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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Augustine of Hippo (354-430) Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
15. Buch

5. Von dem ersten Gründer des Weltstaates, einem Brudermörder, dessen Ruchlosigkeit ein Gegenstück fand an dem Gründer der Stadt Rom durch dessen Brudermord.

Der erste Gründer des Weltstaates also war ein Brudermörder; er hat, von Neid übermannt, seinen Bruder getötet, den auf Erden pilgernden Bürger des ewigen Staates. Es ist daher nicht zu verwundern, daß lange hernach bei der Gründung jenes Staates, der Band 16, S. 809das Haupt dieses Weltstaates, von dem wir sprechen, werden und über so viele Völker herrschen sollte, diesem Urbilde oder ἀρχετύπῳ, wie die Griechen sagen, ein Abbild der Art nach entsprach. Denn auch hierbei hat, wie einer der Dichter dieses Staates1 die Schandtat bezeichnet, „Bruderblut die ersten Mauern gerötet“. So ward Rom gegründet; die römische Geschichte bezeugt es, daß Remus von seinem Bruder Romulus ermordet wurde; nur daß hier der Ermordete ebenso wie der Mörder Bürger des Weltstaates war. Beide gingen auf Ruhm aus mit der Gründung des Römerstaates, aber jeder auf so großen, daß nur einer daran teilhaben konnte. Denn wer seinen Ruhm im Herrschen zu suchen entschlossen war, hätte natürlich nur in beschränkterem Maße geherrscht, wenn seine Gewalt eingeengt geblieben wäre dadurch, daß ein Teilhaber lebte. Damit also einer die ganze Herrschaft in seine Gewalt bekäme, wurde der Gefährte beseitigt, und was bei Enthaltung von Blutschuld beschränkter und besser gewesen wäre, mehrte sich so durch Frevel zum Schlimmeren. Dagegen das Brüderpaar Kain und Abel hegte nicht gemeinsam miteinander das gleiche Verlangen nach irdischen Dingen, und der, der den andern ermordete, war ihm nicht deshalb neidisch, weil seine Herrschaft eingeengt worden wäre, wenn beide herrschten (Abel ging ja gar nicht auf eine Herrschaft aus in dem Staate, der von seinem Bruder gegründet wurde), sondern dieser Neid war teuflisch, wie ihn die Bösen auf die Guten haben lediglich deshalb, weil diese gut sind und sie selber böse. Denn keineswegs wird der Besitz an Gutheit verringert, wenn ein Mitteilhaber dazu tritt oder dabei bleibt; im Gegenteil, die Gutheit ist ein Besitz, den, je einträchtiger, in um so weiterem Umfang ungeteilte Liebe von Genossen ihr eigen nennt. Kurz, ein Besitz, den man überhaupt nicht sein eigen nennen kann, wenn man ihn nicht als Gemeingut haben möchte, und den man um so größer finden wird, je größer die Liebe ist, die ihr Besitz dem Teilhaber zuzuwenden verstattet. Das nun, was zwischen Remus und Romulus vorging, hat gezeigt, wie der Band 16, S. 810Weltstaat wider sich selbst uneins ist; was sich dagegen zwischen Kain und Abel zutrug, hat die Feindschaft zwischen den beiden Staaten selbst, dem Gottesstaat und dem Menschenstaat, vor Augen geführt. Kampf also herrscht zwischen Bösen und Bösen untereinander und ebenso zwischen Bösen hier und Guten dort; Kampf aber zwischen Guten und Guten, wenn sie vollkommen sind, ist ausgeschlossen. Dagegen solang die Guten noch erst im Voranschreiten begriffen und noch nicht zur Vollkommenheit gelangt sind, ist Kampf unter ihnen möglich; es kann jeder Gute wider den andern in der Richtung ankämpfen, in der er gegen sich selbst ankämpft; auch im Einzelmenschen ja „begehrt das Fleisch wider den Geist und der Geist wider das Fleisch“2. Geistiges Begehren kann also in Kampf treten wider fleischliches beim Nächsten und fleischliches Begehren wider geistiges beim Nächsten, so wie Gute und Böse widereinander kämpfen; oder wenigstens fleischliches Begehren zweier Guten, natürlich noch nicht Vollkommenen, kann so, wie Böse und Böse widereinander kämpfen, aufeinander stoßen, bis etwa Heilung eintritt und schließlich die Gesundheit den letzten Sieg davonträgt.


  1. Lucanus, Phars. 1, 95. ↩

  2. Gal. 5, 17. ↩

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