IV. 13.
Indessen besteht auch in diesem Leben die Tugend in nichts anderem als in der Liebe zu dem, was zu lieben ist. Dies auserwählen, ist Klugheit, sich davon durch keine Beschwerde abhalten lassen, ist Starkmut, keinem Sinnenreiz nachgeben, ist Mäßigkeit, keinem Stolze, ist Gerechtigkeit. Was anderes aber sollen wir S. 599 uns als vorzüglichsten Gegenstand unserer Liebe auserwählen, wenn nicht das, was als das Beste erfunden wird? Dies ist Gott, und wenn wir in der Liebe ihm etwas vorziehen oder gleichsetzen, so verstehen wir nicht, uns selbst zu lieben. Denn um so besser ergeht es uns, je mehr wir in den eingehen, der das Beste ist. Nicht mit leiblichen Schritten aber gehen wir in ihn ein, sondern durch die Liebe. Um so mehr werden wir seine Gegenwart besitzen, je reiner die Liebe ist, die wir gegen ihn hegen und mit der wir nach ihm streben; denn Gott hat keine leibliche Ausdehnung und keine leiblichen Schranken. Zu ihm also, der überall gegenwärtig und überall ganz ist, kann man nicht mit den Füßen, sondern nur mit dem Herzen gehen. Unser Herz ist aber nicht nach dem zu beurteilen, was jemand weiß, sondern nach dem, was er liebt. Auch wird das Herz nur gut oder böse durch gute oder böse Liebe. Sind wir also böse, so sind wir von der Gerechtigkeit Gottes weit entfernt; durch Liebe zur Gerechtigkeit aber bessern wir uns, so daß wir als Gerechte dem Gerechten anzugehören vermögen.