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Works John Chrysostom (344-407) Homilien über den Brief an Titus (BKV)
Sechste Homilie.

III.

Die Wohlthätigkeit ist ja die Mutter der christlichen Liebe, jener Liebe, welche das charakteristische Merkmal des Christenthums bildet, mehr als alle Wunder, an der man die Jünger Christi erkennt. Sie ist ein Heilmittel für unsere Sünden, eine Bürste für den Schmutz unserer Seele,1 eine Leiter, die an den Himmel gelegt ist. Sie ist das Bindemittel für den Leib Christi. Wollt ihr wissen, was für ein großes Gut sie ist? Die ersten Christen haben sämmtlich ihren Besitz verkauft und den Erlös den Aposteln gebracht und er ist auch vertheilt worden. „Sie vertheilten an jeden, heißt es, je nachdem einer bedürftig war.“ Sage mir nun — ohne Rücksicht auf das jenseitige Leben; denn vom Himmelreich wollen wir jetzt noch gar nicht reden, S. 492 sondern auf der Erde bleiben — wer waren die Gewinnenden: die Empfänger oder die Geber? Die ersteren haben jedenfalls gemurrt und mit einander gestritten; diese aber waren ein Herz und eine Seeele. „Sie waren alle,“ heißt es, „ein Herz und eine Seele,“2 und die Gnade wohnte bei ihnen allen, und ihr Leben trug seine Früchte. Siehst du, daß sie auch vom Almosengeben ihren Nutzen hatten? Sage mir nun, auf welcher Seite möchtest du stehen, auf Seite Derer, die ihr Vermögen wegwerfen und Nichts mehr besitzen, oder auf Seite Derer, welche das Vermögen Anderer bekommen? Siehe, welche Früchte das Wohlthun trägt. Trennende Schranken entfernte es und die Seelen sind dadurch alsbald vereinigt worden. „Alle waren ein Herz und eine Seele.“ Es bringt also auch ausser dem Almosengeben die Entäusserung vom Gelde vielen Gewinn.

Das habe ich aber gesagt, damit Diejenigen, die kein Vermögen von ihren Voreltern ererbt haben, nicht traurig sind, sich nicht grämen, als wären sie schlimmer daran denn die Reichen. Sie besitzen nämlich mehr als diese, wenn sie wollen. Denn einerseits thun sie sich leichter beim Almosenspenden gleich der Wittwe im Evangelium, andererseits haben sie nicht so viel Anlaß zur Anfeindung des Nebenmenschen, und endlich erfreuen sie sich größerer Freiheit als alle Andern. Niemand kann einem solchen mit Gütereinziehung drohen, er ist erhaben über Unglücksfälle. Und gleichwie Jemand die Nackten auf der Flucht nicht leicht fassen, dagegen die in viele faltige Gewänder Gehüllten ohne Mühe ergreifen würde, so ist es auch bei dem Reichen und Armen. Der eine wird, wenn er eingeholt wird, leicht entweichen können; der Andere aber verwickelt sich, auch ohne daß man ihn einfängt, in seine eigenen Stricke, in tausend Gedanken, Kümmernisse, in Ausbrüche des Aergers und Zornes. Das alles liegt wie ein Alp S. 493 auf der Seele. Und nicht bloß Das, sondern wir schleppen noch manche andere Dinge nach, die uns der Reichthum anhängt. Maßhalten z. B. fällt dem Reichen schwerer als dem Armen; einfach leben und von Leidenschaft frei bleiben geht bei ersterem nicht so leicht, wie bei letzterem. Wird er also dereinst einen größeren Lohn bekommen? Keineswegs. Warum denn nicht, wenn er sich bei seinen guten Werken mehr anstrengen muß? Weil er sich diese Anstrengungen selber auferlegt. Es ist uns nicht befohlen, reich zu sein, sondern das Gegentheil. Er selber bereitet sich tausenderlei Aergernisse und Hindernisse.

Andere aber werfen nicht bloß das Geld weg, sondern magern meistens auch noch ihren Körper ab, damit sie auf dem engen Wege gehen können. Du aber thust das nicht nur nicht, sondern erweiterst auch noch den Ofen der Leidenschaften und legst noch andere herum: geh’ also nur hin auf den breiten Weg; für solche Leute ist er da! Der enge aber für die schmalen und mageren, die nur das Gepäck haben, das man darauf fortschaffen kann: Almosen, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Sanftmuth. Mit diesem Gepäck schreitest du unbehindert voran. Aber mit Stolz, Aufgeblasenheit, mit Dorngestrüpp und Reichthum beladen brauchst du eine breite Bahn. Du kannst nicht mit Anderen gehen, ohne sie mit deiner Dornenlast zu verwunden; sondern mußt dich von Allen weit entfernt halten. Wer aber Gold und Silber trägt — ich meine die Werke der Tugend — der wird von den Nachbarn nicht nur nicht gemieden, sondern sie nähern sich ihm und gehen mit ihm zusammen. Wenn nun schon der Reichthum eine Dornenlast ist, was soll man erst vom Geize sagen? Warum trägst du einen solchen Pack mit dir ins Jenseits? Damit du die Höllenflammen schürst, legst du dieses Zeug noch darauf? Genügt dir das höllische Feuer nicht? Denke an die drei Jünglinge, wie sie aus dem Feuerofen errettet wurden, und stelle dir diesen als Hölle vor? Unter Mißhandlungen, an Händen und Füßen gefesselt wurden sie hineingeworfen; S. 494 aber drinnen fanden sie einen weiten Raum zum Herumwandeln; nicht so war es bei Denen, die aussen um den Ofen herumstanden.


  1. Σμῆγμα τοῦ ῥύπου τῆς ἡμετέρας ψυχῆς. ↩

  2. Apostelgesch. 4, 24. ↩

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Commentaire sur l'épître de Saint Paul à Tite Compare
Homilien über den Brief an Titus (BKV)

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