12.
Wir führen dies an wegen derjenigen, die bei der Gnadenlehre zwar die unerforschlichen Ratschlüsse Gottes nicht begreifen können, warum nämlich Gott aus dem Stoffe Adams, der doch durch den einen Adam ganz der Verdammnis anheimgefallen ist, das eine Gefäß zur Ehre, das andere zur Schmach erschaffe, aber doch die kleinen Kinder als eigener Sünden schuldig hinzustellen wagen. Als ob es denkbar wäre, daß sie, die weder Gutes noch Böses zu denken vermögen, durch den freien Willen sich die Strafe oder die Gnade verdienen könnten, während doch die apostolische Wahrheit durch das Wort: „Durch einen sind alle in Verdammnis gekommen“1 deutlich genug zeigt, daß sie im Zustande der Strafe geboren und deshalb nicht aus Verdienst, sondern aus Barmherzigkeit in der Gnade wiedergeboren werden. Denn die Gnade wäre nicht mehr Gnade, wenn sie nicht durch Gottes Werk freiwillig gegeben, sondern für menschliches Verdienst als Lohn gegeben würde. Da die Strafe in Adam von allen verschuldet ist, die Gnade aber durch den einen Jesus Christus niemandem geschuldet, sondern unverdient gegeben wird, damit sie wahrhaft Gnade sei, so befreit sie allein in solcher Weise von der Strafe, daß die Gerichte Gottes, so wie Gott selbst, unerforschlich sein können; Gott rettet nämlich selbst die kleinen Kinder, obwohl sie sich durch keine Verdienste von anderen unterscheiden, ungerecht aber nicht sein können, da „alle Wege Gottes Barmherzigkeit und Wahrheit sind“2. Wenn darum dem einen die Gnade der Erbarmung zugewandt wird, so hat er keinen Grund, sich eines menschlichen Verdienstes zu rühmen; denn sie ist ihm nicht um seiner Werke willen verliehen worden, damit niemand S. 640 etwa sich selbst erhebe. Wenn aber dem anderen die verdiente Strafe zuteil wird, so hat er kein Recht, sich zu beklagen. Er empfängt, was der Sünde von Rechts wegen gebührt; denn der eine, in dem alle gesündigt haben, wird auch in jedem einzelnen bestraft. Bei der Bestrafung dieser zeigt es sich dann noch deutlicher, was durch die nicht verdiente, sondern wahrhafte, d. h. umsonst gegebene Gnade verliehen wird.