8. Von dem Klausner Eparchius in der Stadt Angoulême
Es starb damals auch Eparchius, ein Klausner zu Angoulöme, ein Mann von ausgezeichneter Frömmigkeit, durch den Gott viele Wunder tat, von denen ich das meiste hier nicht erwähnen, aber doch einiges berühren will. Er wohnte früher zu Perigueux, nachdem er aber der Welt entsagt und sich dem geistlichen Stande gewidmet hatte, kam er nach Angouleme und baute sich hier seine Zelle. In dieser sammelte er einige Mönche um sich und hielt unablässig an im Gebete. Wenn ihm Gold und Silber dargebracht wurde, so verwandte er es für die Not der Armen oder zur Auslösung von Gefangenen. In seiner Zelle war, so lange er lebte, niemals gebackenes Brot vorhanden, sondern, wenn die Not es erheischte, brachten es fromme Seelen herbei. Eine große Menge Volks kaufte er durch die Spenden der Frommen aus der Gefangenschaft los. Oft bannte er durch das Zeichen des Kreuzes das Gift gefährlicher Geschwüre, vertrieb durch sein Gebet böse Geister aus den Besessenen und gewann durch seine milden Worte die Richter, den Schuldigen zu verzeihen. Er nötigte sie dazu mehr, als er sie bat. Denn so gewinnend war seine Rede, daß sie es ihm nicht verweigern konnten, wenn er sie um Nachsicht ansprach.
Als einst einer wegen eines Diebstahls zum Hängen abgeführt wurde, der auch wegen vieler anderer Verbrechen, Räubereien und Mordtaten, von den Einwohnern schwer angeklagt war, schickte Eparchius, sobald er dies vernahm, einen seiner Mönche ab, um den Richter(1) zu bitten, er möchte jenem Verbrecher das Leben belassen. Da aber das Volk tobte und schrie, daß, wenn dieser begnadigt würde, es um die ganze S. 125 Gegend und den Richter selbst geschehen sei, konnte dieser ihn nicht loslassen. Der Verbrecher wurde deshalb auf den Bock gespannt, mit Ruten und Knütteln geschlagen und zum Galgen verurteilt. Da dies der Mönch betrübt dem Abte(1) meldete, sprach dieser: „Gehe hin und habe von fern acht, denn wisse, den, welchen der Mensch nicht losgeben wollte, wird uns Gott durch seine Gnade schenken. Wenn du ihn aber wirst vom Galgen fallen sehen, so nimm ihn sogleich in Empfang und führe ihn in unser Kloster." Der Mönch tat, wie ihm geheißen. Der Abt warf sich auf die Knie zum Gebet, und so lange flehte er unter Tränen zum Herrn, bis der Querbalken und die Ketten rissen und der Aufgeknüpfte auf den Boden fiel. Alsbald nahm ihn der Mönch in Empfang und brachte ihn unversehrt vor das Angesicht des Abtes. Da dankte er Gott, ließ den Grafen kommen und sprach: „Du hattest bisher immer gütig auf meine Bitten gehört, teuerster Sohn, warum warst du aber heute so hart, mir den Menschen nicht loszugeben, um dessen Leben ich dich bat?" Jener antwortete: „Gerne gebe ich dir nach, heiliger Priester, aber es tobte das Volk, und ich konnte nicht anders, denn ich fürchtete einen Aufstand wider mich." Da sagte der Abt: „Du hast mich nicht erhört, aber Gott hat mich in Gnaden erhört, und den du dem Tode geweiht, hat er in das Leben zurückgerufen. Siehe, da steht er unverletzt vor dir!" Bei diesen Worten fiel jener Mensch dem Grafen zu Füßen, der ganz erstaunt war, den lebend vor sich zu sehen, den er in der Angst des Todes verlassen hatte. Dies habe ich aus dem Munde des Grafen selbst gehört(2).
S. 126 Eparchius tat aber noch viele andere Wunder, die hier zu erzählen zu lange aufhalten würde. Nachdem er 44 Jahre als Klausner gelebt hatte, starb er an einem leichten Fieberanfall; er wurde darauf aus seiner Zelle gebracht und begraben. Viele losgekaufte Gefangene — denn es warm deren, wie wir erzählten, eine große Zahl — folgten seiner Leiche.