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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Augustine of Hippo (354-430) Vier Bücher über die christliche Lehre (BKV)
2. Buch

28. Kapitel: Der Nutzen der Geschichtswissenschaft

S. 8842. Alles, was die sogenannte Geschichtswissenschaft von der Ordnung der vergangenen Zeiten angibt, ist ein sehr wirksames Hilfsmittel zum Verständnis der heiligen Bücher, selbst wenn es außerhalb der Kirche im Schulunterricht gelehrt wird. Durch die Olympiaden und die Konsulnamen erhalten wir z. B. oft über viele Dinge Aufschluß; und die Unkenntnis des Konsulates, unter dem der Herr geboren wurde und gelitten hat, gab einigen Historikern Anlaß zu dem Irrtum, der Herr habe in einem Alter von sechsundvierzig Jahren gelitten, weil die Juden an ihrem Tempel, der doch ein Vorbild des Leibes unseres Herrn war, gerade so viele Jahre gebaut haben sollen1. Daß der Herr ungefähr in einem Alter von dreißig Jahren getauft worden ist, das wissen wir wohl aus dem Bericht des Evangeliums2; aber wie viele Jahre er nachher noch gelebt hat, das kann man zunächst zwar nur aus dem Zusammenhang seiner Taten erfahren; um aber nun jeden dunklen Zweifel von irgendeiner Seite her auszuschließen, vergleicht man die Weltgeschichte mit dem Evangelium, und der wirkliche Sachverhalt läßt sich sofort viel klarer und sicherer erschließen. Man wird nämlich dann sehen, daß die Angabe, der Tempel sei in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, keine vergebliche ist: man darf diese Zahl zwar nicht auf das Alter des Herrn beziehen, wohl aber auf die geheime Erbauung des menschlichen Leibes, den der eingeborene Sohn Gottes, durch den alles gemacht worden ist3, unseretwegen anzuziehen nicht verschmäht hat.

43. Um den Nutzen der Geschichte zu beweisen, will ich von den Griechen ganz absehen: hat ja doch auch unser (lateinischer Kirchenvater) Ambrosius eine bedeutsame geschichtliche Frage für die verleumderischen Leser und Freunde des Plato gelöst. Diese Leute S. 89wagten die Behauptung aufzustellen, all die Aussprüche unseres Herrn Jesus Christus, denen auch sie ihre volle Bewunderung nicht versagen können, habe Christus einfach aus den Büchern des Plato gelernt: habe ja doch dieser Philosoph schon lange vor der fleischlichen Ankunft des Herrn gelebt. Hat sich da nicht der oben erwähnte Bischof Einblick in die Geschichte der Völker verschafft und, da er fand, Plato sei zu den Zeiten des Propheten Jeremias nach Ägypten, dem damaligen Aufenthaltsort des Propheten, gereist, es für wahrscheinlicher zu machen gewußt, daß Plato sein Wissen eher von Jeremias bezogen hat, so daß er das, was an seiner Lehre mit Recht gelobt wird, recht wohl schreiben konnte4? Denn nicht einmal Pythagoras5, von dessen Nachfolgern doch nach ihrer eigenen Behauptung Plato erst sein Wissen von göttlichen Dingen lernte, lebte vor der Abfassung der Schriften des hebräischen Volkes, in dem die Verehrung des einen Gottes leuchtete und aus dem der Herr seinem Fleische nach hervorging. Betrachtet man so die Aufeinanderfolge der Zeiten, dann wird doch die Ansicht, die Heiden hätten das, was sie Gutes und Wahres zu sagen hatten, aus unseren Schriften genommen, viel wahrscheinlicher als der höchst unsinnige Glaube von einer Abhängigkeit unseres Herrn Jesus Christus von Plato.

44. Obgleich nun durch die Geschichtserzählung auch die vergangenen menschlichen Einrichtungen überliefert werden, so ist die Geschichte selbst doch nicht unter die menschlichen Einrichtungen zu zählen. Denn was schon vorüber ist und nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, das gehört unwiderruflich der Reihenfolge der Zeiten an, deren Begründer und Ordner S. 90Gott ist. Denn bloß zu erzählen, was geschehen ist, ist etwas ganz anderes als anzugeben, was geschehen solle. So erzählt die Geschichte getreulich und zu unserem Nutzen die geschehenen Tatsachen, die Bücher der Haruspices dagegen und ähnliche schriftliche Erzeugnisse wollen nicht nur mit der schlichten Treue des bloßen Erzählers, sondern mit der Anmaßung eines Ratgebers darüber belehren, was zu tun und zu beachten ist.


  1. Vgl. Joh. 2, 20. ↩

  2. Luk. 3, 23. ↩

  3. Joh. 1, 3. ↩

  4. In seinen retractationes (II, 4, 2) sagt der heilige Augustinus über diese Stelle: „Wenn ich einmal sagte, der heilige Ambrosius habe insofern eine weltgeschichtliche Frage gelöst, als seien Plato und Jeremias Zeitgenossen gewesen, so hat mich hierin mein Gedächtnis getäuscht.“ Die Lebenszeit des Jeremias wird von 628—587 vor Christus angesetzt, während Plato von 429-348 lebte. ↩

  5. Pythagoras lebte von ungefähr 580 bis gegen 500 v. Chr. ↩

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