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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
43. Von den Zeiten des Moses, des Jesus Nave, der Richter und sodann der Könige, von denen Saul zwar der erste ist, David aber seiner geheimnisvollen Bedeutung und seinem Verdienste nach als der hervorragendste gilt.
Nach Jakobs Tode und nachdem auch Joseph dahingegangen war, wuchs jenes Volk in den weiteren 144 Jahren bis zum Auszug aus dem Land Ägypten in unglaublichem Maße an, trotz aller Bedrängnis durch Verfolgungen, wobei selbst die männliche Nachkommenschaft einmal dem Tode verfiel, weil die staunenden Ägypter über so unerhörte Zunahme ihres Gastvolkes in Schrecken gerieten1. Damals kam Moses, den Mördern der Kleinen heimlich entzogen, da Gott Gewaltiges durch ihn vorbereitete, in den königlichen Palast und wurde von der Tochter des Pharao [so hießen in Ägypten alle Könige]aufgezogen und an Kindesstatt angenommen und entwickelte sich zu einem so bedeutenden Manne, daß er, oder vielmehr durch ihn Gott, der dies dem Abraham verheißen hatte, das wunderbar vermehrte Volk von dem überharten und drückenden Knechtschaftsjoch befreite, das es dort zu tragen hatte. Zunächst jedoch floh er von Hof, weil er zum Schutz eines Israeliten einen Ägypter erschlagen hatte und darüber bedroht wurde2, dann aber überwand er in göttlicher Sendung in der Kraft des Geistes Gottes die sich entgegenstellenden Magier des Pharao. Damals wurden durch ihn über die Ägypter, da sie das Volk Band 16, S. 951Gottes nicht ziehen lassen wollten, zehn denkwürdige Plagen verhängt, zunächst die Verwandlung des Wassers in Blut, sodann Frösche und Mücken, Fliegen, Fall des Viehes, Geschwüre, Hagel, Heuschrecken, Finsternis, Tod aller Erstgeburt3. Und zuletzt wurden die Ägypter bei der Verfolgung der Israeliten, die sie endlich, mürbe gemacht durch die vielen und schweren Plagen, hatten ziehen lassen, im Roten Meere vernichtet. Den Abziehenden nämlich gewährte das Meer, indem es sich teilte, den Durchgang, die Verfolger dagegen verschlang die zurückflutende Woge4. Danach hielt sich das Volk Gottes unter Führung des Moses vierzig Jahre lang in der Wüste auf, und hier erhielt die Stätte, an der Gott mit vorbildlichen Opfern verehrt wurde, den Namen „Zelt des Zeugnisses“, nachdem ja bereits das Gesetz gegeben war auf dem Berge unter vielen Schrecknissen; denn ganz augenscheinlich bezeugte sich dabei die Gottheit durch wunderbare Zeichen und Stimmen. Dies geschah alsbald nach dem Auszug aus Ägypten, zu Beginn des Wüstenaufenthaltes, am fünfzigsten Tage nach der mit Schlachtung eines Lammes begangenen Paschafeier; dieses Lamm ist so sehr ein Vorbild Christi, verkündend seinen Hingang aus dieser Welt zum Vater über das Opfer des Leidens5; daß nunmehr, als das Neue Testament enthüllt wurde, am fünfzigsten Tage, nachdem unser Pascha Christus sich aufgeopfert hatte6, der Heilige Geist vom Himmel kam, der Finger Gottes, wie er im Evangelium heißt7, um unsere Erinnerung zurückzurufen zum Gedächtnis der ersten vorgebildeten Begebenheit; denn auch von jenen Gesetzestafeln heißt es8, daß sie von Gottes Finger geschrieben worden seien.
Nach dem Tode des Moses leitete Jesus Nave das Band 16, S. 952Volk9 und führte es ein in das Land der Verheißung, das er auch unter das Volk aufteilte. Von diesen beiden, durch Wunder ausgezeichneten Führern wurden auch Kriege bestanden, sehr glücklich und wunderbar, wobei Gott erwies10, daß ihnen diese Siege zuteil wurden nicht so sehr wegen der Verdienste des hebräischen Volkes, als wegen der Sünden der von ihnen bekriegten Völker11. Nach diesen Heerführern gab es Richter, nachdem sich das Volk bereits im Lande der Verheißung niedergelassen hatte, so daß zunächst einmal die erste Verheißung an Abraham allmählich sich erfüllte, die Verheißung bezüglich des einen Volkes, des hebräischen, und des Landes Chanaan, noch nicht aber die bezüglich aller Völker und des ganzen Erdkreises, was erst Christi leibliche Ankunft und nicht die Beobachtung des alten Gesetzes, sondern der Glaube an das Evangelium zur Erfüllung bringen sollte. Vorausgebildet wurde dies darin, daß nicht Moses, der das Gesetz für das Volk entgegengenommen hatte auf dem Berge Sina, sondern Jesus, dem auch der Name auf Gottes Geheiß in diese Form abgeändert wurde12, das Volk in das Land der Verheißung einführte. In den Zeiten der Richter aber wechselten Glück und Unglück in den Kriegen, je nach den Sünden des Volkes und der Barmherzigkeit Gottes.
Dann folgte das Zeitalter der Könige, als deren erster Saul regierte; allein er ward verworfen und fiel in einer unglücklichen Schlacht, und da auch sein Stamm nicht weiter in Betracht kommen sollte als königliches Haus, so folgte ihm David in der Herrschaft, und als sein Sohn wird Christus ganz besonders bezeichnet. Mit David beginnt ein neuer Abschnitt, das Mannesalter sozusagen des Gottesvolkes nimmt seinen Anfang, während von Abraham bis zu David eine Art Jünglingsalter dieses Geschlechtes reichte. Denn sicher Band 16, S. 953mit gutem Grund hat der Evangelist Matthäus bei der Aufzählung der Geschlechtsfolgen diesen ersten Zeitabschnitt, ich meine den von Abraham bis zu David, durch den Hinweis hervorgehoben, daß er vierzehn Zeugungen umfasse. Mit den Jünglingsjahren tritt ja der Mensch in das zeugungsfähige Alter; deshalb läßt Matthäus seine Zeugungsreihen mit Abraham beginnen, der zudem als Vater von Völkern bestellt wurde, als er den veränderten Namen erhielt13. Vor ihm also befand sich dieses Geschlecht des Gottesvolkes gewissermassen im Knabenalter, in den Zeiten von Noe bis zu Abraham; und deshalb ist dieses Weltalter in einer Sprache erfunden worden, d. i. in der hebräischen. Mit dem Knabenalter nämlich beginnt der Mensch zu sprechen nach Ablauf der Kindheit, deren lateinischer Name infantia daher kommt, daß sie unfähig ist zu sprechen1415. Dieses früheste Alter versinkt denn auch in Vergessenheit, wie das erste Zeitalter des Menschengeschlechtes durch die Sündflut hinweggeschwemmt ward. Wie viele sind es auch, die eine Erinnerung an ihre Kindheit haben? Und so soll es denn das Band 16, S. 954vorliegende Buch, während das vorangegangene ein Weltalter in der Entwicklung des Gottesstaates und zwar das erste umfaßt hat, bei deren zweien bewenden lassen, dem zweiten und dem dritten, in welch letzterem nun, wie die dreijährige Kuh und die dreijährige Ziege und der dreijährige Widder andeuten, das Joch des Gesetzes auferlegt und das Überhandnehmen der Sünden16 offenbar ward und das irdisch gesinnte Reich seinen Anfang nahm, wo es indes an Geistesbekennern nicht gebrach, deren geheimnisvolles Dasein in der Turteltaube und der Taube gesinnbildet ist17.
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Exod. 1. ↩
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Ebd. 2. ↩
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Exod. 7-12. ↩
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Ebd. 14. ↩
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das hebräische Wort Pascha heißt Vorübergang [Ebd. 12, 11.] ↩
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Die Stelle lautet wörtlich wie in der Osterpräfation: [postea quam]pascha nostrum immolatus est Christus. ↩
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Luk. 11, 20. ↩
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Exod. 31, 18. ↩
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Vgl. Buch Josue. ↩
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Vgl. Gen. 15, 16; Jos. 11, 20. ↩
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Vgl. den ähnlichen Gedanken, der oben IV 15 über die Ausbreitung des Römerreiches niedergelegt ist. ↩
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Num. 13, 17. ↩
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Vgl. oben XVI 28. ↩
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fari non potest ↩
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Vgl. oben XVI 11. Augustinus behauptet hier natürlich, nicht, daß die Menschheit vor Noe keine Sprache gehabt hätte, aber auch nicht, daß die hebräische Sprache, die er oben XVI 11 ausdrücklich als die Ursprache bezeichnet hat. jetzt erst sich herausgebildet habe, sondern daß das Volk Gottes jetzt „in ihr erfunden worden ist“, d. i. daß nun erst von der hebräischen Sprache, die Rede sein konnte, während sie als gemeinsame Ursprache keinen bestimmten Namen gehabt hatte, und daß das Volk Gottes nun erst als Träger dieser Ursprache hervortritt. Von einem Widerspruch, wie Seyrich [s. oben Band I S. XLVI], 45 A. 1 und ihm folgend H. Scholz, Glaube und Unglaube, 156 A. 1 annimmt, kann daher nicht die Rede sein. Der Vergleichungspunkt liegt nicht im Beginn des Sprechens überhaupt oder des Sprechens einer neuen Sprache, sondern in der Sonderung der heiligen Sprache, von den übrigen nach Eintritt der Sprachenverwirrung und in dem ersten Hervortreten von Andeutungen, daß das Volk Gottes eine eigene Sprache gehabt habe; ebenso wie im folgenden Satz der Vergleichungspunkt nicht im Verwischen aller Erinnerung gelegen sein kann, sondern ganz allgemein in der Beseitigung von Altem, und dem dadurch sich ergebenden Abschnitt zu suchen ist. ↩
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Vgl. Röm. 5, 20. ↩
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Vgl. dazu oben XVI 24, 2. Absatz. ↩
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The City of God
Chapter 43.--Of the Times of Moses and Joshua the Son of Nun, of the Judges, and Thereafter of the Kings, of Whom Saul Was the First, But David is to Be Regarded as the Chief, Both by the Oath and by Merit.
Jacob being dead, and Joseph also, during the remaining 144 years until they went out of the land of Egypt, that nation increased to an incredible degree, even although wasted by so great persecutions, that at one time the male children were murdered at their birth, because the wondering Egyptians were terrified at the too great increase of that people. Then Moses, being stealthily kept from the murderers of the infants, was brought to the royal house, God preparing to do great things by him, and was nursed and adopted by the daughter of Pharaoh (that was the name of all the kings of Egypt), and became so great a man that he--yea, rather God, who had promised this to Abraham, by him--drew that nation, so wonderfully multiplied, out of the yoke of hardest and most grievous servitude it had borne there. At first, indeed, he fled thence (we are told he fled into the land of Midian), because, in defending an Israelite, he had slain an Egyptian, and was afraid. Afterward, being divinely commissioned in the power of the Spirit of God, he overcame the magi of Pharaoh who resisted him. Then, when the Egyptians would not let God's people go, ten memorable plagues were brought by Him upon them,--the water turned into blood, the frogs and lice, the flies, the death of the cattle, the boils, the hail, the locusts, the darkness, the death of the first-born. At last the Egyptians were destroyed in the Red Sea while pursuing the Israelites, whom they had let go when at length they were broken by so many great plagues. The divided sea made a way for the Israelites who were departing, but, returning on itself, it overwhelmed their pursuers with its waves. Then for forty years the people of God went through the desert, under the leadership of Moses, when the tabernacle of testimony was dedicated, in which God was worshipped by sacrifices prophetic of things to come, and that was after the law had been very terribly given in the mount, for its divinity was most plainly attested by wonderful signs and voices. This took place soon after the exodus from Egypt, when the people had entered the desert, on the fiftieth day after the passover was celebrated by the offering up of a lamb, which is so completely a type of Christ, foretelling that through His sacrificial passion He should go from this world to the Father (for pascha in, the Hebrew tongue means transit), that when the new covenant was revealed, after Christ our passover was offered up, the Holy Spirit came from heaven on the fiftieth day; and He is called in the gospel the Finger of God, because He recalls to our remembrance the things done before by way of types, and because the tables of that law are said to have been written by the finger of God.
On the death of Moses, Joshua the son of Nun ruled the people, and led them into the land of promise, and divided it among them. By these two wonderful leaders wars were also carried on most prosperously and wonderfully, God calling to witness that they had got these victories not so much on account of the merit of the Hebrew people as on account of the sins of the nations they subdued. After these leaders there were judges, when the people were settled in the land of promise, so that, in the meantime, the first promise made to Abraham began to be fulfilled about the one nation, that is, the Hebrew, and about the land of Canaan; but not as yet the promise about all nations, and the whole wide world, for that was to be fulfilled, not by the observances of the old law, but by the advent of Christ in the flesh, and by the faith of the gospel. And it was to prefigure this that it was not Moses, who received the law for the people on Mount Sinai, that led the people into the land of promise, but Joshua, whose name also was changed at God's command, so that he was called Jesus. But in the times of the judges prosperity alternated with adversity in war, according as the sins of the people and the mercy of God were displayed.
We come next to the times of the kings. The first who reigned was Saul; and when he was rejected and laid low in battle, and his offspring rejected so that no kings should arise out of it, David succeeded to the kingdom, whose son Christ is chiefly called. He was made a kind of starting-point and beginning of the advanced youth of God's people, who had passed a kind of age of puberty from Abraham to this David. And it is not in vain that the evangelist Matthew records the generations in such a way as to sum up this first period from Abraham to David in fourteen generations. For from the age of puberty man begins to be capable of generation; therefore he starts the list of generations from Abraham, who also was made the father of many nations when he got his name changed. So that previously this family of God's people was in its childhood, from Noah to Abraham; and for that reason the first language was then learned, that is, the Hebrew. For man begins to speak in childhood, the age succeeding infancy, which is so termed because then he cannot speak. 1 And that first age is quite drowned in oblivion, just as the first age of the human race was blotted out by the flood; for who is there that can remember his infancy? Wherefore in this progress of the city of God, as the previous book contained that first age, so this one ought to contain the second and third ages, in which third age, as was shown by the heifer of three years old, the she-goat of three years old, and the ram of three years old, the yoke of the law was imposed, and there appeared abundance of sins, and the beginning of the earthly kingdom arose, in which there were not lacking spiritual men, of whom the turtledove and pigeon represented the mystery.
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Infans, from in, not, and fari, to speak. ↩