II.
Welche Zeit nennt er die gegenwärtige? Diejenige vor der Ankunft Christi, denn nach der Erscheinung Christi ist sie nicht mehr gegenwärtige Zeit; denn wie sollte sie es sein, da sie durch seine Ankunft ihr Ende gefunden? Er spricht in den Worten: „Dieses ist ein Sinnbild der gegenwärtigen Zeit“ auch noch etwas Anderes aus, nämlich: Es ist ein Vorbild. „Gemäß welchem Gaben und Opfer dargebracht werden, die im Gewissen Denjenigen, welcher dient, nicht vollkommen machen können.“ Siehst du, wie deutlich er hier gezeigt hat, was jene Worte: „Denn das Gesetz hat Nichts zur Vollkommenheit gebracht,“1 und: „Denn wenn jener Erste nicht mangelhaft gewesen wäre“2 zu bedeuten haben? Wie denn? „Im Gewissen.“ Denn die Opfer reinigten die Seele nicht vom Schmutze, sondern bezogen sich nur auf den Körper; „denn nach Vorschrift,“ heißt es, „einer fleischlichen Bestimmung;“ denn sie waren nicht im Stande, die Sünden des Ehebruches, des Mordes, des Tempelraubes nachzulassen. Du siehst: Dieß sollst du essen, Jenes nicht, ist an sich indifferent. „Nur in Rücksicht auf Speisen und Getränke.“ S. 248
10. Und mancherlei Waschungen.Dieses trinke, sagt er, obwohl in Bezug auf den Trank keine Vorschriften gegeben waren, sondern diese Worte bilden eine etwas verächtliche Ausdrucksweise. „Mittelst mancherlei Abwaschungen und fleischlicher Rechtfertigungsgebräuche, die bis zur Zeit der Verbesserung auferlegt waren.“ Denn Das ist die Rechtfertigung des Fleisches. Hier verwirft er die Opfer und zeigt, daß sie keine Kraft und nur bis zur Zeit der Verbesserung Bestand hatten, d. h. die Zeit abwarteten, die Alles verbessere.
11. Dagegen ist Christus, nachdem er als Hoherpriester der zukünftigen Güter gekommen, durch ein höheres und vollkommeneres Zelt, das nicht von Menschenhänden gemacht ist, ins Heiligthum eingegangen.
Er spricht hier vom Fleische. Treffend aber sagt er: „ein höheres und ein vollkommeneres,“ weil ja Gott das Wort und die ganze Kraft des heiligen Geistes darin wohnet. „Denn Gott gibt den Geist nicht nach dem Maaßen;“3 oder (er nennt es) vollkommener, weil es unverletzlich ist und Größeres bewirkt. „Nämlich nicht von dieser Welt.“ Siehe also, in wiefern es größer ist; denn es wäre nicht aus dem heiligen Geiste, wenn ein Mensch dasselbe gemacht hätte. „Nicht von dieser Welt,“ sagt er, d. h. es ist nicht aus erschaffenen Dingen dargestellt, sondern es ist eine geistige Schöpfung, es stammt vom heiligen Geiste. Siehst du, wie er den Leib Zelt und Vorhang und Himmel nennt? „Durch ein höheres und vollkommeneres Zelt,“ sagt er; dann: „Durch den S. 249 Vorhang,“ d. i. durch seinen Leib; und wieder. „In’s Innere des Vorhanges;4 und: „Der hineingeht in’s Allerheiligste,“ um zu erscheinen vor dem Angesichte Gottes. Warum aber thut er Das? Er will uns belehren, daß die verschiedenen Bezeichnungen denselben Sinn enthalten. So ist z. B. ein Vorhang der Himmel; denn gleichwie sich der Vorhang, ähnlich einer Mauer, vor dem Heiligthume befindet, so verbirgt das Fleisch die Gottheit. Ähnlicher Weise ist das Fleisch ein Zelt, das die Gottheit hat; und wieder ist der Himmel ein Zelt; denn dort befindet sich im Innern der Priester. „Christus aber,“ sagt er, „nachdem er als Hoherpriester gekommen.“ Er sagt nicht: nachdem er geworden, sondern: nachdem er gekommen, d. h. nachdem er zu diesem Zwecke gekommen, war Nichts weiter mehr zu übernehmen.5 Er kam nicht zuerst und wurde dann, sondern er kam in der Eigenschaft als Priester. Und er sagt nicht: Nachdem er gekommen als Hoherpriester der Opfer, sondern der „zukünftigen Güter“, gleichsam als wäre die Sprache nicht fähig, das Ganze auszudrücken.
12. Auch nicht durch Blut von Böcken und Stieren, heißt es;
Alles ist anders geworden; „sondern mit fernem eigenen Blute,“ sagt er, „ist er ein für allemal in’s Heiligthum eingegangen.“ Siehe, Dieß hat er den Himmel genannt. „Ein für allemal,“ sagt er, „ist er in’s Heiligthum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden.“ Durch die Bezeichnung „erfunden“ ist S. 250 etwas Unerreichbares und alle Erwartung Übersteigendes ausgedrückt, indem er durch einen einmaligen Eingang eine ewige Erlösung erfunden hat. Dann folgt der Beweis.
13. 14. Denn wenn das Blut der Böcke und Stiere und die Besprengung mit der Kuhasche die Verunreinigten heiligt, so daß sie leiblich rein werden; um wie viel mehr wird das Blut Christi, der im heiligen Geiste sich selbst als unbefleckt Gott dargebracht, unser Gewissen von todten Werken reinigen, damit wir Gott, dem Lebendigen, dienen.
Denn wenn, sagt er, das Blut der Stiere das Fleisch reinigen kann, so wird noch viel mehr das Blut Christ den Schmutz der Seele abwaschen. Damit du dir aber, wenn du den Ausdruck „heiligt“ vernimmst, nicht irgend etwas Großes denkest, zeigt er ganz deutlich den Unterschied zwischen diesen beiden Reinigungen, und wie die eine erhaben, die andere aber ihrer Natur nach niedrig sei; denn dort war es das Blut der Stiere, hier aber ist es das Blut Christi. Und er begnügt sich nicht mit dem bloßen Namen des Opfers, sondern gibt auch die Art und Weise desselben an. „Der im heiligen Geiste,“ sagt er, „sich selbst als unbefleckt Gott dargebracht hat,“ d. h. als ein unbedecktes Opfer, rein von Sünden. Der Ausdruck aber: „im heiligen Geiste“ zeigt an, daß das Opfer nicht im Feuer noch in irgend etwas Anderem dargebracht wurde. „Es wird unser Gewissen,“ sagt er, „von todten Werken reinigen.“ Und treffend sagt er: „von todten Werken;“ denn wenn Jemand damals einen Todten berührte, wurde er unrein, und wenn Jemand hier sich mit einem todten Werke befassen wollte, so würde er sich durch das Gewissen verunreinigen. „Damit wir Gott,“ sagt er, „dem Lebendigen S. 251 und Wahren dienen.“ Hier zeigt er, daß derjenige, welcher „todte Werke“ hat, dem „lebendigen Gott“ unmöglich dienen kann. „Dem wahren und lebendigen Gott,“ sagt er; denn er zeigt dadurch, daß Dasjenige, was für ihn geschieht, so beschaffen sein müsse. Was also bei uns geschieht, ist Leben und Wahrheit; bei den Juden aber ist Tod und Trug, - und natürlich.