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Works Gregory I, pope (540-604) Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum Vier Bücher Dialoge (BKV)
Viertes Buch

XXXVI. Kapitel: Von den Seelen, die scheinbar irrtümlich aus dem Leibe entführt werden, von der Abberufung und Wiederzurückrufung des Mönches Petrus, vom Tode und der Auferweckung des Stephanus und von dem Gesichte eines Soldaten

Gregorius. Wenn dies geschieht, Petrus, so ist es, genau genommen, kein Irrtum, sondern eine Mahnung, Denn in ihrer großen Barmherzigkeit läßt es die göttliche Güte geschehen, daß einige nach dem Hinscheiden wieder zu ihrem Leibe zurückkehren, damit sie die Höllenpeinen, an die sie nicht glaubten, wenn sie davon hörten, wenigstens fürchten, nachdem sie sie gesehen haben. So erzählte mir öfters ein illyrischer Mönch, der hier zu Rom mit mir im Kloster war, er habe damals, als er noch Einsiedler war, erfahren, daß ein Mönch, Petrus, aus Spanien gebürtig, der sich mit ihm in der Evasa genannten weitläufigen Einöde aufhielt, einer Krankheit erlag, bevor er zu ihm in die Einöde kam; so hat es ihm der Mönch Petrus selbst erzählt; aber mit einem Mal wurde er wieder ins Leben zurückversetzt, und da bezeugte er, er habe die Höllenstrafen und unzählige Flammenherde gesehen; ja auch einige Große dieser Welt sah er, wie er berichtete, in den Flammen schweben. Schon sollte auch er in diese versenkt werden, als plötzlich ein Engel in glänzendem Gewände erschien und verbot, ihn ins Feuer zu werfen, und zu ihm sprach: „Geh’ und siehe wohl zu, wie du von nun an leben mußt!” Nach diesen Worten strömte wieder Wärme in seine Glieder und er erwachte vom Schlaf des ewigen Todes und erzählte alles, was sich um ihn zugetragen hatte. Von da an tötete er sich so sehr mit Fasten und Nachtwachen ab, daß schon sein Wandel verkündete, er habe die Höllenqualen gesehen und sei von Furcht vor ihnen durchdrungen worden, wenn auch seine Zunge davon S. 237 geschwiegen hätte. Durch des allmächtigen Gottes wunderbare Liebesfülle geschah es bei seinem Tode, daß er nicht dem Tode verfiel.

Aber da das Menschenherz gar hart ist, so ist sogar die Voraugenführung der Strafen nicht für alle gleich nützlich. So erzählte mir der erlauchte Stephanus, den du selbst gut gekannt hast, öfters von sich selbst, daß er an einer Krankheit gestorben sei, als er sich wegen eines Geschäftes in Konstantinopel befand. Man sandte nach Arzt und Salbenhändler, um den Leichnam zu öffnen und einzubalsamieren; da man sie aber nicht finden konnte, blieb der Leichnam für die folgende Nacht unbeerdigt. Stephanus aber wurde in die Hölle geführt und sah Dinge, an die er früher niemals glaubte, wenn er auch davon gehört hatte. Als man ihn zum Richter, der den Vorsitz führte, brachte, nahm ihn dieser nicht an, sondern sagte: „Ich habe nicht diesen, sondern den Schmied Stephanus kommen lassen.” Augenblicklich wurde er wieder mit dem Leibe vereinigt, der Schmied Stephanus dagegen, der neben ihm wohnte, starb in derselben Stunde. So erwies sich als wahr, was er gehört hatte, indem der Tod des Stephanus die Sache bestätigte.

Als vor drei Jahren die Pest überaus heftig wütete und diese Stadt entvölkerte, wobei man sogar mit leiblichem Auge Pfeile vom Himmel kommen und die Leute töten sah, wie du dich erinnerst, starb auch dieser Stephanus. Es wurde aber auch ein Soldat ebenfalls in unserer Stadt von der Pest befallen und kam dem Tode nahe. Er verschied und lag tot da, kehrte aber bald wieder zurück und erzählte, was mit ihm geschehen war. Er sagte - und dies ist damals noch vielen bekannt geworden -, es sei eine Brücke da gewesen, unter welcher ein schwarzer, düsterer Strom dahinfloß, der einen Nebel von unerträglichem Geruch ausdünstete. Jenseits der Brücke waren freundliche, grünende Wiesen voll von wohlriechenden Blumen, und dort schien der Sammelpunkt von S. 238 weißgekleideten Menschen zu sein. Ein solcher Wohlgeruch herrschte an jenem Orte, daß die Menschen, die dort wohnten, ganz davon durchdrungen waren. Ein jeder hatte dort seine Wohnung, die ganz von strahlendem Licht durchflutet war. Dort wurde gerade ein wunderbar herrliches Haus gebaut, zu dem goldene Ziegelsteine verwendet wurden; aber er konnte nicht erfahren, für wen es bestimmt war. Auch an dem Ufer des Stromes standen Wohnungen; die einen wurden von dem aufsteigenden übelriechenden Nebel berührt, die andern dagegen berührte der vom Strome aufsteigende abscheuliche Geruch nicht. Auf der Brücke aber mußte man die Probe bestehen; wenn ein Ungerechter über sie gehen wollte, fiel er in den düstern, übelriechenden Fluß, während die Gerechten, denen keine Schuld ein Hindernis in den Weg legte, sicheren und unbehinderten Schrittes zu den freundlichen Gestaden gelangten. So, sagte er, habe er auch den Kirchenvogt Petrus, der vor vier Jahren gestorben ist, tief unten an einem abscheulichen Ort, mit einer schweren und großen Kette gefesselt und niedergedrückt gesehen. Als er fragte, warum das also wäre, hat er Dinge vernommen, an die wir uns gar gut erinnern; haben wir ihn ja doch in diesem geistlichen Hause wohl gekannt. Es wurde ihm nämlich gesagt: Dies leidet er deshalb, weil er, so oft er eine Strafe zu vollziehen hatte, seinen Dienst mehr aus grausamer Lust, die Leute zu quälen, als aus Gehorsam leistete. Daß dies der Fall war, weiß jeder, der ihn gekannt hat. Er behauptete auch, einen fremden Priester dort gesehen zu haben, der, als er zur Brücke kam, sie ebenso mutig überschritt, als er rein auf Erden gelebt hatte. Er beteuerte, auf dieser Brücke auch den erwähnten Stephanus erkannt zu haben. Als dieser die Brücke überschreiten wollte, strauchelte sein Fuß, und er fiel mit dem halben Körper außerhalb der Brücke und wurde von einigen furchtbaren Männern, die aus dem Fluß heraufstiegen, an den Hüften abwärts, hingegen von einigen weißgekleideten, wunderschönen S. 239 Männern an den Armen aufwärts gezogen. Während dieses Kampfes, wobei ihn die guten Geister aufwärts, die bösen abwärts zogen, kehrte derjenige, der dieses sah, zum Leibe zurück und wußte nicht, was mit Stephanus weiter geschehen sei. Daraus läßt sich hinsichtlich des Lebens des Stephanus erkennen, daß in ihm Fleischessünden gegen die Werke der Barmherzigkeit stritten. Denn da er an den Hüften abwärts, an den Armen aufwärts gezogen wurde, so erhellt daraus, daß er zwar gerne Almosen gegeben, aber den Fleischessünden, die ihn abwärts zogen, nicht vollkommen Widerstand geleistet hat. Was aber bei jener Prüfung durch den verborgenen Schiedsrichter obsiegte, ist uns und dem, der es gesehen hat und zurückgerufen wurde, verborgen. Das jedoch steht fest, daß jener Stephanus, nachdem er, wie oben erzählt, die Hölle gesehen und zum Leibe zurückgekehrt war, sein Leben durchaus nicht vollkommen besserte, da er nach vielen Jahren noch in einem Kampfe zwischen Leben und Tod vom Leibe schied. Daraus sieht man, daß der Anblick der Höllenstrafen den einen zur Rettung, den andern zum Zeugnis wider sie gereicht. Jene sollten das Böse sehen, vor dem sie sich in acht nehmen mußten, diese aber um so ärgere Strafe empfangen, weil sie die Höllenstrafe nicht meiden wollten, obwohl sie diese sahen und kennen lernten.

Petrus. Was bedeutet es, ich bitte dich, daß man an diesen Orten der Freude für jemand ein Haus mit goldenen Ziegelsteinen bauen sah? Es wäre doch eigentlich lächerlich, zu glauben, daß man dort noch solches Baumaterial benötigt. S. 240

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