III. Kapitel: Von dem Bruder Gärtner des nämlichen Klosters
Gregorius. Felix1 mit dem Beinamen der Krumme, den du selbst gut kennst, und der noch vor kurzem Prior des dortigen Klosters war, hat mir viel Wunderbares von den Mönchen jenes Klosters erzählt. Es fällt mir manches davon ein, ich muß es aber übergehen, da ich zu etwas anderem zu kommen trachte. Doch eine Begebenheit, die er mir erzählte, darf ich nicht verschweigen.
In jenem Kloster war ein heiligmäßiger Mönch Gärtner. Es kam aber regelmäßig ein Dieb, stieg über den S. 12 Zaun und trug heimlich Gemüse davon. Da nun der Gärtner vieles pflanzte, was der Dieb weniger leicht hätte finden sollen, und er dennoch einen Teil davon zertreten, den andern gestohlen sah, ging er den ganzen Garten ab und fand endlich die Stelle, wo der Dieb immer hereinkam. Als er nun weiter im Garten auf und ab ging, fand er eine Schlange und sagte zu ihr: „Komm mit mir!” An der Stelle angelangt, wo der Dieb hereinkam, sagte er zur Schlange: „Im Namen Jesu befehle ich dir, daß du mir auf diese Stelle acht habest und keinen Dieb hereinkommen lassest!” Sogleich legte sich die Schlange der Länge nach quer über den Weg, während der Mönch in seine Zelle zurückkehrte. Als nun alle Brüder zur Mittagszeit ihre Ruhe hielten, kam wie gewöhnlich der Dieb und kletterte über den Zaun; als er seinen Fuß in den Garten setzen wollte, sah er plötzlich, daß eine langgestreckte Schlange ihm den Weg versperrte. Vor Schrecken fiel er rücklings herab und blieb mit seinem Schuh an einem Zaunpfahl hängen. So mußte er mit dem Kopfe nach abwärts hängen bleiben, bis der Gärtner wieder kam. Zur gewohnten Stunde kam dieser und sah den Dieb an dem Zaune hängen. Zur Schlange sprach er: „Gott sei Dank! Du hast deine Sache gut gemacht, jetzt gehe wieder!”, und sogleich entfernte sie sich. Alsdann trat er an den Dieb heran und sagte zu ihm: „Was ist das, Bruder? Gott hat dich mir in die Hände gegeben. Warum hast du es gewagt, der Mönche Arbeit so oft zu bestehlen?” Unterdessen machte er seinen Fuß vom Zaune, wo er hängen geblieben war, los und stellte ihn unverletzt auf den Boden. Mit den Worten: „Folge mir!” führte er ihn zur Gartentüre und gab ihm mit großer Güte und Freundlichkeit soviel Gemüse, als er hatte heimlich nehmen wollen, und sagte: „Gehe nun hin und stiehl in Zukunft nicht mehr. Solltest du etwas notwendig haben, so komme hier zu mir herein, und mit Freuden will ich dir geben, was du sonst S. 13 nur unter einer Sünde und mit großer Mühe wegnehmen könntest.
Petrus. Ich war bis jetzt, wie ich sehe, ganz ohne Grund, der Meinung, daß es in Italien keine Väter gegeben habe, die Wunderbares taten.
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Martyrol. 6. Nov. ↩