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Schriften über "Göttliche Namen" (BKV)
§ 1.
Wohlan denn, laßt uns nun in unserer Abhandlung zur Bezeichnung Gottes als des Guten übergehen, einem Namen, welchen die Hagiographen der übergöttlichen Gottheit in vorzüglicher Weise beilegen und den sie nach meiner Meinung von allen ausscheiden, indem sie die urgöttliche Substanz (einfachhin) Güte nennen. Der Grund davon ist, weil die Gottheit als das wesenhaft Gute durch ihr Sein auf alles Seiende ihre Gutheit erstreckt. Denn gleichwie unsere Sonne1 ohne Berechnung und ohne Wahl, einfach durch ihr Sein alle Wesen erleuchtet, welche nach ihrer Eigenart am Lichte der Sonne teilzunehmen imstande sind, so entsendet auch das Gute analog — in höherer Weise als die Sonne, da es ja erhaben ist über das dunkle Abbild, das doch in vorzüglicher Weise nach ihm geprägt ist — unmittelbar durch sein Dasein allem Seienden die Strahlen seiner ganzen Gutheit.2 Durch sie haben alle intelligiblen und S. 57 intellektuellen Wesen, alle Kräfte und Energien ihren Bestand; durch sie besitzen die geistigen Wesen ihr Sein und Leben, ein Leben, das nie versiegt oder abnimmt, rein von jeglicher Verderbnis, Tod, Materie und Zeugung und enthoben der unsteten, fließenden, bald da-, bald dorthin zielenden Veränderung. Als unkörperliche und immaterielle Wesen werden sie erkannt, und als Geister haben sie selbst ein überweltliches Erkennen und werden mit den Ideen der Dinge durchstrahlt und vermitteln hinwieder an die verwandten Wesen die eigenen Erkenntnisse. Von der Güte Gottes haben sie ihre Beharrlichkeit, von dorther ist ihnen Stellung, Stabilität, Bewahrung und Genuß an den Gütern gewährt. Indem sie S. 58 nach ihr (der Güte Gottes) hinstreben, haben sie das Sein und das Glücklichsein; ihr so viel als möglich sich nachbildend sind sie gutgestaltet und teilen den unter ihnen stehenden Ordnungen, wie es das göttliche Gesetz will, von den Gaben mit, die auf sie aus dem Guten überströmen.
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Auch Augustinus bedient sich der ursprünglich schon von Plato gebrauchten Bilder des Lichtes und der Sonne, um die Probleme von Wahrheit und Dasein der Dinge zu lösen. ↩
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Dieser Vergleich ὥσπερ ὁ καθ’ἡμᾶς ἥλιος, οὐ λογιζόμενος ἢ προαιρούμενος, ἀλλ’αὐτῷ τῷ εἶναι φωτίζει πάντα … οὕτω δὴ καὶ τἀγαθὸν … αὐτῇ τῇ ὑπάρξει πᾶσι τοῖς οὖσιν ἀναλόγως ἐφίησι τὰς τῆς ὅλης ἀγαθότητος ἀκτῖνας ist ein vielumstrittener Satz. Zum richtigen Verständnis und zur Abwehr der Vorstellung von einer notwendigen Weltschöpfung sei bemerkt: Dionysius spricht zunächst von Mitteilung göttlicher Güte an die bestehenden Wesen. Nun die Schrift sagt ja auch, wie Dionysius bemerkt, „Gott ist die Liebe“ (1 Joh. 4, 8), und Weish. 11, 23 heißt es ἀγαπᾷς γὰρ τὰ ὄντα πάντα καὶ οὐδὲν βδελλύσσῃ ὧν ἐποίησας. Also hat Dionysius ganz recht; Gott kann nicht anders, als das Seiende lieben. Im weitern Verlaufe der Darstellung tritt allerdings auch der Gedanke an das Entstehen der Dinge hervor. Aber Dionysius gebraucht hierfür anderwärts wiederholt die Ausdrücke παράγειν, δωρεῖσθαι (vgl. S. 23 A. 1 u. 47 A. 1 und weiterhin die Stellen DN. IV 2 ἐδωρήθη τὸ ἀγαθοειδὲς sc. τοῖς ἀγγέλοις … τῆς τοῦ ἀγαθοειδοῦς δωρεᾶς μετέχειν sc. τῶν ψυχῶν, und DN. IV, 10 ἔρως … ἐκίνησεν αὐτὸν εἰς τὸ πρακτικεύεσθαι … die einen freien Schöpferakt bezeichnen). Mithin kann der Zusatz zu ἥλιος: οὐ λογιζόμενος ἢ προαιρούμενος nicht in die Vergleichung mit der Sonne miteinbezogen werden, was obendrein durch ἀναλόγως und ὑπὲρ ἀμυδρὰν εἰκόνα angedeutet ist. Es ist also der Sinn: Wie unsere Sonne — in ihrer Weise ohne Denken und Wollen — alle Wesen erleuchtet, so entsendet das Gute seiner eigenen Natur und Wesenheit entsprechend die Strahlen seiner Gutheit in alle Dinge … Zieht man ferner in Betracht, was Dionysius Cap. II über die Prädikate des Dreieinigen Gottes und sein Wirken nach außen gesagt hat, so erscheint es ausgeschlossen, daß er eine notwendige Weltschöpfung angenommen habe. Damit läßt sich immerhin vereinigen, daß er, von den gern verwendeten Sonnenmetaphern der Neuplatoniker beeinflußt, manche fremdklingende Wendungen gebrauchte (s. Koch, S. 236ff.). ↩
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Von den göttlichen Namen (Edith Stein)
1. Gott als die sich mitteilende Güte
Nun also schreiten wir zum Namen: das Gute, den die Theologen von allem abgehoben der Gottheit über alle Gottheit zuschreiben, da sie, wie ich glaube, das urgöttliche Wesen selbst Güte nennen. Und da es das durch das Sein Gute, das in sich seiende Gute ist, darum verbreitet es die Güte auf alles Seiende. Wie nämlich unsere Sonne nicht aufgrund eines Gedankens oder Vorsatzes, sondern rein durch ihr Sein alles erleuchtet, was irgendwie aufnahmefähig für ihr Licht ist, so ergießt auch das Gute selbst (das über die Sonne erhaben ist wie ein Urbild über ein schwaches Abbild) in entsprechender Weise (ἀναλόγως) alles Seiende mit den Strahlen ihrer ganzen Güte. Durch sie sind alle geistig erkennbaren und erkennenden Wesen, Kräfte und Tätigkeiten ins Dasein getreten; durch sie sind sie und haben sie das ewige, unvergängliche Leben, frei von aller Verderbnis und vom Tod, von Stoff und Zeugung, von aller Unstetigkeit und allem Fließen, das hierhin und dorthin getragen wird; und sie werden als unkörperlich und unstofflich erkannt und erkennen als Geister auf überirdische Weise und werden über den Sinn des Seienden angemessen erleuchtet und lassen wiederum auf das ihnen Verwandte das ihnen Eigene überströmen. Auch ihr Verbleiben haben sie von der Güte: Von daher haben sie ihren festen Stand und Zusammenhalt, die Bewachung und die Heimstätte des Guten, von ihr hängen sie ab, haben sie das Sein und das Wohlsein; und nach ihr, soweit möglich, geformt, haben sie die Gestalt des Guten und geben dem, was unter ihnen ist, wie es das göttliche Gesetz vorschreibt, Anteil an den Gaben, die auf sie aus dem Guten übergeflossen sind.