5.
Aber abgesehen von diesem moralischen Sinn S. 809 erinnern wir uns, daß wir die Erhabenheit dieser Handlung des Herrn so erklärt haben, durch das Waschen der Füße der schon gewaschenen und reinen Jünger habe der Herr wegen der menschlichen Neigungen, mit denen wir auf Erden leben, angedeutet, daß wir trotz allen Fortschritts in der Ergreifung der Gerechtigkeit wissen sollen, wir seien nicht ohne Sünde. Diese wäscht er sogleich ab durch seine Fürbitte für uns, indem wir den Vater bitten, der im Himmel ist, daß er uns unsere Schulden vergebe, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern1. Wie nun hängt mit dieser Auffassung zusammen, was er nachher lehrte, wo er den Grund seiner Handlung angab mit den Worten: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, eure Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr einander die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß ihr, wie ich euch getan habe, so auch ihr tut“? Können wir etwa sagen, daß auch ein Bruder den andern von der Befleckung der Sünde wird reinigen können? Ja sogar eine Aufforderung dazu sollen wir in der Erhabenheit dieser Handlung des Herrn erblicken, daß wir unsere Sünden einander bekennen und für einander beten sollen, wie auch Christus für uns bittet2. Hören wir den Apostel Jakobus, der dies ganz klar vorschreibt und sagt: „Bekennet einander eure Sünden und betet für einander“3. Denn auch hierzu gab uns der Herr ein Beispiel. Wenn nämlich er, der eine Sünde weder hat noch hatte noch haben wird, für unsere Sünden bittet, um wieviel mehr müssen wir gegenseitig für die unserigen bitten! Und wenn er uns vergibt, dem wir nichts zu vergeben haben, um wieviel mehr müssen wir einander vergeben, die wir hier ohne Sünde nicht leben können? Denn was gibt wohl der Herr durch dieses bedeutsame Geheimnis zu verstehen, wenn er sagt: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß, wie ich euch getan habe, so auch ihr tut“, als eben dies, was der Apostel ganz deutlich sagt: „Vergebet einander, wenn einer gegen jemand eine Klage hat; wie S. 810 der Herr euch vergeben hat, so auch ihr!“4 Vergeben wir uns also gegenseitig unsere Sünden und beten wir gegenseitig für unsere Sünden, und so mögen wir dann gewissermaßen einander unsere Füße waschen. An uns ist es, mit seiner Hilfe den Dienst der Liebe und Demut zu leisten; an ihm ist es, zu erhören und uns von aller Ansteckung der Sünde zu reinigen durch Christus und in Christus, damit, was wir andern auch vergeben d. h. auf Erden lösen, im Himmel gelöst werde.