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Works John Chrysostom (344-407) Homilien über den Brief an Titus (BKV)
Fünfte Homilie.

III.

Du erinnerst dich, wie er dem Timotheus den Auftrag gibt: „Widerlege, rüge, rede zu.“1 Hier aber: „So lehre, ermahne und weise zurecht mit aller Strenge!“ Weil der Charakter der Kreter weniger weich war, deßhalb verlangt der Apostel ein energisches und strenges Auftreten. Es gibt Sünden, denen man mit bloßer Belehrung entgegen wirken kann; so zum Beispiel muß man zur Verachtung des Geldes durch freundliches Zureden anleiten, ebenso zur Sanftmuth und dergleichen. Den Ehebrecher jedoch, den Hurer, den Geizhals muß man durch Strenge zur Besserung bringen; den Vogeldeuter endlich, den Wahrsager und solche Sünder nicht bloß mit gewöhnlicher, sondern mit ganz ausserordentlicher Strenge. Siehst du, wie der Apostel verlangt, daß Titus mit Autorität und Freimuth auftrete?

S. 474 Kap. III.

1. Niemand soll dich verachten, sondern ermahne sie, den Fürsten und Obrigkeiten unterthänig und gehorsam zu sein und zu jedem guten Werke bereit, 2. Niemandem Übles nachzureden, den Frieden zu lieben.

Wie nun? Also auch wenn Sünder da sind, auch diesen dürfte man nicht „Übles nachreden“? Freilich nicht, sondern zu jedem guten Werke müssen wir bereit sein und Niemandem dürfen wir Böses nachreden. Hören wir wohl auf die Mahnung! Gar Niemanden darf man durch böse Rede kränken. Unser Mund muß rein sein von übler Nachrede. Sei es, daß diese Nachrede auf Wahrheit beruht, so ist es nicht unsere, sondern des göttlichen Richters Sache, eine Prüfung anzustellen. „Du aber, warum richtest du deinen Bruder?“ steht geschrieben.2 Oder sei es, daß sie nicht auf Wahrheit beruht, dann bedenke, welche Strafe erfolgen wird! Höre, was der eine Schächer zu dem anderen sagte: „Wir sind ja demselben Gerichte verfallen,“3 wir gehen denselben Leidensweg. Wenn du Andere schmähst, wirst du alsbald die gleiche Ursache zur Schmähung geben. Deßhalb ermahnt uns der heilige Paulus: „Wer steht, sehe zu, daß er nicht falle!“4

„Nicht streitsüchtig zu sein, liebreich, jegliche Sanftmuth beweisend gegen alle Menschen,“ auch gegen Heiden und Juden, gegen Verbrecher und Sünder. In der citirten Stelle schreckt er mit Dem, was eintreten könnte: „Wer daher steht, sehe zu, daß er S. 475 nicht falle!“ Hier aber schreckt er nicht mit der Zukunft, sondern mit der Vergangenheit, indem er fortfährt:

Denn auch wir waren einst unverständig.

So schreibt er auch im Galaterbrief: „Als wir noch Kinder waren, da waren wir den Elementen dieser Welt dienstbar.“5 Rede also Niemandem Übles nach, will der Apostel sagen; denn du warst früher auch nicht besser.

3. Denn auch wir waren einst unverständig, ungläubig, gingen in der Irre umher, dienten mancherlei Begierden und Lüsten, lebten in Bosheit und Neid, waren hassenswerth und haßten einander.

Also müssen wir mit Leuten, die auch so sind, Nachsicht haben. Wer nämlich früher so gewesen und dann anders geworden ist, hat nicht das Recht, Solche zu schmähen, welche noch so sind, sondern soll sich glücklich preisen und Dem danken, der ihn von den früheren Sünden befreit hat und auch jene Anderen davon befreien wird. Niemand rühme sich, denn alle haben gesündigt! Wenn du dich demnach angesichts der eigenen Pflichterfüllung versucht fühlst, Jemandem Übles nachzureden, dann beschwichtige deine Entrüstung, indem du dein eigenes früheres Leben betrachtest und daran denkst, daß du auch für die Zukunft nicht sicher bist! Denn falls du auch von früher Jugend an tugendhaft gelebt hättest, so wärest du doch mit einer Masse von Sünden beladen. Wenn du aber auch nicht damit beladen zu sein glaubst, so bedenke, daß Dieß nicht eine Wirkung deiner Tugend, sondern der göttlichen Gnade ist! Hätte nämlich Gott nicht an deine Vorfahren den Ruf der S. 476 Gnade ergehen lassen, so wärest du ein Ungläubiger geblieben.

Siehe, wie der Apostel eine ganze Stufenleiter von Schlechtigkeit durchgeht! Hat Gott nicht durch die Propheten und durch alles Mögliche hundert Wege zur Besserung geebnet? Wir haben nicht gehört; denn „wir gingen in der Irre.“ 4. Als aber die Güte und Barmherzigkeit Gottes, unseres Heilandes, erschien,

In welcher Weise?

5. hat er uns erlöst nicht wegen der Werke der Gerechtigkeit, sondern nach seiner Erbarmniß durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes.

Ach, wie tief mußten wir im Sündenpfuhle stecken, da wir uns nicht herausarbeiten konnten, sondern einer neuen Geburt bedurften! Denn das ist die Bedeutung von παλιγγενεσία. Denn gleichwie Niemand an ein morsches Haus eine Stütze setzt oder an ein altes einen Anbau macht, sondern es bis auf den Grund abträgt und so es wieder aufbaut und ganz neu macht, so hat auch Gott mit uns gethan. Er hat uns nicht reparirt, sondern ganz neu gemacht. Das bedeutet „die Erneuerung des heiligen Geistes“. Von Grund auf hat er uns neu gemacht. Wie? Durch den heiligen Geist. Und indem er diesen Gedanken in anderer Weise gibt, fährt er fort:

6. Den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland.

Also haben wir den heiligen Geist in vollem Maße nothwendig gehabt.

S. 477 7. Damit wir gerechtfertigt durch seine Gnade — wiederum durch die Gnade, nicht nach Verdienst — Erben seien nach der Hoffnung des ewigen Lebens.

Das ist zugleich eine Mahnung zur Demuth und ein Hoffnungsblick in die Zukunft. Denn wenn es so schlimm mit uns stand, daß wir wiedergeboren und durch Gnade erlöst werden mußten, und daß gar nichts Gutes an uns war, und wenn Gott uns trotzdem gerettet hat, so wird er Das noch viel eher in der Zukunft thun.


  1. II. Tim. 4, 2. ↩

  2. Röm. 14, 10. ↩

  3. Luk. 23, 40. ↩

  4. I. Kor. 10, 12. ↩

  5. Gal. 4, 3. ↩

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Homilien über den Brief an Titus (BKV)

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