3.
Um das Menschengeschlecht von den Banden des ihm den Tod bringenden Ungehorsams zu befreien, hielt Christus seine Macht und Herrlichkeit vor dem gegen ihn wütenden Satan verborgen und trat er ihm in unserer schwachen und hinfälligen Natur entgegen. Hätte nämlich der wilde und trotzige Feind den Ratschluß der göttlichen Barmherzigkeit zu erkennen vermocht, so würde er eher darnach getrachtet haben, die Herzen der Juden zur Milde zu stimmen, als sie durch ungerechtfertigten Haß aufzustacheln. Mußte er doch befürchten, seine Herrscherrechte über alle Gefangenen einzubüßen, wenn er die Freiheit dessen antastete, der ihm gegenüber ohne Schuld war. So fing sich also der Satan in seiner eigenen Bosheit: Er überlieferte den Sohn Gottes dem Tode, der für alle Menschenkinder zum Heile ausschlagen sollte, und vergoß unschuldiges Blut, das bestimmt war als Kaufpreis und Trankopfer für die Erlösung der Welt zu dienen. Der Herr aber ließ sich ruhig gefallen, was er nach dem von ihm gefaßten Plane freiwillig auf sich genommen hatte. Er duldete es, daß die Wütenden ihre ruchlosen Hände gegen ihn erhoben, die nur die Sache des Erlösers förderten, während sie an der Ausführung des Verbrechens arbeiteten. Aber selbst gegen seine Mörder war die Liebe und Hingabe Jesu so groß, daß er noch vom Kreuze herab seinen Vater statt um Rache um Verzeihung für sie bat, indem er rief: „Vater, verzeih ihnen; denn sie wissen nicht was sie tun!“1 . Gerade die Kraft dieses Gebetes bewirkte es S. 327auch, daß sich auf die Predigt des Apostels Petrus hin viele von denen, die geschrien hatten: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“2 der Buße zuwandten und sich an einem einzigen Tage etwa dreitausend Juden taufen ließen3 . Auf dieses Gebet ist es zurückzuführen, daß „alle ein Herz und eine Seele wurden“4 , so daß sie nunmehr bereit waren, für den zu sterben, dessen Kreuzigung sie verlangt hatten.