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Works John Chrysostom (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Vierzehnte Homilie.

II.

Ah! Welch strenge Forderungen stellt der Apostel an die Wittwe, beinahe so streng wie an den Inhaber der bischöflichen Würde. Der Ausdruck: „Wenn sie sich jeglichen guten Werkes beflissen hat“ will sagen, daß, wenn sie es auch selbst nicht vollbringen konnte, sie daran wenigstens Theil nahm und mithalf. Indem er ihr das üppige Leben untersagt, will er, daß sie vorsorglich und häuslich sei, daß sie allezeit mit Eifer dem Gebete obliege. Eine solche Frau war die heilige Anna. Man beachte, daß der Apostel an die Wittwen so strenge Forderungen stellt wie nicht einmal an die Jungfrauen. Auch an die letzteren stellt er strenge Forderungen, auch von ihnen verlangt er ein hohes Maß von Tugend. Denn indem er zu ihnen sagt, sie sollen „in Züchtigkeit und ohne Sorgen ungetheilt dem Herrn dienen,“1 umfaßt er damit das ganze Gebiet der Tugend.

Siehst du also, daß die Enthaltung von einer zweiten Ehe noch nicht die Wittwe ausmacht, sondern daß noch gar manches Andere dazu gehört? Warum gestattet ihnen denn der Apostel nicht, zu einer zweiten Ehe zu schreiten? Liegt darin eine Mißachtung der Ehe? Keineswegs. So denken die Ketzer. Der Apostel will nur, daß sie fortan nur geist- S. 180 lichen Dingen ihre Zeit widme und zum Stande der Vollkommenheit sich wende. Die Ehe ist kein unkeuscher, sondern ein sorgenvoller Stand, wie es denn auch heißt, die Verheiratheten sollen sich „der Sorgen entschlagen,“2 und nicht, sie „sollen keusch werden“. Die Ehe ist in der That eine Quelle vieler Sorgen. Wenn du nun deßhalb nicht heirathest, damit du Zeit hast für die Frömmigkeit, dann aber doch deine Zeit nicht dazu verwendest, so nützt dich Das gar Nichts. Und wenn du ehelos bleibst, um den Fremden und den Heiligen jeglichen Dienst zu erweisen, und wenn du dann Solches nicht thust, so hast du dich der Ehe aus Mißachtung derselben enthalten. So hat auch eine Jungfrau, die nicht ganz und gar Christo gekreuzigt ist, der Ehe aus Mißachtung entsagt, als ob dieselbe etwas Unheiliges und Unreines wäre.

Man sieht, wie der Apostel von „gastlicher Aufnahme“ (ξενοδοχία) spricht, nicht von Bedienung des Gastes schlechtweg, sondern von einer dienstfertigen, liebevollen, freundlichen, zuvorkommenden Aufnahme, von einer solchen, welche die Wittwe Christo selber angedeihen ließe. Der Apostel verlangt, daß sie diese Bedienung nicht den Mägden überlassen, sondern daß sie dieselbe persönlich verrichten. Denn „wenn ich,“ sagt Christus, „euer Meister, euch die Füße gewaschen habe, so seid ihr noch mehr schuldig, Dieß einander zu thun.“3 Und wenn eine Wittwe noch so reich ist, wenn sie in den glänzendsten Verhältnissen lebt, und wenn sie auf ihre adelige Abkunft noch so sehr pochen mag, so groß ist der Unterschied doch nicht wie zwischen dem göttlichen Meister und seinen Jüngern. Wenn du den Fremden an Christi statt aufnimmst, dann brauchst du dich nicht im Geringsten zu schämen, im Gegentheil, dann kannst du auf die Sache stolz sein. Wenn du ihn aber nicht an Christi statt aufnimmst, dann thue es lieber S. 181 gleich gar nicht! „Wer euch aufnimmt,“ heißt es, „der nimmt mich auf.“4 Nimmst du ihn nicht also auf, dann hast du auch keinen Lohn davon. Abraham nahm, wie er glaubte, vorüberreisende Menschen auf, und er überließ nicht seinen Dienern die ganze Bewirthung, sondern besorgte die Bedienung zum größten Theil in eigener Person und ließ seine Frau den feinen Teig kneten, obschon er dreihundertundachtzehn im Hause geborene Sklaven hatte, worunter jedenfalls auch Mägde waren. Aber er wollte nebst seiner Frau selber den Lohn haben, nicht bloß für das Mahl, sondern auch für die Bedienung So muß man die Gastfreundschaft ausüben, indem man Alles persönlich thut, damit wir geheiligt, damit unsere Hände gesegnet werden. Und wenn du den Armen gibst, halte es nicht unter deiner Würde, es persönlich zu thun! Du gibst ja nicht dem Armen, sondern Christo. Wer wäre ein so kläglicher Mensch, daß er es unter seiner Würde hielte, Christo die Hand zu reichen? Das ist die wahre Gastfreundschaft, das heißt wahrhaft um Gottes willen handeln. Wenn du aber stolz deine Befehle ertheilst, und wenn dann der Fremde mit noch so großer Noblesse behandelt wird, so ist Das keine Gastfreundschaft, kein Handeln um Gottes willen. Der Gast braucht gar viel Bedienung, gar viel Zuspruch. Und auch dann wird er kaum umhin können, zu erröthen, weil die Sache ihrer Natur nach dazu angethan ist, daß der Bewirthete sich genirt. Durch besonders liebenswürdige Bedienung muß man dieser Empfindung vorbeugen und mit Wort und That zeigen, daß der Wirth nicht eine Gefälligkeit erweist, sondern selber eine solche erhält, daß er mehr eine Wohlthat empfängt als spendet. So wird die Sache durch liebevolles Benehmen erst vollwerthig. Denn gleichwie Derjenige, der (durch Gastfreundschaft) einen Verlust zu erleiden vermeint, alles Verdienst verliert, und gleichen, wer etwas Besonderes damit zu thun glaubt, so S. 182 gewinnt Derjenige, der für sich einen Nutzen darin erblickt desto mehr. Denn „einen fröhlichen Geber liebt Gott“.5 Du bist also eher dem Armen Dank schuldig dafür, daß er dein Almosen annimmt. Gäbe es keine Armen, so könntest du deine Sündenlast nicht erleichtern. Sie sind die Ärzte deiner Wunden. Sie strecken dir mit ihren Händen eine Arznei entgegen. Kein Arzt, der die Hände ausstreckt und ein Pflaster auflegt, verschafft in solcher Weise Heilung wie der die Hand ausstreckende Arme, der von dir ein Almosen erhält, ein Wundermittel darbietet für deine Leiden. Du hast Geld weggegeben, es sind damit auch die Sünden verschwunden. Solche Ärzte sind auch die Priester. „Sie verzehren,“ heißt es, „die Sünden meines Volkes.“6

Somit erhältst du mehr, als du gibst, bist mehr der Empfänger als Spender von Wohlthaten. Gott gibst du, nicht den Menschen; du vergrößerst, nicht verkleinerst deinen Geldhaufen. Du machst ihn aber kleiner, wenn du ihn nicht verringerst, wenn du Nichts hergibst.

„Wenn sie Fremde gastlich aufgenommen, wenn sie die Füße der Heiligen gewaschen hat.“ Was für Heilige sind Das? Bedrängte, nicht schlechtweg Heilige. Es ist möglich, daß es Heilige gibt, denen von allen Seiten zugetragen wird. Mit derartigen im Überfluß Lebenden brauchst du dich nicht abzugeben, sondern mit den Bedrängten, mit den verschämten Armen, um welche die Masse Nichts weiß. „Was ihr einem dieser Geringsten gethan habt,“ sagt der Herr, „Das habt ihr mir gethan.“7


  1. I. Kor. 7, 35. ↩

  2. I. Kor. 7, 5. ↩

  3. Joh. 13, 14. ↩

  4. Matth. 10, 40. ↩

  5. II. Kor. 9, 7. ↩

  6. Os. 4, 8. ↩

  7. Matth. 25, 45. ↩

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Commentaire sur la première épitre à Timothée Compare
Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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