20. Kapitel
34. Jenes Volk wurde also nach Ägypten gebracht und diente dort einem höchst grausamen König.1 Und nachdem es durch die Schule härtester Leiden gegangen war, suchte es in Gott seinen Befreier: Und es wurde ihnen einer aus dem eigenen Volk gesandt, der heilige Diener Gottes Moses, der dann in der Kraft Gottes das gottlose Volk der Ägypter mit gewaltigen Wundertaten in Schrecken versetzte und darauf das Volk Gottes durch das Rote Meer aus Ägypten herausführte;2 dort aber teilte sich das Wasser und gewährte ihnen freien Durchgang. Als aber die Ägypter sich auf die Verfolgung machten, versanken sie in den zurückschlagenden Fluten und gingen zugrunde.3 Wie nun bei der Sintflut die Erde S. 68 mit Hilfe des Wassers von den nichtsnutzigen Sündern gereinigt wurde, die damals in jener Überschwemmung umkamen, die Gerechten aber mit Hilfe des Holzes entkamen, so fand das Volk Gottes bei seinem Auszug aus Ägypten den Weg durch dieselben Wassermassen, in denen seine Feinde vernichtet wurden. Und auch hier fehlte das Holz als Symbol des Heiles nicht: Moses schlug nämlich mit dem Stab auf das Wasser, damit jenes Wunder eintrat.4 Beide Vorgänge sind Sinnbilder für die heilige Taufe, durch die die Gläubigen ins neue Leben hinübergehen,5 wobei ihre Sünden wie Feinde vernichtet werden und sterben. Noch deutlicher aber wurde das Leiden Christi in jenem Volk modellhaft vorgebildet, als es den Befehl erhielt, ein Schaf zu schlachten, es zu essen, mit seinem Blut die Türpfosten zu bezeichnen und dieses Ereignis jedes Jahr zu feiern und es »Pascha des Herrn« zu nennen.6 Ganz klar sagt ja die Prophetie von unserem Herrn Jesus Christus, daß er »wie ein Schaf zur Opferung geführt wurde«.7 Mit dem Zeichen seines Leidens und seines Kreuzes wirst du heute auf der Stirne gleichsam wie auf einem Türpfosten bezeichnet werden, und alle Christen werden bei ihrem Eintritt damit bezeichnet.
35. Darauf wurde jenes Volk während vierzig Jahren durch die Wüste geführt.8 Es empfing auch das Gesetz, das mit dem »Finger Gottes« 9geschrieben war, ein Ausdruck, der den Heiligen Geist versinnbildlicht, wie es im Evangelium ganz deutlich bezeugt ist.10 Gott hat nämlich keine Begrenzung nach Art eines Körpers, und bei ihm dürfen wir uns Gliedmaßen und Finger nicht so vorstellen, wie wir sie S. 69 bei uns sehen. Weil nun aber die Gaben Gottes durch den Heiligen Geist unter den Heiligen so aufgeteilt werden, daß sie zwar in verschiedene Richtungen wirken, sich aber nicht vom Einheitsband der Liebe loslösen,11 weil andererseits bei den Fingern besonders augenscheinlich ist, wie sie zwar geteilt, aber doch nicht vom Ganzen losgelöst sind, aus dieser oder einer ähnlichen Vorstellung heraus wurde der Heilige Geist der Finger Gottes genannt, wobei wir nicht an die Gestalt des menschlichen Körpers denken dürfen, wenn wir den Ausdruck hören.
Jenes Volk empfing also das Gesetz, das mit dem Finger Gottes geschrieben war, und zwar auf steinernen Tafeln,12 was die Härte ihres Herzens versinnbildlichen sollte,13 weil sie ja das Gesetz nicht erfüllen würden. Da sie nämlich vom Herrn nur irdische Güter ersehnten, waren sie mehr von der fleischlichen Furcht als von der geistigen Liebe geleitet; doch nur die Liebe erfüllt das Gesetz.14 Deshalb wurde ihnen eine Vielzahl von äußerlichen rituellen Handlungen aufgebürdet, die sie in ein Sklavenjoch einspannten:15 Die Beobachtung von Speisegesetzen, Tieropfer und zahllose weitere Dinge dieser Art. Doch besaßen alle diese Handlungen Sinnbildcharakter und wiesen auf Geistiges hin, nämlich auf Jesus Christus und seine Kirche. Sie wurden damals nur von wenigen Heiligen sowohl in ihrer Heilsbedeutung verstanden als auch der Zeit entsprechend beobachtet; von der Masse der fleischlich Gesinnten aber wurden sie nur beobachtet, nicht aber verstanden.
36. Durch zahllose und mannigfaltige Vorkommnisse, welche die kommende Wirklichkeit versinnbildlichten – sie alle S. 70 aufzuzählen würde zu weit führen, und wir sehen sie gegenwärtig in der Kirche in Erfüllung gehen –, wurde also jenes Volk in das Land der Verheißung geführt, um dort eine zeitliche und fleischliche Herrschaft zu errichten, wie es seiner Sehnsucht entsprach. Aber auch dieses irdische Reich war ein Modell für das geistige Reich. Hier nun wurde Jerusalem gegründet, jene hochberühmte Stadt Gottes, welche in ihrer Unfreiheit als Sinnbild diente für die freie Stadt, genannt das »himmlische Jerusalem«:16 Dieser Name ist hebräisch und bedeutet »Schau des Friedens«. Bürger dieser Stadt sind alle geheiligten Menschen, jene, die waren, die sind und die sein werden; und auch alle geheiligten Geister, auch die, welche in den obersten Regionen des Himmels Gott in frommer Hingabe gehorchen und nicht dem gottlosen Stolz des Teufels und seiner Engel nachfolgen. König dieser Stadt ist der Herr Jesus Christus, das Wort Gottes, das die höchsten Engel regiert, das Wort, das Menschennatur annahm,17 um auch über die Menschen zu herrschen, die alle zusammen mit ihm in ewigem Frieden herrschen werden. Als modellhaftes Vorbild dieses Königs ragte in jenem irdischen Reich des Volkes Israel besonders König David heraus, aus dessen Nachkommenschaft dem Fleische nach18 einmal der Herr Jesus Christus, unser eigentlicher König, hervorgehen sollte, »der über allem steht als Gott, gepriesen in Ewigkeit«.19 Vieles was in jenem Land der Verheißung sich ereignete, geschah modellhaft für den kommenden Christus und seine Kirche; aus den Heiligen Büchern kannst du dies alles im Lauf der Zeit kennenlernen.
-
Vgl. Ex 1,8 ff. ↩
-
Vgl. Ex 7,1 ff. ↩
-
Vgl. Ex 14,18 ff. ↩
-
Vgl. Ex 14,16. ↩
-
Vgl. Röm 6,4. ↩
-
Vgl. Ex 12. ↩
-
Jes 53,7. ↩
-
Vgl. Ex 16,35. ↩
-
Ex 31,18. ↩
-
Vgl. Lk 11,30; Mt 12,28. ↩
-
Vgl. 1 Kor 12,4-11. ↩
-
Vgl. 2 Kor 3,3. ↩
-
Vgl. Mt 19,8. ↩
-
Vgl. Röm 13,10. ↩
-
Vgl. Gal 5,1. ↩
-
Vgl. Hebr 12,22. ↩
-
Vgl. Joh 1,14. ↩
-
Vgl. Röm 1,3. ↩
-
Röm 9,5. ↩