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Works Zeno of Verona (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 2

Traktat XIII. Der Traum Jakobs.

1. Wahrhaftig, geliebteste Brüder, das Herz eines Menschen, der den Traum von diesem Mann1 und die in ihm liegenden Geheimnisse kennt, schläft nicht. Denn die Prophetie spricht zwar allezeit in wechselnden Bildern, aber in allen findet sich derselbe Inhalt. So trägt Jakob das Bild Christi in sich. Aber auch der Stein, auf den er nach dem Bericht sein Haupt gelegt hat, ist ein solches: denn das Haupt des Mannes ist Christus, der auch zeitweilig der Eckstein genannt worden ist. 2 Die Leiter vetsinnbildet die zwei Testamente, die, aus evangelischen Vorschriften der Evangelien zusammengesetzt» die Menschen, die daran glauben und den Willen Gottes S. 239 vollziehen, sozusagen auf Stufen der Erfüllung zum Himmel hinaufzuführen pflegen. Der Apostel Johannes hat sie in seiner Offenbarung als das zweischneidige Schwert mit einem Griff3 bezeichnet, das nach seiner Schilderung aus dem Munde Gottes hervorgeht.4 Das Schwert ist nämlich der Heilige Geist, der einen Griff hat, das heißt, der eine Wesenheit, Kraft, Gottheit und Majestät und Willen des Vaters und des Sohnes aufweist, aber zwei Schneiden besitzt, nämlich die zwei Testamente, durch deren königliche Mahnungen die Gläubigen und Gottesfürchtigen zum Heile gelangen, die Ungläubigen und Treulosen aber bestraft werden. Diese Leiter war es, die der Prophet Isaias als Zange schaute;5 und er hat in seiner Weissagung berichtet, daß mit ihren (beiden) Schneiden einer der Seraphim vom Altare Gottes eine Kohle nahm, um damit befleckte Lippen rein zu brennen. Unter den befleckten Lippen müssen wir die beiden Völker der Juden und Heiden verstehen: sie waren befleckt durch die Übeltaten ihres früheren Lebens: das Volk der Juden hatte Christus geschmäht und verfolgt, das Volk der Heiden hatte Vielgötterei gepflegt und verabscheuenswerte Gebilde angebetet; nun sind sie, wie man sieht, in dem Bekenntnis des Namens Christi durch die Berührung mit der Kohle zu einem Volk zusammengeschmolzen. Denn die Zusammenschmelzung bedeutet Reinigung und Einigung. Und die Kohle ist das Wort Gottes, der Altar das Gesetz, die Zange die zwei Testamente, welche die Gläubigen in ihren Verpflichtungen aufrecht halten, den Ungläubigen aber (in ihren Strafen) schmerzlich sind.

2. Diese Zange nannte David auch eine Schreibfeder, wenn er sagt: „Meine Zunge ist wie die Schreibfeder eines S. 240 Schnellschreibers.“6 Denn die Schreibfeder, Brüder, ist gespalten und hat zwei Teile, die in ihrem obern Ende zu einer dünnen Spitze sich vereinigen, so daß sie mit beiden einen Buchstaben herstellt. Nimmt man aber einen Teil weg, so ist die Verwendung des andern nutzlos. So gibt es dem ganz entsprechend auch zwei Testamente, die auf ähnliche Weise mit zwei Federspitzen einen Buchstaben schreiben, das heißt, in den zweifachen Aussprüchen des heiligen Gesetzes Christus, den Sohn Gottes, für das geistige Verständnis zur Darstellung bringen. Ohne ihre gegenseitige Unterstützung können sie ihre Aufgabe nicht erfüllen: wie das Neue Testament dem Alten Beglaubigung verschafft, so legt das Alte für das Neue Zeugnis ab: so wie geschrieben steht: „Einmal hat Gott gesprochen, und diese zwei Dinge vernahm ich.„7 Aber auch der Herr selbst erwähnt im Evangelium die Leiter ausdrücklich, wenn er zu Petrus sagt; „Wirf die Angel ins Meer aus, und den Fisch, der zuerst heraufkommt, nimm! Und wenn du seinen Mund geöffnet, wirst du zwei Denare finden; gib einen für mich und einen für dich!“8 Unter dem ersten Fisch müssen wir Christus verstehen, der von den Toten auferstanden; aus seinem Mund sind die zwei Denare, das sind die zwei Testamente, hervorgegangen, die in der Herrlichkeit des Herrn und in der erfolgreichen Arbeit des Petrus — auf den er ja seine Kirche gebaut hat,9 — zwei Völkern zum Heile gereichten. Und kein Zweifel kann bestehen, daß das Meer die Welt, die Angel die Predigt bedeutet. Wie die Angel, die in das Meer ausgeworfen wird, den Tod des Fisches anzeigt, so bezeugt die Predigt des Evangeliums, die in die Welt hinausgetragen wird, den Tod und die Wiederkunft des Herrn, wie im Brief an die Korinther geschrieben steht: „Ihr sollt den Tod des Herrn verkündigen, bis er kommt.“ 10„Öffne den Mund des Fisches„, das heißt: du sollst das Geheimnis der Heilslehre oder das, S. 241 was ich in Gleichnissen gesprochen, denen erklären, die es nicht verstehen. Anderswo hat er das noch deutlicher allen seinen Jüngern gegenüber ausgesprochen: „Gehet also hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe“11 Du sollst einen für mich und dich geben, das heißt: du sollst mein Kreuz predigen, dich aber in gleicher Weise der Ehre deines Kreuzes freuen.

3. Den Stoff, aus dem die Leiter bestand, auf die der Herr sich stellte, erschließen wir aus einem Worte Davids, der da sagt: „Dein Stab und dein Stock trösten mich,“12 Stab und Stock sind jedenfalls die beiden Testamente, die deshalb mit Holz verglichen sind, weil bei seiner Verwendung die Willensmeinung desjenigen, der das Testament gemacht, für immer und in besonders gesicherter Weise niedergeschrieben bleibt, oder deshalb, weil sie gleichsam von verschiedenem Ausgangspunkt aus sich zu einem Glauben vereinigt es verkündeten, daß der Sohn Gottes gekreuzigt werden mußte. Und mit vollem Recht lassen sie Christus auf der Leiter stehen, weil die Geschichte der ganzen Hl. Schrift um seinetwillen und durch ihn als ihren Urheber zur Erfüllung kam. Daher sprach er auch zu seinen Jüngern: „Jeder Schriftgelehrte, der in der Himmelreichspredigt bewandert ist, gleicht einem Hausvater, der aus seinen Schätzen Neues und Altes hervorholt.„13

Der Schriftgelehrte, Brüder, ist der Prediger; der Hausvater ist Christus; seine Schätze sind die Wesenheit des Vaters und der Wille des Vaters, die er kraft seiner unverminderten Gottheit besitzt; das Alte und Neue sind die beiden Testamente; ihr sehet richtig, daß der Herr ohne Zweifel sie hier auch in das Gleichnis von den zwei Denaren gekleidet hat, insofern er unter seinen Schätzen die beiden Denare verstanden wissen wollte, unter dem Alten und Neuen die zwei Testamente. Von diesen zwei Denaren erwähnt der Herr S. 242 auch, daß sie vom Samaritan dem Wirte gegeben wurden für den Mann, der von Räubern angefallen worden war. 14 Dieses letzte Gleichnis erschließt zweifellos denen, die geistig schauen, das in der Jakobsleiter liegende Geheimnis. Denn in dem Mann, der angefallen worden, ist Adam zu erkennen; in den Räubern der Teufel und die Begier-lichkeit der Eva, in dem Samaritan der Herr, zu dem die Juden sprachen: "Er ist ein Samaritan und hat den Teufel.“15 Der Wirt ist der Lehrer des Gesetzes; er erhalt die zwei Denare, das sind die heilsamen Lehren der beiden Testamente, nimmt den Menschen, der dem Raubanfall des Teufels und seiner Engel und dieser Welt zum Opfer fiel, durch das ehrwürdige Sakrament in die Herberge, das heißt in die Kirche auf, wo die Schafe Gottes einkehren, und bringt ihm dort durch die täglich gespendete Arznei der Predigt Heilung,

4. Wenn sodann die Rede ist von Engeln, die hinaufsteigen und herabsteigen, so halten manche die hinaufsteigenden für Engel des Lichtes, die herabsteigenden für die Engel der Finsternis. Aber ich finde, geliebteste Brüder, solche Deutung töricht und unpassend: denn weder steigen die Abtrünnigen herab — sie sind nach ihrer Sünde, wie man weiß, niemals mehr in den Himmel aufgenommen worden —, noch steigen die Engel des Lichtes hinauf; sie haben niemals auf der Erde, sondern stets im Himmel ihre Wohnung gehabt. Ich glaube, daß richtig Engel die Menschen genannt werden. Denn zu ihnen spricht der Herr durch den Heiligen Geist: „Ihr seid zwar Götter und insgesamt Söhne des Höchsten, aber ihr werdet sterben wie Menschen.„16 Und wir erinnern uns ja auch, daß von Johannes dem Täufer gesagt ist: „Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der dir den Weg bahnen wird.“17 Demnach ist es klar, daß in der Sprache der Propheten ganz allgemein gerechte und ungerechte Menschen als Engel bezeichnet werden. Aber S. 243 an Beispielen erkennen wir auch, wer die Aufsteigenden und Absteigenden sind. Die Absteigenden sind diejenigen, die der Welt entsagten und sodann wieder zu ihr zurückkehren, diejenigen, von denen der Herr sagt: „Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und rückwärts schaut, ist tauglich für das Reich Gottes.„18 Und wiederum: „Denket an die Frau Lots!“19 Aber auch der Apostel sagt: „Warum kehret ihr wieder zu den schwachen und armseligen Elementen zurück?„20 Die Aufsteigenden sind die Gerechten, die durch ihre erprobte Lebensführung täglich in der Herrlichkeit eines geistigen Aufstiegs auf den Stufen der Beobachtung der göttlichen Gebote zum Himmel emporkommen, sie, die der Apostel mahnt, auf die er hinweist mit den Worten: „Wenn ihr auferstanden seid mit Christus, so suchet das, was droben ist, wo Christus ist und zur Rechten Gottes sitzt!“21 Wir können es aber auch so verstehen, Brüder, daß es vom den dienenden Engeln gesagt ist, die, wie wir hören, dem Herrn, als er auf Erden wandelte, Dienste geleistet haben" wie er selbst sagt: „Wahrlich, wahrlich sage ich euchf ihr werdet den Himmel offen sehen und Engel Gottes auf-und absteigen über dem Menschensohn;„22 wie es denn auch tatsächlich geschehen ist nach dem Bericht des Evangelisten: „Da verließ ihn der Teufel, und siehe, es kamen Engel herbei und dienten ihm.“23 So unterliegt es? keinem Zweifel, daß die Engel des Lichtes und die gerechten Menschen den gleichen Weg haben zu den himmlischen Höhen.

5. So verbindet sich alles zum Endergebnis einer einzigen Frucht; denn obwohl man alles in doppelter Gestalt sieht, stammt es doch aus einer einzigen Wurzel.. Testamente gibt es zwei, aber derjenige, der sie gemacht, ist nur einer. Und die Schreibfeder ist gespalten, aber das Rohr ist nur eines. Und die Zange (Schere) findet ihre Fortsetzung in zwei Schneiden, aber ihr Biß ist ein S. 244 einziger. Und das Schwert weist zwei Schärfen auf, aber es sind nur die Seiten einer Klinge, Und es sind zwei Denare, aber hinsichtlich ihres Wertes gelten sie als eine einzige Münze. Und die Leiter hat zwei Leiterbalken und zahlreiche Stufen; aber der Aufstieg ist nur einer. Wollt ihr aber, geliebteste Brüder, wissen, was ihre Stufen bedeuten, so höret! Hinneigung, Hörwilligkeit, Verständnis, Glaubensbereitschaft, Furcht, Weisheit, Nüchternheit, Milde, Mäßigung, Keuschheit, Frömmigkeit, Liebe, Glaube, Wahrheit, Demut, Dankbarkeit, Ehrbarkeit, Schamhaftigkeit, Geduld, Beharrlichkeit, Vollendung. Und die Namen der zwei Leiterbalken sind die beiden Testamente. Die Leiter aber wird in ihrem eigentlichen Namen das Kreuz genannt: denn in dem Kreuz hat der Herr Jesus Christus alle Geheimnisse zur Vollendung und Zusammenfassung gebracht, hat auch Adam zum Vater zurückgeführt und allen, die ihni folgen, den Weg zum Himmel erschlossen.


  1. Gen. 28. ↩

  2. Ps. 117, 22; Matth. 21, 42; Mark. 12, 10; Luk. 20, 17; Apg. 4, 11; Eph. 2, 20; 1 Petr. 2, 7. ↩

  3. Giuliari emendiert: . . . Gladium cum uno capitul, während die Ballerini trotz der handschriftlichen Überlieferung cum uno capulo beibehielten. Doch ist in beiden Lesarten die Bedeutung des Wortes = Griff außer Zweifel. ↩

  4. Offenb. 1, 16. ↩

  5. Is. 6, 6. ↩

  6. Ps. 44, 2. ↩

  7. Ebd. 61, 12. ↩

  8. Matth. 17, 26. ↩

  9. Ebd. 16, 18. ↩

  10. 1 Kor. 11, 26. ↩

  11. Matth. 28, 19. 20. ↩

  12. Ps. 22, 4. ↩

  13. Matth. 13, 52. ↩

  14. Luk. 10, 35. ↩

  15. Joh. 8, 48. ↩

  16. Ps. 81, 6. 7. ↩

  17. Mal. 3, 1; Matth. 11, 10; Mark. 1, 2; Luk. 7, 27. ↩

  18. Luk. 9, 62. ↩

  19. Ebd. 17, 32. ↩

  20. Gal. 4, 9. ↩

  21. Kol. 3, 1. ↩

  22. Joh. 1, 51. ↩

  23. Matth. 4, 11. ↩

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