn eine schlemmende Seele hat das Vermögen, zu hören und zu sprechen verloren. Sie wird weichlich, niedrig gesinnt, schwächlich, unfrei, feige, voll von Frechheit, Schmeichelei und Unwissenheit, mit aufbrausendem und trägem Wesen und allen Lastern angefüllt, baar der entgegengesetzten Tugenden. Daher sagt der Apostel: „Auch Das schärfe ein, daß sie tadellos seien!“ Man sieht, es ist der Ton des Gesetzgebers; er stellt Das nicht dem Belieben anheim. Schärfe ihnen ein, will er sagen, daß sie nicht üppig leben, da Dieß anerkannter Maßen ein Laster ist, und da der üppig Lebende nicht zu den Mysterien zugelassen werden darf. „Und auch Das schärfe ein, daß sie tadellos seien!“ Man sieht, daß die Sache, um die es sich da handelt, zu den Sünden gehört. Denn Dasjenige, was dem Belieben anheimgestellt ist, verhindert im Unterlassungsfalle nicht die „Tadellosigkeit“. Deßhalb wollen auch wir dem heiligen Paulus folgend den Befehl ertheilen, daß die üppig lebenden Wittwen aus der Liste der Wittwen gestrichen werden sollen.5 Denn wenn ein Soldat, der in Bädern und Theatern herumstreunt und sich mit Handelschaft abgibt, als Deserteur behandelt wird, so gilt Das um viel mehr noch bei den Wittwen.

Suchen wir nicht hinieden die Bequemlichkeit, damit wir sie dort oben finden! Wollen wir nicht hinieden im Überfluß leben, damit wir dort oben den wahren S. 174 Überfluß, ein wahres Leben in Freuden haben, das kein Übel erzeugt, das tausend Güter in sich schließt, und dessen wir alle theilhaftig werden mögen in Jesus Christus, mit welchem dem Vater mit dem heiligen Geiste sei Lob, Herrlichkeit und Ehre jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.

S. 175


  1. Job 1, 2. ↩

  2. Sprüchw. 20, 6. ↩

  3. Παχεῖα γαστὴρ λεπτὸν οὐ τίκτει νόον. ↩

  4. Röm. 8, 9. ↩

  5. Ἐκτὸς εἶναι τοῦ καταλόγου τῶν χηρῶν. ↩

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Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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