44. Von einer Wahrsagerin
Zu der Zeit lebte ein Weib, die hatte einen Wahrsagegeist und trug ihren Herren viel Gewinn mit Wahrsagen zu(3) und erlangte dadurch so ihre Gunst, daß sie sie frei ließen und sie nun nach ihrem eigenen Willen lebte. Wenn jemand einen Diebstahl oder sonst irgendeinen Schaden erlitt, zeigte sie sogleich an, wohin der Dieb entwichen sei, wem er das Gestohlene gegeben oder was er damit gemacht habe. Sie brachte täglich viel Gold und Silber zusammen und ging stattlich einher, so daß man unter dem Volke meinte, sie sei ein Wesen von übernatürlichen Kräften. Da dies zu Ohren des Bischofs Agerich von Verdun(4) gelangte, schickte er Leute aus, um sie zu ergreifen. Als sie aber ergriffen und S. 245 zu ihm gebracht wurde, erkannte er, daß es ein unreiner Geist sei, der aus ihr wahrsage, wie wir denn in der Apostelgeschichte lesen(1) Und als er die Beschwörung über sie aussprach und ihre Stirne mit dem heiligen Sle salbte, schrie der Geist laut auf und verriet dem Bischof, was es mit ihm sei. Da er sich aber durch ihn nicht austreiben ließ, erlaubte der Bischof der Dirne, von dannen zu ziehen. Weil sie jedoch sah, daß sie an diesem Orte nicht ferner leben konnte, zog sie zur Königin Fredegunde und hielt sich bei dieser verborgen.