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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Zeno of Verona (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 1
Traktat II. Hoffnung, Glaube und Liebe.

5.

Aber warum soll ich länger bei Verhältnissen von Menschen weilen, als ob nur sie die Empfindung der Liebe besäßen? Sehen wir nicht, daß jede Art von Lebewesen durch Zusammenschluß, durch Vereinigung das Vorhandensein von Liebe zum Ausdruck bringt, und daß alle ihre Betätigungen sich gleichsam in einer Sinnesrichtung unter der Leitung der Liebe vollziehen, so daß jeder einsieht, daß das nicht möglich ist ohne eine Einrichtung einer S. 73 schon in der Natur liegenden Freundschaft? Wie sie für sich selbst in Bedrängnissen gegenseitig einstehen, zeigen die fast täglich vorkommenden Beispiele des so ergötzlichen Kampfes der Schweine, die ja allen bekannt sind. Wenn eines von ihnen einmal zufällig von einem frechen, grimmigen Wolf entdeckt wird und ihm in den Angriffen dieses Tyrannen Gefahr droht, rennen alle augenblicklich zusammen und kommen dem Bedrängten zu Hilfe; oftmals setzen sie sich beinahe den Waffen des Feindes geradezu um die Wette aus; durch ein furchtbares Gegrunze bringen sie ihn außer Fassung; sie lassen ihre schwärzlichen Hauer hervortreten und leisten mit ihnen wie mit einer Art Schild Widerstand; und so gelangen sie verhältnismäßig durch Liebe leicht zum Siege, wo sie ihn einzeln durch ihre Stärke allein kaum zu erringen vermöchten. Und sogar die Elemente, Brüder, die ganz1 verschiedenartig sind und sich ganz widerstreiten, wären längst dem Untergang verfallen, wenn sie nicht sich gegenseitig ausgleichende Eigenschaften mäßigender Art besäßen und sie so eine wohlwollende Liebe in treulicher Fortführung eines immerwährenden Ehebündnisses verbunden hielte. Es gibt tatsächlich nichts, was ohne Liebe angenehm, ohne sie friedlich, ohne sie treu, ohne sie sicher, ohne sie rühmlich, ohne sie gottverbunden, ohne sie vollkommen sein könnte.

Und schließlich hat der Herr selbst auf die Frage, welches das höchste Gebot des heiligen Gesetzes sei, es ausgesprochen: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deiner ganzen Kraft. Und ein zweites ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten."2 Damit ist es klar, daß die Liebe das Wesen aller göttlichen Tugenden ausmacht, ihre von der Natur gegebene Lehrmeisterin ist. Sie wird zwar aus dem Gesetz S. 74 erlernt, aber in das Dasein muß sie treten im Herzen der Menschen. Das Gesetz hängt von der Liebe, nicht aber die Liebe vom Gesetz ab; denn so sagt die Heilige Schrift: „Für den Gerechten ist das Gesetz nicht gegeben, sondern für den Sünder.“3 Sünder ist ein Mensch, der die Liebe Gottes nicht hat; und so untersteht er dem Gesetz, das den Zorn wirkt.4 Vielleicht könnte jemand sagen: Demnach ist das Gesetz zu verachten; es ist dem Gerechten nicht notwendig, dem Sünder ist es eine Last. Doch nein, Brüder! Das Gesetz ist im Gegenteil hoch zu verehren: es ist der Spiegel der Wahrheit, es ist sozusagen die starre Form der Liebe; es legt das, was es vom Gerechten gelernt hat,5 auch dem Ungerechten zur Befolgung nahe; es ist für beide Seiten herrlich: dem einen dient's zum Ruhm, dem andern zur Besserung.


  1. Leseart: satis (Ballerini) statt scitis (Giuliari). ↩

  2. Matth. 22,37-40; vgl. Mark. 12,28-31; Röm. 13,9. ↩

  3. 1 Tim. 1.9. ↩

  4. Röm. 4,15. ↩

  5. Lesart: Quidquid enim a iusto didicit (Ballerini) gegen die von Giuliari vorgeschlagene: quidquid enim iusto dicit. ↩

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Predigten und Ansprachen (BKV)

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