20.
„Gewiß ist es“, sagt er, „daß das Leben der Schafe von dem Urteile der Hirten abhängt. Aber wehe denen, die das Gute böse, das Licht Finsternis, das Bittere süß und das Süße bitter nennen!“1 Was er mit diesen Worten sagen will, sehe ich nicht recht ein. Denn wenn, wie du schreibst, ein Römer so spricht, so fastet zu Rom das vom Urteile seines Hirten abhängige Volk mit seinem Bischofe am Sabbat. Wenn er aber deshalb in diesem Sinne an dich geschrieben hat, weil du ihm in deinem Briefe etwas Ähnliches geschrieben hattest, so möge er dich nicht dazu bewegen, das am Sabbat fastende christliche Rom so zu loben, daß du gezwungen wärest, deshalb den christlichen Erdkreis zu verdammen, der am Sabbat Mittag ißt. Denn wenn er sagt: „Wehe denen, die das Gute böse, das Licht Finsternis, das Bittere süß und das Süße bitter nennen!“ und dabei unter dem Guten, dem Licht und dem Süßen das Sabbatfasten, unter dem Bösen, der Finsternis und dem Bitteren aber das Mittagsmahl verstanden wissen will, wem sollte es da nicht klar sein, daß er in allen Christen, die am Sabbate Mittag essen, den gesamten Erdkreis verdammt? Aber er denkt nicht an sich selbst und hat keine Acht auf seine Worte, so daß er gerade mit seiner Abhandlung von solcher Vermessenheit abschreckt. Er fügt nämlich bei: „Niemand beurteile uns also wegen der Speise oder wegen des Trankes“2, was er doch offenbar tut, da er diejenigen in solcher Weise tadelt, die am Sabbate Speise und Trank genießen. Wie leicht hätte ihm hier das Wort in den Sinn kommen können, das derselbe Apostel anderswo spricht: „Wer ißt, verachte nicht den, der nicht ißt, und wer nicht ißt, urteile nicht über den, der ißt!“3 Um Ärgernisse zu vermeiden, sollte er auf diese Art weise Mäßigung im Urteile über Fasten und Nichtfasten am Sabbat einhalten, auf dass S. 125 niemand, der ißt, jenen verachtet, der nicht ißt, und auch der, der nicht ißt, jenen nicht verurteile, der ißt.