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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
27. Sein, Wissen und die Liebe zu beiden.
In der Tat, das Sein ist mit einer Art natürlicher Wucht so sehr eine Annehmlichkeit, daß nur deshalb Band 16, S. 628selbst die Unglücklichen nicht zugrunde gehen wollen und im Gefühl ihres Unglücks zwar das Unglück hinwegwünschen, nicht aber sich selbst von der Welt. Sogar die, welche sich ganz unselig dünken und es auch wirklich sind und nicht nur als Toren von den Weisen, sondern auch als armes Bettelvolk von denen, die sich glücklich dünken, für unselig erachtet werden, würde ihnen eine Unsterblichkeit verliehen, bei der auch ihr Elend nicht aufhörte, und ihnen die Wahl gelassen, entweder in solchem Elend immerdar oder überhaupt nicht und nirgends zu existieren, sondern gänzlich zu verschwinden: sie würden wahrlich aufjauchzen vor Freude und es vorziehen, auf immer in diesem Zustand als überhaupt nicht zu existieren. Dafür gibt Zeugnis die hinlänglich bekannte Sinnesart solcher Unglücklichen. Denn warum sonst fürchten sie den Tod und wollen lieber in solcher Mühseligkeit leben, als ihr durch den Tod ein Ziel setzen, wenn nicht deshalb, weil klar zutage liegt, wie sehr die Natur vor dem Nichtsein zurückschreckt? Und so wünschen sie sich sehnlich und wie eine große Wohltat, obwohl sie wissen, daß sie sterben werden, den Gnadenerweis, etwas länger in ihrem Elend leben und langsamer sterben zu dürfen. Damit geben sie doch unzweideutig zu verstehen, mit welcher Freude sie Unsterblichkeit entgegennehmen würden, wäre es auch eine solche, die ihre Armseligkeit verewigte. Und wie, geben nicht auch alle vernunftlosen Lebewesen, die derlei Erwägungen nicht anstellen können, von den Drachenungeheuern bis herab zum kleinsten Wurm, durch Bewegungen, so gut sie deren nur fähig sind, zu erkennen, daß sie existieren wollen und deshalb der Vernichtung ausweichen? Und die Bäume und alle Gesträuche, die kein Organ haben, drohendem Verderben durch augenscheinliche Bewegung aus dem Wege zu gehen, senken sie nicht, um die sprossende Krone gesichert in die Lüfte zu strecken, einen andern Teil als Wurzel in die Erde, womit sie Nahrung ziehen und das ihnen eigene Sein behaupten? Und schließlich selbst jene körperlichen Wesen, denen nicht nur jedes Sinnesorgan, sondern auch gar alles Keimleben mangelt, haben doch ihre bestimmte Art, in die Höhe zu streben oder in die Tiefe Band 16, S. 629zu steigen oder in der Mitte zu schweben, um so ihre Existenz da, wo sie naturgemäß existieren können, zu sichern.
Wie sehr man nun erst das Wissen liebt und welchen Widerwillen die menschliche Natur gegen die Täuschung hat, läßt sich schon daraus erkennen, daß jedermann Trauer bei gesundem Geiste der Freude in Geistesgestörtheit vorzieht. Diese mächtige und wunderbare Fähigkeit ist unter allen sterblichen Lebewesen allein dem Menschen eigen; wenn auch manche von ihnen einen viel schärferen Gesichtssinn haben zum Schauen des körperlichen Lichtes, zu dem unkörperlichen Licht vermögen sie doch nicht vorzudringen, durch das unser Geist gleichsam bestrahlt wird, so daß wir über all das richtig urteilen können. Denn insoweit wir dieses Licht erfassen, sind wir zu solchem Urteil fähig. Jedoch findet sich in den Sinnen der vernunftlosen Lebewesen, wenn auch kein Wissen in irgendeiner Weise, so doch immerhin etwas dem Wissen Ähnliches. Die übrigen körperhaften Wesen aber heißen nur deshalb Sinneswesen, weil sie auf die Sinne einwirken, nicht als ob sie selbst Sinne hätten. Unter ihnen zeigt sich wiederum bei den Pflanzen insofern etwas den Sinnen Ähnliches, als sie sich nähren und fortpflanzen. Übrigens haben sie und alle körperlichen Dinge ihre in der Natur verborgenen Ursachen; ihre Formen jedoch, durch die der sichtbare Bau dieser Welt sich formenschön gestaltet, bieten sie den Sinnen zur Wahrnehmung dar, so daß sie, wie zum Ersatz für das ihnen mangelnde Wissen, Gegenstand des Wissens sein zu wollen scheinen. Wir aber erfassen sie zwar mit dem leiblichen Sinne, urteilen aber darüber nicht mit dem leiblichen Sinne. Denn wir besitzen noch einen anderen, über diesen weit erhabenen Sinn, den Sinn des inneren Menschen, kraft dessen wir das Rechte und das Unrechte empfinden, das Rechte an der Übereinstimmung mit der übersinnlichen Form, das Unrechte an der Abweichung davon. Dieser Sinn betätigt sich, ohne daß er der Schärfe des Auges bedürfte oder der Ohröffnung oder des Einatmens durch die Nase oder des Geschmackes im Gaumen oder irgendeiner körperlichen Berührung. In ihm bin ich gewiß, daß ich bin und Band 16, S. 630daß ich das weiß; in ihm liebe ich Sein und Bewußtsein und bin ich auch darüber gewiß, daß ich dies liebe.
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The City of God
Chapter 27.--Of Existence, and Knowledge of It, and the Love of Both.
And truly the very fact of existing is by some natural spell so pleasant, that even the wretched are, for no other reason, unwilling to perish; and, when they feel that they are wretched, wish not that they themselves be annihilated, but that their misery be so. Take even those who, both in their own esteem, and in point of fact, are utterly wretched, and who are reckoned so, not only by wise men on account of their folly, but by those who count themselves blessed, and who think them wretched because they are poor and destitute,--if any one should give these men an immortality, in which their misery should be deathless, and should offer the alternative, that if they shrank from existing eternally in the same misery they might be annihilated, and exist nowhere at all, nor in any condition, on the instant they would joyfully, nay exultantly, make election to exist always, even in such a condition, rather than not exist at all. The well-known feeling of such men witnesses to this. For when we see that they fear to die, and will rather live in such misfortune than end it by death, is it not obvious enough how nature shrinks from annihilation? And, accordingly, when they know that they must die, they seek, as a great boon, that this mercy be shown them, that they may a little longer live in the same misery, and delay to end it by death. And so they indubitably prove with what glad alacrity they would accept immortality, even though it secured to them endless destruction. What! do not even all irrational animals, to whom such calculations are unknown, from the huge dragons down to the least worms, all testify that they wish to exist, and therefore shun death by every movement in their power? Nay, the very plants and shrubs, which have no such life as enables them to shun destruction by movements we can see, do not they all seek in their own fashion to conserve their existence, by rooting themselves more and more deeply in the earth, that so they may draw nourishment, and throw out healthy branches towards the sky? In fine, even the lifeless bodies, which want not only sensation but seminal life, yet either seek the upper air or sink deep, or are balanced in an intermediate position, so that they may protect their existence in that situation where they can exist in most accordance with their nature.
And how much human nature loves the knowledge of its existence, and how it shrinks from being deceived, will be sufficiently understood from this fact, that every man prefers to grieve in a sane mind, rather than to be glad in madness. And this grand and wonderful instinct belongs to men alone of all animals; for, though some of them have keener eyesight than ourselves for this world's light, they cannot attain to that spiritual light with which our mind is somehow irradiated, so that we can form right judgments of all things. For our power to judge is proportioned to our acceptance of this light. Nevertheless, the irrational animals, though they have not knowledge, have certainly something resembling knowledge; whereas the other material things are said to be sensible, not because they have senses, but because they are the objects of our senses. Yet among plants, their nourishment and generation have some resemblance to sensible life. However, both these and all material things have their causes hidden in their nature; but their outward forms, which lend beauty to this visible structure of the world, are perceived by our senses, so that they seem to wish to compensate for their own want of knowledge by providing us with knowledge. But we perceive them by our bodily senses in such a way that we do not judge of them by these senses. For we have another and far superior sense, belonging to the inner man, by which we perceive what things are just, and what unjust,--just by means of an intelligible idea, unjust by the want of it. This sense is aided in its functions neither by the eyesight, nor by the orifice of the ear, nor by the air-holes of the nostrils, nor by the palate's taste, nor by any bodily touch. By it I am assured both that I am, and that I know this; and these two I love, and in the same manner I am assured that I love them.