3.
Was ich kürzlich vom Priester Arpagius gehört habe, ist zwar nicht von großem Belange; doch darf es, so will mich bedünken, nicht übergangen werden. Die Frau des Comes Avitianus1 schickte dem Martinus Öl, das bei verschiedenen Krankheitsfällen Verwendung findet, damit er es, wie üblich, segne. Das Gefäß war aus Glas, hatte runde, bauchige Form und einen langen Hals. Doch war dieser lange Hals nicht vollständig angefüllt; denn gewöhnlich macht man solche Gefäße nur soweit voll, daß der oberste Teil für den Verschluß leer bleibt. Der Priester bezeugte, er habe gesehen, wie das Öl unter dem Segen des Martinus zunahm, bis es über den Rand des übervollen Gefäßes herabrann. Auch noch dann, während dasselbe zu der Frau getragen wurde, ließ es derselbe Gnadensegen weiter überlaufen; denn in den Händen des Dieners, der es trug, habe sich das Öl ununterbrochen so gemehrt, daß die überströmende Flüssigkeit sein ganzes Gewand tränkte. Als die Matrone das Gefäß erhielt, war es daher bis zum obersten Rande gefüllt. So war es, wie der Presbyter heute noch aussagt, ganz unmöglich, an jenem gläsernen Gefäß einen S. 128Verschluß anzubringen; man verschließt ja gewöhnlich, was man sorgfältiger verwahren will.
Wunderbar ist auch das, was meiner Erinnerung nach dieser da erlebte — hierbei schaute er auf mich2 . Er stellte ein mit Öl gefülltes Glasgefäß, das Martinus gesegnet hatte, auf ein etwas hohes Fenstergesims. Ein Diener, der nichts davon wußte, daß dort eine Flasche stehe, zog unvorsichtig an dem darüber gebreiteten Linnen. Das Gefäß fiel auf den Marmorboden hinab. Alle erschracken voll Besorgnis, der geweihte Gegenstand sei in Scherben gegangen. Doch man fand das Fläschchen so unversehrt, als wäre es auf ganz weiche Federn gefallen. Dieses Ereignis ist nicht dem Zufall, vielmehr der Wunderkraft des Martinus zuzuschreiben; der von ihm gesegnete Gegenstand konnte nicht zugrunde gehen. Ich komme nun auf eine Begebenheit zu sprechen, die einen angeht, dessen Namen verschwiegen werden soll; er ist ja hier anwesend und will nicht verraten werden. Damals war auch unser Saturninus dabei. Ein Hund belästigte uns mit seinem unangenehmen Gebell. Da sprach jener: „Im Namen des Martinus befehle ich dir, zu verstummen.“ Dem Hund blieb das Gebell im Halse stecken, man hätte glauben können, die Zunge sei abgeschnitten, so verstummte er. Es hat noch nicht soviel Bedeutung, daß Martinus in eigener Person Wunderwerke verrichtete; glaubet mir, auch andere haben in seinem Namen oftmals solche gewirkt.
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Claudius Avitianus war 368 Vicarius in Afrika, 366 bewirkte er die Absetzung des Praefectus praetorio Mamertinus, nachher wurde er zur Leitung von Kriminalprozessen, mit außerordentlichen Vollmachten ausgerüstet, als Comes 1. Ordnung nach Gallien gesandt, wo er sich durch seine Grausamkeit verhaßt machte [Pauly s. v.]. ↩
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Den Verfasser, Sulpicius Severus. ↩