15.
Der Völkerapostel bezeugt also in Treue und Wahrhaftigkeit, daß diese noch ungeborenen Zwillinge nichts Gutes und nichts Böses getan haben, damit man die Gnade Gottes erkenne, damit man verstehe, das Wort: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ sei nicht um der Werke willen, sondern wegen des Berufenden gesagt, damit der nach Auswahl getroffene Ratschluß Gottes bestehe und nicht das Verdienst des Menschen den Vorrang habe. Denn er spricht nicht von einer Wahl des menschlichen Willens oder der Natur, da beide in gleicher Weise dem Tode und der Verdammnis verfallen waren, sondern ohne Zweifel von einer Wahl der Gnade, die nicht schon solche vorfindet, die zu wählen sind, sondern solche schafft. Von dieser Gnadenwahl spricht er auch im weiteren Verlaufe desselben Briefes mit den Worten: „So ist also auch in dieser Zeit der Überrest durch Gnadenwahl gerettet worden. Wenn aber aus Gnade, dann nicht durch Werke, sonst ist die S. 642 Gnade nicht mehr Gnade“1. Mit dieser Stelle stimmt jene hinreichend überein, die da lautet, daß es nicht um der Werke willen, sondern wegen des Berufenden heiße: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“ Mit welcher Stirne also kann man den (vorgeblichen) freien Willen der Kinder und (vorgebliche) Handlungen noch Ungeborener zu einem Einwurf gegen den erhabensten Lobredner der Gnade gebrauchen? Warum behauptet man, daß der Gnade Verdienste vorausgehen, da sie gar keine Gnade wäre, wenn sie nach Verdienst erteilt würde? Warum streitet man zwar scharfsinnig, fließend und gewandt, aber kaum mehr christlich gegen das Heil, das den Verlorenen gesendet wurde und für die Unwürdigen gekommen ist?
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Röm. 11, 5 und 6. ↩