2.
Worin aber diese Rede ihren Ursprung hat, ist euch erinnerlich aus dem, was dem Lesestück vorausgegangen ist, wo nämlich der Herr einen von jenen geheilt hatte, die in den fünf Hallen des Salomonischen Teiches lagen. Zu diesem hatte er gesagt: „Nimm dein Bett und geh in dein Haus“. Dies hatte er aber an einem Sabbat getan, weshalb die Juden, darüber beunruhigt, ihn gleichsam als einen Zerstörer und Übertreter des Gesetzes verleumdeten. Da sagte er zu ihnen: „Mein S. 340 Vater wirkt bis jetzt, auch ich wirke“1. Jene nämlich meinten, da sie die Beobachtung des Sabbats fleischlich auffaßten, daß Gott nach dem Werke der Welterschaffung bis auf diesen Tag gleichsam schlafe, und darum habe er jenen Tag geheiligt, an dem er gewissermaßen von seinen Arbeiten zu ruhen anfing. Es ist aber das Geheimnis des Sabbats unsern Altvätern vorgeschrieben worden, und wir Christen beobachten es geistiger Weise, indem wir uns von aller knechtlichen Arbeit, d. h. von jeder Sünde ― denn der Herr sagt: „Jeder, der Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“2 ― enthalten und Ruhe haben in unserm Herzen, d. i. geistige Ruhe. Und obwohl wir in dieser Welt danach streben, so werden wir doch zu jener vollkommenen Ruhe erst dann gelangen, wenn wir aus diesem Leben geschieden sind. Allein es heißt deshalb, der Herr habe geruht, weil er kein Geschöpf mehr hervorbrachte, nachdem alles vollendet war. Ruhe aber nannte es die Schrift, um uns daran zu erinnern, daß wir nach den guten Werken ruhen werden. Denn so lesen wir in der Genesis: „Und Gott machte alles sehr gut, und Gott ruhte am siebenten Tage“3, damit du, o Mensch, wenn du siehst, daß selbst Gott (erst) nach den guten Werken geruht habe, für dich keine Ruhe erwartest, außer nachdem du Gutes gewirkt, und, wie Gott, nachdem er den Menschen nach seinem Bilde und Gleichnisse am sechsten Tage gemacht und mit ihm alle seine so guten Werke vollendet hatte, am siebenten Tage ruhte, so auch du keine Ruhe für dich erhoffest, außer wenn du zurückkehrst zu dem Gleichnisse, in dem du erschaffen wurdest, und das du durch die Sünde verloren hast. Denn von Gott kann man nicht sagen, er habe gearbeitet, er, der nur sprechen durfte, und alles ist geworden. Wer wird wohl, nachdem er das Werk mit solcher Leichtigkeit vollbracht, ruhen wollen? Allerdings wenn er befahl und es widerstand ihm jemand, wenn er befahl und es geschah nicht, und wenn er, damit es geschieht, arbeiten mußte, dann mag man mit S. 341 Recht von ihm sagen, er habe nach der Arbeit geruht. Da wir aber in dem Buche der Genesis selbst lesen: „Gott sprach: es werde Licht, und es ward Licht; Gott sprach: es werde das Firmament, und es ward das Firmament“4, und das übrige, was auf sein Wort sogleich entstand, womit übereinstimmt der Psalmist, indem er sagt: „Er sprach und es ward; er befahl, und es entstand“5: wie konnte der nach Erschaffung der Welt Ruhe verlangen, gleichsam um zu rasten, der beim Befehlen sich nicht abgemüht hatte? Also hat jenes eine mystische Bedeutung und ist deshalb so hingestellt, damit wir für uns Ruhe erhoffen, aber nur wenn wir gute Werke getan. Darum sprach der Herr, indem er die Keckheit und den Irrtum der Juden zurückwies und ihnen zeigte, daß sie nicht richtig von Gott dächten, zu denen, die sich ärgerten, daß er am Sabbat die Menschen gesund machte: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“; glaubet also nicht, mein Vater habe am Sabbat so geruht, daß er seitdem nicht mehr wirke; aber wie er selbst jetzt wirkt, so wirke auch ich. Allein wie der Vater ohne Mühe (wirkt), so (wirkt) auch der Sohn ohne Mühe. Gott sprach, und es geschah; Christus sprach zu dem Kranken: „Nimm dein Bett und geh in dein Haus“, und es geschah.