1.
Wenn vielleicht jemand da ist, meine Brüder, dem es hart und unerträglich dünkt, daß wir zuversichtlich eine Sache besprechen, die fast gegen die Natur ist, so möge er sich alsbald beruhigen; er soll erkennen, daß es der höchste Triumph der Tugend ist, die Natur selbst zu meistern. Aber weil die Leidenschaften immer den Glanz der Tugend trüben, weil jedem das als recht gilt, was ihm zusagt (vollends das, was alle Völker als Gegenstand gleichmäßiger Sehnsucht pflegen), so gilt jeder, der vom Heiraten abrät, zweifellos als ein Feind der Menschheit oder wenigstens als ein Narr. Aber ich fürchte mich nicht davor, was die Öffentlichkeit in ihrem Haß über mich daherredet. Denn ich verurteile die Ehe nicht, aber ich ziehe der Ehe das Bessere vor; ich tue es auf den Rat des Apostels Paulus hin, der da sagt: „Ich aber sage den Unverheirateten und den Witwen: es ist gut für sie, wenn sie so bleiben, wie ich auch. Wenn sie aber nicht enthaltsam sind, dann sollen sie heiraten; denn es ist besser, zu heiraten, als vom Feuer der Leidenschaft aufgezehrt zu werden."1 Und an einer andern Stelle sagt er: „Ich sage das als Zugeständnis, nicht als Befehl; ich wollte aber, daß alle so sind wie auch ich."2 S. 103 Deshalb ist das Heiraten besser, weil vom Feuer aufgezehrt werden noch schlechter ist. „Es ist alles erlaubt, aber nicht alles frommt."3 So prüfe dich, mein Christ, und wähle, was du willst: die Arznei oder die Gesundheit!