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Works Zeno of Verona (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 2

Traktat XVII. Von Jonas, dem Propheten.1

1. Es ist ein Grundsatz der Religion, den dem Menschen die Ehrfurcht nahelegt, von Gott nur das wissen zu wollen, was erlaubt ist; wie man seine Zeugnisse nur in der Einfalt des Herzens durchforschen darf, so darf man auch nicht aus Neugierde seine Geheimnisse zu ergründen suchen. Wer konnte denn auch die Ursachen und die Naturkräfte unseres Himmels2 und der Dinge da oben kennen? Wer könnte sich zu der Lüge versteigen, daß er über die Leere unserer Luft, die nach der Anschauung mancher körperlich ist, Erörterungen anstellen könnte?3 Wer erdreistete sich, darüber etwas zu wissen, ob die Erde vom Wasser getragen wird oder ob das S. 257 Wasser im Schöße der Erde eingeschlossen ist?4 Wer wird sich rühmen, daß er das Säuseln der Luft, das Brausen der Winde, in der Meeresbrandung das Steigen der Flut, und schließlich gar das Schöpfungswerk des Herrn und den Ratschluß Gottes begriffen habe? Sagt doch der Apostel: „O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerklärlich sind seine Urteile und wie unaufspürbar sind seine Wege! Wer hat den Sinn des Herrn erkannt?„5 Nicht etwa in Stolz über die Erforschung solcher Dinge spricht der Prophet: „Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr!“6 Denn er ruft aus der Tiefe, das heißt aus seinem Innern heraus. Er ruft aus der Tiefe: aber mit wieviel menschlichem Unglück war er, traurig und niedergeschlagen, umgeben! Und er ruft nicht mit der Stimme, sondern mit seinem Herzen; nicht in lautem Schreien, sondern im Glauben: von ihm weiß er, daß Gott ihn gern erhört! In ähnlicher Art hat denn auch Petrus7 aus der Tiefe gerufen und es vom Herrn erbeten, daß er über die glatten Wogen des tiefen Meeres und über die Oberfläche der Wasserflut, die dem Tritt des Menschen keinen Halt gewährt und in der er als zagender Wanderer unterzusinken drohte, dahinschreiten konnte und ebenso glücklich ans Land kam. Aus der Tiefe gerufen hat auch Paulus,8 als er, überschüttet mit Unglücksfällen, die sich für ihn zum Heile wandten, für den Namen des Herrn Gefahren von Räubern auf Reisen, Gefahren von Räubern in Städten durchzumachen hatte; als er von den Juden dreimal mit Ruten gestrichen wurde, dreimal Schiffbruch litt; als er durch die zur Wut entfachte Leidenschaft seines rasenden Volkes, ohne Schaden zu nehmen, mit einem Hagel von Steinen überschüttet wurde; als er einen Tag und eine Nacht in der Meerestiefe zubrachte, aber durch S. 258 sein Rufen zum Herrn wohlbehalten wieder ausgespien ward.

2. In gleicher Weise wurde der Prophet Jonas von Gott zu den Bewohnern von Ninive gesandt, um ihnen den Untergang anzukündigen, der der Stadt bevorstand; denn ungeheuer war die Last der Sünden, die auf ihr lag. Aber er entwich auf einem andern Wege und bestieg ein Schiff, um nach Tarsis9 zu fahren. Da schäumt plötz lich das Meer auf, gepeitscht durch ein gewaltiges Brausen von miteinander kämpfenden Winden; es schlägt mit den weißlichen Wellen der steilen Berge, die der reißende Strudel bildet, gegen die schäumenden Buchten der sich entgegenstemmenden Gestade und droht jeden Augenblick mit einem Schiffbruch. Immer häufiger werden die Stöße des rasenden Sturmes, schauerlich pfeifen die Taue, die Rahen ächzen unter dem Blähen der Segel, das Vorderteil des Schiffes, das von allen Seiten auf Widerstand stößt, findet keinen Weg mehr. Unruhe voll laufen die Schiffsleute auf und ab und suchen vergeblich durch Auswerfen von Geräten das Schiff von Lasten freizumachen, das in Wirklichkeit nur von der Last des Propheten beschwert war. Da wird Jonas, den allein dieser segensvolle Sturm als Opfer verlangte, da auf ihn das Los fiel, bestimmt, das Schicksal des Schiffbrüchigen auf sich zu nehmen (ins Meer geworfen zu werden): oder vielmehr, er wird von einem hölzernen Schiff auf ein lebendiges geführt. Denn er wurde, nachdem er ins Meer geworfen war, gastlich von dem Rachen eines Meertieres aufgenommen. Er, der auf dem Schiff geschlafen, wacht nunmehr im Bauch des Fisches, Und, o Wunder, drei Tage nach dem Schiffbruch und dem Grab im Fische, predigt er den Bewohnern von Ninive, um durch schreckenkündende Weissagungen der gläubig werdenden Stadt Rettung zu bringen.

3. Brüder, soweit sich die Erzählung verstehen läßt, S. 259 ist das Schiff ein Bild der Synagoge. Unter seinem Vorderteil verstehen wir die Genossenschaft ihrer Priester, unter den Schiffsleuten die Schriftgelehrten und Pharisäer, unter dem Hinauswerfen der Geräte die Ablehnung der Propheten und aller heiligen Männer, welche die Juden aus der Synagoge ausstießen und zum Schaden ihres Heiles auf unwürdige Weise mordeten. Die wütenden Stürme sind die Könige (Kaiser), die Judäa unter dem trauerkündenden Klang der Trompeten, unter dem schrecklichen Klirren der Waffen, unter dem Drang allenthalben tobender Schlachten elendiglich in der ganzen Welt zerstreuten, Jonas, der im Schiffe schlief, trug das Bild des Heilsgeheimnisses des Herrn an sich. Denn der Stoff des Schiffes bezeichnete das Kreuz, der Schlaf das Leiden. Das Meer ist unsere wogende Welt, Unter seinen Fluten verstehen wir die Völker der Juden und der Heiden, die eitel gegen Gott getobt.10 Das Los hat verkündigt, daß Jonas ins Meer gestürzt werden solle; die Prophezie hat vorausgesagt, daß der Herr leiden werde; und zwar geschah es bei beiden mit ihrem Willen: bei Jonas infolge seiner Verhältnisse, bei dem Herrn aus Liebe. Der Fisch bedeutet zweifellos die Unterwelt. Wie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauche des Fisches war, dann ausgespien ward und sich in die Stadt Ninive begab, so stand der Herr am dritten Tag von der Unterwelt auf und begab sich, bevor er in den Himmel fuhr, in die Stadt Jerusalem. Ninive aber ist das Bild der Kirche, in der seitdem immer schon unser Heidenvolk sich zum Aufenthalte einfand. Nicht umsonst wurde sie von Gott die große Stadt genannt:11 denn in Zukunft sollten die Völker aller Nationen an Christus glauben und der ganze Erdkreis zu einer einzigen Stadt für Gott werden. Schließlich bestätigen den Vergleich die tatsächlichen heilbringenden Ereignisse, wie sie auch bei uns noch fortbestehen. Denn, Brüder, wie den Bewohnern von Ninive ihr Untergang angekündigt S. 260 wird, glauben sie und fürchten sie sich. Und je sicherer sie wissen, daß der Herr nicht lügen wird, desto williger bauen sie auf seine Barmherzigkeit. Und sofort verurteilen sie das Tun ihres früheren Lebens, eilen um der Erlangung des Heiles willen nicht mehr, wie sie bisher gewohnt waren, zu den stummen Götzenbildern, zünden nicht mehr an übelriechenden Altären unheilvolle Feuer an, verbrennen keinen Weihrauch mehr, gießen keinen Wein mehr als Spende aus, befragen nicht mehr die Fasern der noch warmen rauchenden Leber, die den Tieren nach ihrem unvorhergesehenen Tode herausgenommen ward;12 ergründen nicht mehr aus dem verschiedenartigen Flug der Vögel in eitlen Deutungen den Stand ihres auf Federn gegründeten Heiles;13 sie suchen vielmehr in ihrem eigenen Herzen das heilbringende Mittel und opfern in aller Andacht ihren ganz in Demut zerknirschten Geist; sie tun gesetzmäßig Buße und machen dadurch Gott sich gnädig. Und das haben auch wir getan und müssen es durchweg tun, damit wir den Versuchungen der gegenwärtigen Zeit und den Strafen des zukünftigen Gerichtes entgehen durch Christus unsern Herrn.


  1. Jon. 1—3. — Das erste Kapitel des Traktates weist zum Teil wörtliche Berührungspunkte mit Hilar. tract. in ps. CXXIX auf. So findet sich der erste Satz: Humanae devotionis religiosa confessio est, de Deo hoc nosse, quod licitum est, bei Hilarius c. 1, in der Form: Humanae infirmitatis religiosa confessio est ex deo hoc solum nosse, quod deus est. ↩

  2. In der Unterscheidung: Quis enim causas naturasque coeli huius et superiorum sciat ist wohl an die Prinzipien und die Kräfte zu denken. ↩

  3. Quis corpoream acris huius, ut quidam putant, inanitatem se disserere posse mentiatur? Bei Hilarius lautet der Satz: Quis hanc inanis nobis, ut falso putamus, acris plenitudinem metietur? Vgl. dazu schon Plin. hist. natur. II 1, der die Messung des Himmels als Wahnsinn erklärt. ↩

  4. Die Anschauung, daß die Erde gleich einer Insel von dem Wasser getragen werde, wurde von den Stoikern vertreten. ↩

  5. Röm. 11, 33. 34. ↩

  6. Ps. 129, 1. ↩

  7. Matth. 14, 30. 31. ↩

  8. 2 Kor. 11, 23 – 26. ↩

  9. Zeno schreibt Tarsos petiturus. Gemeint ist im Buche Jonas Tarsis (Tartessus in Spanien). ↩

  10. Ps. 2, 1. ↩

  11. Jon. 3, 2; 4, 11. ↩

  12. Nach der Lesart der Ballerini: ... nec pecudum inexpectata morte rapti iecoris spirantis consulunt fibras (Giuliari: ... nec pecudum inspectata morte rapti iecoris spirantes consulunt fibras). ↩

  13. ... statum plumeae salutis inquirunt: gewählt wegen der Erforschung des Heiles aus dem Vogelflug. ↩

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Predigten und Ansprachen (BKV)

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