10.
„Was suchet ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi (was soviel heißt als Lehrer), wo wohnst du? Er sprach zu ihnen: Kommet und sehet. Und sie kamen und sahen, wo er wohnte, und sie blieben bei ihm an jenem Tage; es war aber um die zehnte Stunde.“ Glauben wir, dem Evangelisten sei nichts daran gelegen, uns zu sagen, die wievielte Stunde es war? Ist es möglich, daß er wollte, wir sollten dabei auf nichts achten, nichts suchen? Es war die zehnte Stunde. Diese Zahl bedeutet das Gesetz, weil in zehn Geboten das Gesetz gegeben wurde. Es war aber die Zeit gekommen, daß das Gesetz aus S. 120 Liebe erfüllt werden sollte, weil es von den Juden nicht aus Furcht erfüllt werden konnte. Darum sagt der Herr: „Ich bin nicht gekommen das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen“1. Mit Recht also folgen ihm jene beiden um die zehnte Stunde auf das Zeugnis des Freundes des Bräutigams, und um die zehnte Stunde hörte er: „Rabbi“, was so viel als Lehrer heißt. Wenn um die zehnte Stunde der Herr „Rabbi“ hörte, und die Zahl „zehn“ sich auf das Gesetz bezieht, so ist der Lehrer des Gesetzes kein anderer als der Geber des Gesetzes. Es sage niemand: Ein anderer hat das Gesetz gegeben und ein anderer lehrt das Gesetz. Und Barmherzigkeit ist auf seiner Zunge, darum lehrt er barmherzig das Gesetz, wie es von der Weisheit heißt: „Gesetz aber in Barmherzigkeit trägt sie auf der Zunge“2. Fürchte nicht, du möchtest das Gesetz nicht erfüllen können, nimm die Zuflucht zur Barmherzigkeit. Wenn es zu viel wird, das Gesetz zu erfüllen, bediene dich jenes Vertrages, bediene dich der Handschrift, bediene dich der Bitten, die dir der himmlische Rechtskundige aufsetzte und abfaßte.