12. Kapitel. Alle sind Sünder wegen der Sünde Adams.
16. Durch eine gewisse Gerechtigkeit Gottes ist das ganze Menschengeschlecht der Gewalt des Teufels übergeben worden, indem die Sünde des ersten Menschen auf alle durch die Verbindung der beiden Geschlechter Geborenen ursprunghaft überging und die Sünde der ersten Eltern die gesamten Nachkommen schuldig machte. Diese Weitergabe (der ersten Sünde) ist zuerst in der Genesis ausgedrückt; dort wurde, als der Schlange gesagt worden war: „Staub wirst du fressen,“1 zum Menschen gesagt: „Staub bist du und zu Staub wirst du zurückkehren“.2 Mit dem Worte: „Zu Staub wirst du zurückkehren“ ist der Tod des Leibes vorhergesagt; ihn hätte ja der Mensch nicht zu kosten brauchen, wenn er, wie er geschaffen wurde, recht geblieben wäre. Daß hingegen dem Lebenden gesagt wurde: „Staub bist du“, weist darauf hin, daß der ganze Mensch zum Schlechteren gewandelt wurde. „Staub bist du“, bedeutet nämlich soviel wie das Wort: „Nicht S. 185 wird mein Geist bei diesen Menschen bleiben, da sie Fleisch sind.“3 Da wurde also gezeigt, daß der Mensch jener übergeben wurde, zu der gesagt worden war: „Staub wirst du fressen.“ Der Apostel aber verkündet das offener, wenn er sagt: „Als ihr tot waret in eueren Missetaten und Sünden, in denen ihr einst gewandelt seid nach dem Geiste dieser Welt, nach dem Herrscher über das Reich der Luft, des Geistes, der jetzt noch wirksam ist in den Kindern des Ungehorsams; unter diesen wandelten auch wir alle einst nach den Gelüsten unseres Fleisches, indem wir die Gelüste des Fleisches und Herzens taten, und wir waren von Natur Kinder des Zornes wie auch die übrigen.“4 Die Kinder des Ungehorsams sind die Ungläubigen, und wer ist nicht ungläubig, bevor er gläubig wird? Deshalb stehen alle Menschen von ihrem Ursprung her unter dem Herrscher über das Reich der Luft, „der noch wirksam ist in den Kindern des Ungehorsams“. Was ich vom Ursprung her nannte, das besagt das gleiche wie das Apostelwort, daß er „von Natur“ gewesen ist wie die anderen, von Natur nämlich, sofern sie durch die Sünde verdorben ist, nicht sofern sie von Anfang an recht geschaffen worden war. Die Weise aber, durch die der Mensch in die Gewalt des Teufels übergeben wurde, darf nicht so verstanden werden, als ob Gott dies getan hätte oder geboten hätte, sondern so, daß er es bloß zuließ, jedoch gerecht. Indem er nämlich den Sünder verließ, geriet der Urheber der Sünde dorthin. Nicht so freilich verließ Gott sein Geschöpf, daß er sich ihm nicht mehr als schaffenden und lebendigmachenden Gott erwies und unter den Strafübeln nicht auch viel Gutes den Bösen gewährte. Nicht hat ja Gott in seinem Zorn seinem Erbarmen Einhalt geboten.5 Nicht hat er den Menschen aus dem Gesetze seiner Herrschaft entlassen, als er ihn in die Herrschaft des Teufels fallen ließ, da ja auch der Teufel selbst nicht jenseits der Herrschaft des S. 186 Allmächtigen steht, wie auch nicht jenseits des Gutseins. Denn wie könnten auch die bösen Engel selbst in irgendeinem Leben Bestand haben, es sei denn ebenfalls durch jenen, der alles lebendig macht? Wenn also die Begehung der Sünde infolge des gerechten Zornes Gottes den Menschen dem Teufel unterwarf, so entriß in der Tat die Nachlassung der Sünden durch die gnädige Nachsicht Gottes den Menschen dem Teufel.
