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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Gregory of Tours (538-593) Zehn Bücher fränkischer Geschichte
Fünftes Buch.

49. Von den Rachstellungen, welche Leudast uns bereitete

Es würde zu weit führen, wenn ich der Reihe nach alle seine Meineide und seine ändern Schandtaten durchgehen wollte; deshalb will ich lieber gleich darauf kommen, wie er mich durch nichtswürdige und verleumderische Anklagen zu Falle zu bringen gedachte und wie deshalb die göttliche Rache über ihn kam, auf daß das Wort erfüllet würde: „Ein Bruder unterdrücket den ändern"(1) und auch jenes: „Wer eine Grube macht, der wird darein fallen(2)"

Nach vielen Plagen nämlich, die er über mich und die Meinen gebracht, und nachdem er schon häufig die Güter der Kirche heimgesucht hatte, tat er sich mit dem Priester Rikulf zusammen, einem Menschen von gleicher Bosheit und Verderbtheit, und trieb es endlich so weit, zu behaupten, ich hätte Beschuldigungen gegen Königin Fredegunde erhoben; er gab zugleich an, mein Archidiakon Plato und mein Gefolgsmann(3) Galienus würden dartun, wenn man sie auf die Folter brächte, daß ich solche Reden geführt hätte. Der König stieß ihn aber damals, wie ich bereits erzählt habe(4), voll Wut mit Händen und Füßen von sich, ließ ihn in Eisen werfen und einkerkern. Darauf trat er mit der Behauptung S. 97 hervor, sein Gewährsmann sei ein Geistlicher namens Rikulf, auf dessen Aussage hin habe er die Sache mitgeteilt.

Dieser Rikulf(1), ein Subiakon, ein ebenso leichtfertiger und unordentlicher Mensch, hatte sich nämlich schon ein Jahr zuvor mit Leudast wegen dieser Sache ins Benehmen gesetzt und suchte nur eine Gelegenheit zum Hader, um so mit mir zu zerfallen und sich dann in den Schutz des Leudast zu begeben. Dies gelang ihm endlich, und er wandte sich an jenen. Nachdem sie dann vier Monate Zeit gehabt hatten, alle ihre Listen und Ränke gegen mich ins Werk zu setzen, kehrte er mit Leudast zu mir zurück und bat mich, ich möchte ihm verzeihen und ihn wieder aufnehmen. Ich tat es wirklich und nahm meinen heimlichen Feind offen in mein Haus auf. Sobald aber Leudast uns verlassen hatte, warf sich jener mir zu Füßen und sprach: „Wenn du nicht schnell mir hilfst, so bin ich verloren. Siehe, von Leudast verführt, habe ich gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen. So verhilf mir nun zur Flucht ins Ausland. Tust du dies nicht, so werden mich die Leute des Königs ergreifen, und ich werde es mit dem Tode büßen müssen." Darauf sprach ich zu ihm: „Wenn du Unrechtes gesprochen hast, so komme deine Rede auf dein Haupt. Denn ich werde dir nicht zur Flucht in ein anderes Land verhelfen, auf daß ich nicht beim Könige in Verdacht gerate." Damals wurde nun Leudast sein Ankläger und behauptete, er habe die erwähnten Reden vom Subdiakon Rikulf gehört. Deshalb wurde dieser gebunden und inden Kerker geworfen, Leudast selbst aber frei gelassen. Rikulf sagte aber aus, Galienus und der Archidiakon Plato seien an dem Tage zugegen gewesen, als ich, ihr Bischof, solches gesprochen hätte.

S. 98 Der Priester Rikulf tat zu dieser Zeit so groß, daß er an Übermut dem Magier Simon(1) gleichkam. Denn Leudast hatte ihm schon das Bistum versprochen. Und obwohl er mir dreioder mehrmal am Grabe des heiligen Martinus Treue geschworen hatte, schmähte er mich doch am sechsten Tage der Osterwoche und spie mich an, so daß wenig fehlte, und er hätte sich tätlich an mir vergriffen. Denn er baute fest auf das Gelingen des Planes, den er angezettelt hatte. Am ändern Tage aber, nämlich am Samstag vor Ostern, kam Leudast selbst nach der Stadt Tours, und indem er vorgab, ein anderes Geschäft dort zu Haben, nahnt er den Archidiakon Plato(2) und den Galienus gefangen, legte sie in Ketten und ließ sie so, gefesselt und ihres priesterlichen Gewandes entkleidet(3) zur Königin bringen. Ich hörte dies, während ich mich im Kirchenhause befand, und traurig und bestürzt darüber ging ich in die Kapelle und nahm das Buch der Psalmen Davids, um es aufzuschlagen, ob es mir nicht einen Trostspruch geben möchte. Und hier(4) fand ich folgenden Vers: „Und er leitete sie sicher, daß sie sich nicht fürchteten, aber ihre Feinde bedeckte das Meer(5)." Unterdessen fuhren jene über den Fluß auf zwei Kähnen, die durch Bretter überbrückt und verbunden waren, und das Schiff, in dem Leudast war, sank, und wenn er nicht durch Schwimmen sich gerettet hätte, wäre er wahrscheinlich samt seinen Genossen umgekommen. Das andere Schiff aber, das mit jenem verbunden war und die Gefangenm führte, hielt sich mit Gottes Hilfe über den Wellen. Die Gefangenen wurden nun zum König gebracht S. 99 und sofort ein Verfahren gegen sie eröffnet, daß ein Todesurteil über sie gefällt werden sollte!. Mer der König ging endlich doch in sich, ließ ihnen die Fesseln abnehmen und hielt sie nur in leichter Haft, ohne ihnen etwas anzutun.

In der Stadt Tours sprengte damals der Herzog Berulf(1) mit dem Grasen Eunomius(2) das Gerücht aus, König Gunthramn wolle sich der Stadt bemächtigen, und deshalb, damit nicht irgendein Versehen vorkäme, „muß man", sagte er, „die Stadt eng mit Wachen umziehen". Unter diesem Vorwande stellten sie Wächter an den Toren auf, die scheinbar die Stadt, in der Tat aber mich bewachen sollten. Sie schickten auch Leute ab, die mir den Rat an die Hand gaben, ich sollte die besseren Sachen der Kirche einpacken und heimlich nach Arvern fliehen; ich tat ihnen aber nicht dm Willen.

Darauf berief der König die Bischöfe seines Reiches und befahl, die Sache genau zu untersuchen. Da aber der Subdiakon Rikulf inzwischen öfters im geheimen verhört wurde und viele falsche Aussagen gegen mich und die Meinigen machte, sprach ein gewisser Modestus, ein Zimmermann, zu ihm also: „Du Elender, der du nicht abläßt gegen deinen Bischof Schlimmes zu ersinnen. Es wäre dir besser, du schwiegst, und gewönnest rmmütig die Gnade des Bischofs wieder." Da Hub jener an, mit lauter Stimme zu schreien und zu sagen: „Sieh! Der da will mich schweigen heißen, daß ich die Wahrheit nicht an den Tag bringe. Der da ist «in Feind unserer Königin, der einen Frevel gegen ihre Person nicht will untersuchen lassen." Dies wurde sogleich der Königin gemeldet. Modestus wurde ergriffen, gefoltert, gegeißelt, in Ketten geschmiedet und in den Kerker geworfen. Doch als er zwischen zwei Wächtern in Ketten und an den Block S. 100 gebunden dalag, erhob er nachts, als die Wächter schliefe«, sein Gebet zum Herrn, daß seine Allmacht ihn in seinem Elend heim-suche und er, der unschuldig in Banden läge, durch die Hilse der heiligen Martinus und Medard befreit werden möchte. Alsbald brachen die Fesseln, es barst der Block, die Tür öffnete sich, und er trat in die Kirche des heiligen Medard, wo wir gerade in jener Nacht wachten(1).

Als sich nun die Bischöfe auf dem Königshofe Berny ein-gefunden hatten, ließ man sie alle in einem Raume zusammentreten. Dann erschien der König, begrüßte sie, empfing den Segen und nahm unter ihnen Platz. Der Bischof Berthramn von Bordeaux, dem das Vergehen mit der Königin vor geworfen wurde, brachte sodann die Sache vor und stellte mich zur Rede, indem er behauptete, ich hätte ihm und der Königin diese Schuld beigemessen. Ich stellte es der Wahrheit gemäß in Abrede und erklärte, ich hätte andere es sagen hören, aber es nicht selbst aufgebracht. Es entstand indessen außerhalb des Hauses ein großes Gemurre unter dem Volke, und sie sprachen: „Wie kann man solches einem Priester Gottes vorwerfen? Wie kann der König solches beginnen? Konnte ein Bischof solche Dinge auch nur von einem Unfreien sagen? Ach, Herr Gott, steh« bei deinem Knechte!" Der S. 101 König aber sprach: „Die Beschuldigung gegen meine Gemahlin ist ein Schimpf für mich. Wenn ihr es für recht findet, daß Zeugen gegen den Bischof vernommen werden, hier stehen sie. Wenn ihr aber beschließt, daß dies nicht geschehen und daß man sich auf die Aussage des Bischofs verlassen müsse, so saget es. Ich werde mich gern beruhigen bei dem, was ihr beschließt." Da verwunderten sich alle über des Königs Klugheit nicht Minder wie über seine Selbstbeherrschung. Man war einstimmig der Ansicht: „Einer niederen Person darf man nicht Glauben beimessen gegen den Bischof." So wurde die Sache endlich dahin entschieden, ich sollte an drei Altären Messe lesen und mich durch einen Eid von diesen Beschuldigungen reinigm. Obgleich dies mit den Kirchengesetzen in Widerspruch stand(1) so geschah es doch, weil es des Königs Sache war. Ich kann aber nicht verschweigen, daß die Prinzessin Rigunthe(2), die mit meinen Leiden Mitgefühl hegte, mit ihrem ganzen Hause fastete, bis ihr ein Diener verkündete, daß ich alles vollführt hätte, was mir aufgegeben war.

Darauf kehrten die Bischöfe zum Könige zurück und sprachen: „Alles hat der Bischof vollführt, was von ihm verlangt ist. O König, was hast du nun noch zu erwarten, als daß wir dich und Berthramn, der seinen geistlichen Bruder anklagte, aus der Kirchengemeinschaft ausschließen(3)?" Da sprach er: „Mit Nichten, ich habe nur nachgesprochen, was S. 102 ich gehört habe." Und als sie ihn fragten, wer es gesagt habe, antwortete er, er habe es von Leudast gehört. Dieser war aber, weil er seinem Vorhaben und Plan selbst nicht mehr traute, bereits geflohen. Daher beschlossen die Bischöfe einmütig, er, der Urheber dieses Ärgernisses, der Verleumder seiner Königin, der Ankläger seines Bischofs, solle von allen Kirchen ausgeschlossen werden, weil er sich dem Verhöre ent-zogen habe(1). Sie schickten deshalb auch ein Schreiben mit ihrer Unterschrift an die ändern Bischöfe umher, die nicht erschienen waren. Dann kehrte ein jeder an seinen Sitz zurück.

Als Leudast dies vernahm, wollte er nach Paris zu der Kirche des heiligen Petrus flüchten; da er aber von dem Befehl des Königs Kunde erhielt, daß er in seinem Reiche von niemand ausgenommen werden sollte, und überdies vernahm, daß sein Sohn, den er zu Hause zurückgelassen hatte, gestorben sei, begab er sich im geheimen nach Tours und schaffte von dort das Beste, was er hatte, in das Gebiet von Bourges. Da aber die Königlichen ihm auf die Spur kamen, entzog er sich ihnen durch die Flucht. Sein Weib wurde gefangen und nach dem Bezirk von Tournay verwiesen. — Der Subdiakon Rikulf wurde zum Tode verurteilt. Nur mit Mühe erwirkte ich für ihn das Leben, von der Folter jedoch konnte ich ihn nicht befreien. Denn kein lebloser Gegenstand, kein Stück Eisen hätte die Schläge aushalten können, die dieser unglücklichste aller Menschen empfing. Bon der dritten Stunde des Tages hing er, die Hände auf den Rücken gebunden, an einem Baume; um die neunte Stunde nahm man ihn ab, spannte ihn auf den Bock und schlug ihn mit Stöcken, Ruten und doppelten Riemen, nicht einer oder zwei, sondern so viele nur an den Leib des Armen herankommen konnten, so viele S. 103 prügelten auf ihn los. Als er bereits seinem Ende nahe war, bekannte er endlich die Wahrheit und gestand öffentlich den heimlichen Anschlag. Er sagte nämlich aus, sie hätten deshalb diese Beschuldigung gegen die Königin aufgebracht, damit sie aus dem Reiche verbannt würde, Chlodovechs Brüder umkämen1, er selbst die Herrschaft erhielte; Leudast sollte dann das Herzogtum, der Priester Rikulf aber, der schon von der Zeit des seligen Bischofs Eufronius her mit Chlodovech befreundet war, das Bistum Tours erhalten, ihm selbst, dem Rikulf, war das Archidiakonat versprochen.

Als wir darauf durch Gottes Gnade nach Tours zurückkehrten, fanden wir dort die Kirche durch den Priester Rikulf ganz zerrüttet. Dieser, armer Leute Kind, war unter Bischof Eufronius emporgekommen und zum Archidiakon eingesetzt worden. Später war er Priester geworden und zum eigenen Herd zurückgekehrt2. Er war stets ein hochmütiger, aufgeblasener und eingebildeter Mensch, und während ich noch beim Könige mich aufhielt, war er unverschämterweise, gleich als wäre er schon Bischof, in das Kirchenhaus eingezogen, hatte das Silbergerät verzeichnet und sich in den Besitz aller übrigen Sachen gesetzt. Die angeseheneren Geistlichen beschenkte er, gab ihnen Weinberge und Wiesen, die niederen erhielten Stockschläge und Stöße, sogar von seiner eigenen Hand. „Erkennet mich als euren Herrn an," sprach er, „denn ich habe den Sieg gewonnen über meine Feinde, meine Klug- S. 104 heit hat Tours von diesem Arvernervolk befreit(1)." Der Elende bedachte nicht, daß mit Ausnahme von fünf Bischöfen alle die ändern, welche das bischöfliche Amt zu Tours überkamen, mit meinem Hause verwandt waren. Zu seinen Vertrauten pflegte er wohl zu sagen, ein kluger Mann lasse sich nur durch einen Meineid überlisten. Ms er nun bei meiner Rückkehr in seiner Haltung verharrte und nicht, wie die übrigen Einwohner, kam, mich zu begrüßen, sondern sogar laut werden ließ, er wolle mich töten, ließ ich ihn mit Zustimmung der Bischöfe in meiner Provinz in ein Kloster sperren(2) Dort wurde er in enger Haft gehalten; aber Leute, von Bischof Felix(3) geschickt, der auch die vorhin erzählte Sache begünstigt hatte, halfen ihm. Der Abt des Klosters wurde durch Meineide getäuscht, Rikulf entkam glücklich zu Bischof Felix, und dieser nahm sehr bereitwillig den auf, welchen er mit einer Verwünschung hätte empfangen sollen.

Leudast entkam in das Gebiet von Bourges(4) und nahm alle seine Schätze, die er vom Raube an den armen Leuten zusammengerafft hatte, mit sich. Bald darauf überfielen ihn jedoch die Einwohner von Bourges mit dem Richter des Ortes(5) an der Spitze und nahmen ihm all sein Gold und Silber und was er bei sich hatte; Nur was er am Leibe trug, ließen sie ihm. Sie würden ihm auch das Leben genommen haben, wenn er nicht ihren Händen entwischt wäre. Kaum aber hatte er wieder einige Kräfte gewonnen, so griff er mit einigen Bewohnern von Tours die Leute an, die ihn geplün- S. 105 dert hatten, tötete einen davon, bekam etliches von seinen Sachen wieder und kehrte in das Gebiet von Tours zurück. Als Herzog Berulf dies vernahm, schickte er seine Leute bewaffnet aus, um ihn zu ergreifen. Er aber ließ, als er sah, daß er ergriffen werden würde, alle seine Sachen iw Stich und flüchtete sich in die Kirche des heiligen Hilarius zu Poitiers. Herzog Berulf schickte, was er ihm abgenommen hatte, den» König. Leudast wagte sich in der Folge wiederholentlich aus der Kirche, brach in die Wohnungen verschiedener Personen ein und plünderte öffentlich, ja er wurde sogar oft ertappt, wie er Unzucht trieb in der Vorhalle der Kirche selbst. Da wurde die Königin aufgebracht, daß er den Gott geweihten Ort auf solche Art befleckte, und sie befahl, ihn mit Gewalt aus der Kirche des heiligen Hilarius zu verjagen(1). Ms er hier vertrieben war, kehrte er wieder in das Gebiet von Bourges zu seinen Freunden zurück und bat sie, ihn zu verbergen(2).


  1. Die Söhne der Fredegunde. Der oben Kap. 34 erzählte Tod derselben und Chlodovechs Ende lKap. 39) fallen nach der Synode zu Berny. Bgl. unten Kap. 50. ↩

  2. Leoeseit »d propria. Es ist nicht ganz klar, was Gregor damit sagen will: ob Rikulf in seine Heimat zurückkehrte (diese Auffassung würde der gewöhnlichen Bedeutung von rsoodsrv ad propria entsprechen), oder ob er als Priester eigenen Haushalt erhielt, während er bisher mit dem Bischof im Kirchenhaus wohnte und den Tisch mit ihm teilte, wie das für einen Teil der städtischen Geistlichkeit üblich war; vgl. Loening a. a. O. II, 844 f. und unten die Anmerkung zu B. VI. Kap. SS.  ↩

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