IV.
So wird es auch jetzt sein, wenn wir tapfer und mannhaft den andringenden Versuchungen Widerstand leisten. Wenn wir auf Gott unsere Hoffnungen setzen, dann werden wir für unsern Theil in Sicherheit leben und auf behaglichem Raume, während jene, die uns in den Feuerofen hineinwerfen, zu Grunde gehen. „Wer eine Grube gräbt, wird in dieselbe hineinfallen,“1 steht geschrieben. Und wenn sie uns Hände und Füße binden, diese Bande werden lösbar sein. Betrachte das Wunder! Die Menschen hatten die drei Jünglinge gebunden und das Feuer hat diese Fesseln gelöst! Es ist gerade, als würde Jemand ein paar seiner Freunde den Knechten des Hauses ausliefern. Diese aber würden mit Rücksicht auf deren freundschaftliches Verhältniß zu ihrem Herrn sie nicht nur nicht mißhandeln, sondern ihnen auch noch viele Ehren anthun. So hat auch das Feuer, da es gleichsam einsah, daß jene Jünglinge Freunde seines Herrn und Schöpfers seien, ihre Fesseln versengt, sie befreit und erlöst, wurde ihnen zum Estrich und ließ sich mit Füßen treten. Ganz natürlich! Sie waren ja für die Ehre Gottes ins Feuer geworfen worden. Alle, soviel wir in Bedrängnissen sind, laßt uns dieses Beispiel stets vor Augen haben. Aber schau, sagst du, jene Jünglinge wurden aus ihrer Bedrängniß befreit, bei uns aber ist das nicht der Fall. Ganz richtig; sie gingen nämlich nicht in den Feuerofen, mit dem Wunsche, daraus befreit zu werden, sondern mit dem Gedanken, darin zu sterben. Höre, was sie sagten: „Es lebt ein Gott im Himmel, der uns erretten wird! Thuet er es nicht, so wisse, o König, daß wir deine Götter nicht anbeten, und vor dem goldenen Götzen, den du aufgestellt hast, das Knie nicht beugen.“2 Wir aber S. 495 handeln gleichsam mit Gott um die Prüfungen, die er verhängt und setzen einen Termin fest, indem wir sagen: Bis da und dahin müssen wir das Kreuz los haben! Deßhalb bringen wir es auch nicht los. Auch Abraham ging nicht fort in der Erwartung, den Sohn am Leben erhalten zu sehen, sondern mit der Absicht, ihn als Opfer zu schlachten; und wider Erwarten ist er ihm am Leben geblieben. Und so auch du! Wenn du in Bedrängniß geräthst, fange nicht an zu zappeln und nach baldiger Erlösung zu rufen, sondern richte deinen Sinn zu aller Geduld, und du wirst alsbald von der Bedrängniß erlöst werden! Deßhalb hat ja Gott die Prüfung verhängt, damit er uns Geduld lehre. Wenn wir daher gleich anfangs sie zu ertragen verstehen und uns nicht niederdrücken lassen, dann nimmt sie Gott von uns, da ihr Zweck ohnehin schon erreicht ist.
Ich will euch eine ganz zweckdienliche Geschichte erzählen, aus welcher ihr vielen Nutzen schöpfen könnet. Was ist das für eine Geschichte! Es war zur Zeit einer Verfolgung und eines heftigen Kampfes, der gegen die Kirche losgebrochen war, da wurden zwei Männer ins Gefängniß geworfen. Der eine davon war bereit, alle möglichen Martern zu erdulden; der andere sah mit Bereitwilligkeit und Fassung einer Enthauptung entgegen, vor sonstigen Foltern bebte und schreckte er zurück. Nun betrachte die weise Fügung Gottes! Als der Richter auf seinem Stuhle saß, gab er den Befehl, den einen, der zu jeder Marter bereit war, einfach zu enthaupten; den andern aber ließ er aufhängen und peitschen, und das nicht ein- oder zweimal, sondern in allen Städten ließ er ihn herumführen. Warum hat doch Gott Dieß zugelassen? Damit sein matter Sinn durch die Folter lebendig wurde, damit er ihm die feige Angst austrieb, damit es mit seiner Furcht, seinem Zagen und Beben vor dem Martertod ein Ende nahm. Auch der ägyptische Joseph hat gerade zu der Zeit, wo er am meisten drängte aus dem Kerker zu kommen, erst recht darin aushalten müssen. Höre nur, wie er sagt: „Ich bin wegge- S. 496 stohlen worden aus dem Lande der Hebräer, gedenke meiner beim Könige.“3 Deßhalb mußte er drinnen bleiben, damit er die Erfahrung mache, daß man nicht auf Menschen trauen und bauen dürfe, sondern all seine Sorge auf Gott werfen müsse.
In diesem Bewußtsein also wollen wir Gott Dank sagen und Alles thun, was uns zum Heile ist, damit wir der zukünftigen Seligkeit theilhaftig werden in Christus Jesus unserm Herrn, mit welchem dem Vater und dem hl. Geiste sei Lobpreisung, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.