1. Cap. Die Christenverfolgungen sind nicht bloss als Veranstaltungen des Teufels aufzufassen, sondern richtiger auf die Zulassung und den positiven Willen Gottes zurückzuführen. Denn sie fördern die Gottesfurcht und den Glauben.
S. 378 Wegen einer, ich weiss nicht recht welcher Prophezeiung,1 hast du mich kürzlich gefragt, lieber Bruder Fabius, ob man in der Verfolgung fliehen dürfe oder nicht. Ich habe sofort, so gut es die Zeit, der Ort und die Ungezogenheit gewisser Personen erlaubte, einiges darauf erwidert, die Materie aber halb erledigt mit mir genommen, um mich nun in vollständigerer Weise schriftlich über sie zu erklären, da sie mir durch deine Anfrage empfohlen und durch die Zeitverhältnisse an und für sich schon nahegelegt war. Denn je häufiger die Verfolgungen drohen, desto mehr muss man auf Prüfung der Frage bedacht sein, welches Verhalten der Glaube ihnen gegenüber vorschreibe. Besonders auf Eurer Seite muss man an diese Prüfung denken, weil Ihr dadurch, dass Ihr, wo möglich, den Paraklet, den Einführer in alle Wahrheit, nicht annehmt, natürlich auch noch mit andern Fragen zu schaffen habt.
Daher haben wir denn in den Gegenstand deiner Anfrage Methode gebracht, in der Erwägung, dass erst über den Charakter und das Wesen der Verfolgung selbst etwas bestimmtes ausgemacht werden müsse, ob sie nämlich von Gott oder vom Teufel komme, um dann leichter über das Verhalten bei derselben etwas feststellen zu können. Denn der Einblick wird bei jeder Sache klarer, wenn man ihren Urheber erkannt hat. Es wäre zwar genug, gründlich darzuthun,2 dass nichts ohne den Willen Gottes geschieht, allein wir würden mit diesem Ausspruche noch nicht sofort alle übrigen Bedenken beseitigt haben, wenn z. B. etwa einer einwerfen wollte: Also kommt auch das Böse von Gott und die Sünde von Gott, und es kommt weder auf den Teufel noch auf uns mehr irgend etwas an.
Es handelt sich jetzt um die Verfolgung an sich. In betreff derselben möchte ich vorläufig behauptet haben, nichts geschieht ohne den Willen Gottes, ich sage dies in Rücksicht darauf, dass sie vor allen Dingen Gottes würdig, ja, sozusagen für ihn notwendig ist, nämlich zur Bewährung, beziehungsweise Nichtbewährung seiner Diener. Denn was wäre sonst das S. 379 Resultat der Verfolgung, welches ihre Wirkung, wenn nicht die Bewährung, beziehungsweise die Nichtbewährung des Glaubens, wonach der Herr die Seinigen beurteilen und richten wird? Dieses Gericht des Herrn ist eben die Verfolgung, in welcher man entweder bewährt oder nichtbewährt gefunden wird. Nun aber steht dieses Gericht allein Gott zu. Es ist jene Wurfschaufel, womit er auch gegenwärtig seine Tenne reinigt, ich meine die Kirche, indem er den vermengten Fruchthaufen seiner Gläubigen worfelt und den Weizen der Martyrer von der Spreu der Abtrünnigen sondert. Das sind auch die Leitern, von denen Jakob träumt, welche für den einen den Aufstieg zum Höhern, für den andern das Hinabsteigen zur Unterwelt symbolisieren. So kann die Verfolgung auch als der Wettkampf betrachtet werden.3 Von wem wird der Wettkampf angesagt? Nur von dem, welcher die Krone und die Preise aussetzt. Das Edikt in betreff dieses Wettkampfes steht in der Apokalypse; dort liesest du, durch was für Preise Gott zum Triumphe einladet, namentlich diejenigen, welche im eigentlichen Sinne in der Verfolgung gesiegt haben, die in Wahrheit siegreich gekämpft haben, nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Geister der Bosheit. Daher wird man einsehen, dass das Urteil über den Kampf vor denselben, der zum Preise einladet, als vor den Preisrichter gehört. Das ganze, um was es in der Verfolgung sich handelt, ist die Ehre Gottes, der prüft und verwirft, der auflegt und wegnimmt. Was sich aber auf die Ehre Gottes bezieht, das wird doch wohl auch nach seinem Willen eintreffen. Aber wann wird denn lebendiger an Gott geglaubt, als wenn er am meisten gefürchtet wird, als in der Zeit der Verfolgung? Die Kirche ist beängstigt. Alsdann ist auch der Glaube ängstlicher im Handeln und disziplinierter im Fasten, in Stationsfasten, im Gebet, in Verdemütigungen, in gegenseitiger Hingebung und Liebe, in Heiligkeit und Mässigkeit. Denn man hat für nichts Zeit als für die Furcht und die Hoffnung. Folglich zeigt es sich auch darin, dass man sie nicht dem Teufel zuschreiben darf, weil die Diener Gottes durch sie gebessert werden.