4.
Bei diesem verdrehten und verkehrten Maßstab seines Geistes möge der Häretiker uns hören, wobei wir noch nicht tadeln, sondern gleichsam noch untersuchen, und möge uns klarmachen, was er meint. Denn ich glaube, wer immer du auch seiest (stellen wir uns nämlich vor, er stehe gewissermaßen vor uns da), du hältst mit uns daran fest, daß „im Anfang das Wort war“. Dies halte ich fest, sagt er. Und daß „das Wort bei Gott war“? Auch dies, sagt er, halte ich fest. Geh nun weiter und halte recht fest, daß „das Wort Gott war“. Auch dies, sagt er, halte ich fest; aber dieser Gott ist größer, jener Gott kleiner. Das riecht nun schon so nach etwas Heidnischem; ich glaubte aber mit einem Christen zu reden. Wenn es einen größeren Gott gibt und einen kleineren S. 304 Gott, so verehren wir zwei Götter, nicht einen Gott. Warum? sagt er. Redest du nicht auch von zwei Göttern, die einander gleich sind. Das sage ich nicht; denn die Gleichheit verstehe ich so, daß ich darunter unzertrennliche Liebe verstehe, und wenn eine unzertrennliche Liebe, dann eine vollkommene Einheit1. Denn wenn die Liebe, welche Gott den Menschen gesandt hat, aus vielen Menschenherzen ein Herz und aus vielen Menschenseelen eine Seele macht, wie von den Gläubigen und sich gegenseitig Liebenden in der Apostelgeschichte geschrieben steht: „Sie waren eine Seele und ein Herz in Gott“2; wenn also meine Seele und deine Seele, indem wir das Gleiche meinen und einander lieben, eine Seele wird, um wieviel mehr ist Gott der Vater und Gott der Sohn im Urquell der Liebe ein Gott?
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Augustin will damit keine bloß moralische Einheit zwischen den göttlichen Personen lehren, denn „die vollkommene Einheit“ ist in Gott die substanzielle oder wesentliche. Vgl. De Trinitate lib. 9, und Gangauf, Des heiligen Augustinus spekulative Lehre von Gott dem Dreieinigen. Augsburg 1865, S. 240 ff. ↩
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Apg. 4, 32. ↩