18. Vom Ende der söhne Chlodomers
Da aber die Königin Chrodichilde zu Paris sich aufhielt, bemerkte Childebert, daß seine Mutter mit besonderer Zärtlichkeit an den Söhnen Chlodomers hing, von denen wir oben erzählt haben1. Da wurde er neidisch und sürchtete, sie möchten durch die Gunst seiner Mutter zum Throne gelangen. Deshalb schickte er heimlich Boten an seinen Bruder, König Chlothachay und sprach: »Unsre Mutter läßt die Söhne unsres Bruders nicht von sich und will ihnen die Herrschast geben; komme also fchnell nach Paris, denn wir müssen Rat mit einander halten und erwägen, was mit ihnen geschehen soll, ob wir ihnen die Locken abschneiden und sie so dem andern gewöhnlichen Volke gleich machen, oder ob wir sie lieber töten und das Reich unseres Bruders zu gleichen Teilen unter uns teilen« Über solche Rede hoch erfreut kam Chlothachar nach Paris. Und Childebert breitete unter der Menge das Gerücht aus, er und sein Bruder seien zusammengekommen, daß sie jene Kinder auf den Thron erhöben, und sie schickten vereint zu ihrer Mutter, die damals zu Paris sich aushielt, und sprachen: »Schicke uns die Kinder, daß wir sie aus den Thron erheben« Da freute sich jene sehr, denn sie durchschaute nicht ihre Hinterlist Und sie gab den Boten Speise und Trank, entsandte die Kinder und sprach zu ihnen: »Dann will ich glauben, meinen Sohn Ukcht verloren zu haben, wenn ich euch in sein Reich eingesetzt S. 158 sehe« Da sie aber von dannen gingen, wurden sie sofort ergriffen und von ihren Dienern und Erziehern getrennt, und sie wurden beide bewacht, die Diener besonders und besonders die Kinder. Darauf schickten Childebert und Chlothachar zu der Königin jenen Arcadius, dessen wir oben schon gedachten2, mit einer Schere und einem gezückten Schwert. Und als er zur Königin kam, zeigte er ihr beides und sprach: »Deinen Willen, ruhmreiche Königin, wünschen deine Söhne, unsere Gebieter, zu erfahren, was du nämlich meinst, daß mit diesen Knaben geschehen müsse: ob ihnen die Locken geschoren und sie leben, oder sie beide getötet werden sollen« Sie erschrak bei dieser Botschaft und ihr Herz wurde von heftigem Ingrimm erfüllt, vornehmlich deshalb, weil sie schon das gezückte Schwert und die Schere vor Augen sah. Da sprach sie voll Bitterkeit — und sie wußte in ihrem Schmerze selbst nicht, was sie sagte — unbesonnener Weise also: »Lieber will ich sie, wenn sie nicht auf den Thron erhoben werden, tot sehen, als ihrer Locken beraubt« Er achtete jedoch nicht auf den Schmerz der Königin, noch wartete er ab, was sie bei reislicher Überlegung in der Folge gewählt haben würde, sondern kehrte eiligst zurück und sprach: »Vollendet das begonnene Werk, der Königin ist es genehm, sie selbst wünscht, daß ihr eure Absicht ausführet.« Sogleich ergriff Chlothachar den älteren Knaben beim Arm, warf ihn auf die Erde, stieß ihm ein Messer in die » Schulter und ermordete ihn grausam. Und als der Knabe laut schrie, stürzte sich sein Bruder zu den Füßen Childeberts, Umfaßte seine Knie und rief unter Tränen:
»Schütze mich, teuerster Oheim, daß ich nicht auch umkommewie mein Bruder« Da sprach Childeberh und Tränen rannen über sein Antlitz: »Jch bitte dich, liebster Bruder, sei barmherzig, schenke mir das Leben dieses Knaben, ich will dir für fein Leben S. 159 geben, was du verlangst, nur töte ihn nicht« Aber jener fuhr auf ihn mit Schmähungen los und sprach: »Stoße ihn von dir oder stirb statt seiner«. »Du, sagte er, hast selbst diese Sache angezettelt und wirst nun so schnell abwendig?« Da jener dies hörte, stieß er den Knaben von sich und warf ihn in die Hände des Bruders. Der aber ergriff ihn, stieß ihm das Messer in die Seite, und tötete ihn, wie er schon den älteren Bruder getötet hatte. Alsdann brachten sie auch die Diener und Erzieher der Knaben um. Und als sie so alle getötet, bestieg Chlothachar sein Roß und zog von dannen. Der Mord seiner Neffen ging ihm wenig zu Herzen. Childebert aber zog sich in das Weichbild von Paris zurück. Die Königin legte die Leichen der Kinder auf eine Bahre und unter vielen Chorgesängen und unbeschreiblicher Trauer folgte sie ihnen selbst zur Kirche des heiligen Petrus3 und bestattete sie dort bei einander. Der eine war zehn, der andere sieben Jahre alt. Des dritten Bruders aber, Chlodovald mit Namen, konnten jene nicht habhaft werden, weil er durch den Beistand mächtiger Männer ihren Händen entzogen wurde. Dieser verschmähte das irdische Reich und wandte sich dem Herrn zu; er schnitt sich mit eigener Hand die Locken ab und wurde Geistlicher. Er lebte nur mit guten Werken beschäftigt und schied als Priester aus dieser Welt4 Die Brüder aber teilten das Reich des Chlodomer unter sich zu gleichen Teilen5.
Die Königin Chrodichilde aber führte ein solches Leben, daß sie von jedermann verehrt wurde; sie wurde nicht müde, Almosen zu geben und im Gebet zu wachen, ihr Wandel war rein in Keuschheit und aller Ehrbarkeit, den Kirchen, Klöstern S. 160 und allen heiligen Orten gab sie Güter, und gewährte ihnen gern und freundlich, was sie bedursten, so daß man dazumal meinte, sie diene Gott, nicht wie eine Königin, sondern als sei sie ganz seine Magd. Nicht die Herrschast ihrer Söhne, nicht der Glanz dieser Welt, nicht ihr Reichtum vermochten sie zu Fall zu bringen, sondern die Demut erhöhte sie zur Gnade.