Kap. 1. Eifersucht und Neid werden vielfach unterschätzt, obwohl sie ein gefährliches Laster sind, vor dem wir gar nicht genug auf der Hut sein können.
S. 315 Eifersüchtig zu sein auf das Gute, das man sieht, und die Besseren zu beneiden, erscheint manchen nur als ein leichtes und geringes Vergehen, geliebteste Brüder, und indem man es nur für leicht und gering hält, fürchtet man es nicht, indem man es nicht fürchtet, achtet man nicht darauf, indem man nicht darauf achtet, läßt es sich nur schwer meiden, und so entsteht daraus ein verborgenes und verstecktes Unheil, das die unvorsichtigen Herzen unvermerkt zugrunde richtet; denn man durchschaut es zu wenig, als daß man sich vorsichtig davor hüten könnte. Nun hat doch aber der Herr uns befohlen, klug zu sein1 , und uns eingeschärft, mit ängstlicher Sorge zu wachen2 , damit nicht unser Widersacher, der selbst stets wachsam ist und beständig lauert, die Funken zum Brand entfache, sobald er in die Brust sich eingeschlichen hat, damit er nicht aus Kleinem Großes mächtig aufhäufe und durch Sturm und Wetter, die er erregt, den Zusammensturz des Glaubens und des Heiles und den Schiffbruch des Lebens herbeiführe, indem er die Lässigen und Arglosen mit milderem Hauch und sanfterem Wehen umschmeichelt. Auf der Hut zu sein, gilt es also, geliebteste Brüder, und mit allen Kräften darauf hinzuarbeiten, daß wir dem wütenten Feinde, der seine Geschosse gegen alle Teile unseres Körpers richtet, an denen wir zu treffen und zu verwunden sind, mit sorgsamer und unermüdlicher Wachsamkeit Widerstand leisten, wie der Apostel Petrus in seinem Briefe mahnt und lehrt mit den Worten: „Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht etwas zu verschlingen!"3