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Works Jerome (347-420) Dialogi contra Pelagianos libri III Dialog gegen die Pelagianer (BKV)
II. Buch

4.

C. Ich will nicht als streitsüchtig erscheinen und ins Ungemessene nach verschiedenen Richtungen hin abschweifen, aber dies eine gib mir wenigstens zu, daß sehr viele in der Schrift gerecht genannt werden!

A. Nicht nur für sehr viele, sondern für unzählige trifft dies zu.

C. Wenn es unzählige Gerechte gibt, wenn diese Tatsache nicht bestritten werden kann, warum war es denn verkehrt, wenn ich behauptet habe, der Mensch könne sündlos sein, wofern er wolle? Das heißt mit anderen Worten, der Gerechte kann ohne Sünde sein, eben weil er gerecht ist.

A. Ich gebe zu, daß es Gerechte gibt, daß sie aber ohne jegliche Sünde seien, darin stimme ich dir durchaus nicht bei. Ich sage wohl, daß der Mensch ohne Laster, wofür die Griechen ἀκακία [akakia] sagen, sein kann. Ich leugne jedoch, daß er ἀναμάρτητος [anamartētos], d. h. sündlos sei; denn diese Eigenschaft kommt nur Gott zu, während jedes Geschöpf der Sünde unterworfen ist und Gottes Barmherzigkeit nötig hat nach dem Schriftworte: „Die Erde ist voll von der Barmherzigkeit des Herrn“1. Um den Schein zu vermeiden, als stöberte ich gewisse Makel an heiligen Männern auf, in welche sie mehr aus Irrtum gefallen sind, so will ich nur wenige Stellen anführen, die nicht einen einzelnen, sondern alle S. 409 insgemein erfassen. Im 31. Psalm [Hebr. Ps. 32] steht geschrieben: „Ich sprach: Ich werde gegen mich meine Ungerechtigkeit dem Herrn bekennen, und Du wirst die Gottlosigkeit meines Herzens verzeihen“2. Sofort folgt: „Wegen dieser, nämlich wegen der Ungerechtigkeit oder Gottlosigkeit (beides kann damit gemeint sein), muß jeder Heilige zu Dir flehen zur günstigen Zeit“ 3. Wenn er heilig ist, warum fleht er wegen seiner Ungerechtigkeit? Lastet aber Ungerechtigkeit auf ihm, mit welchem Recht wird er dann heilig genannt? Zweifellos aus der von mir vertretenen Auffassung heraus, die sich auch an anderen Stellen offenbart, wo es heißt: „Sieben Mal fällt der Gerechte und stehet wieder auf4. Der Gerechte klagt sich selbst an zu Beginn seiner Rede5. Entfremdet sind sie als Sünder vom Mutterschoße an, abgeirrt von der Geburt an, Trug führten sie im Munde“6. Gleich nachdem sie geboren waren, waren sie der Sünde unterworfen nach Art der Pflichtverletzung Adams, der ein Bild des Zukünftigen ist7, sicherlich aber sobald Christus, von dem es heißt: „Ein jeder, welcher den Mutterleib öffnet, wird heilig dem Herrn genannt werden“8, aus jungfräulichem Schoße geboren war. Alle haben als Häretiker geirrt, die das Geheimnis seiner Geburt nicht begriffen. Denn das Wort: „Was den Mutterschoß öffnet, wird als dem Herrn geheiligt bezeichnet werden“, läßt sich besser auf die Geburt des Erlösers insbesondere, als auf die aller Menschen beziehen. Christus hat nämlich allein die verschlossenen Pforten des jungfräulichen Schoßes eröffnet, die dennoch beständig verschlossen blieben. Dieser ist die nach Osten gelegene verschlossene Türe, durch welche nur der Hohepriester ein- und ausgeht, und die nichtsdestoweniger stets geschlossen ist9.

Auch eine Stelle aus dem Buche Job will ich anführen: „Wird ein Mensch rein sein vor Gott, oder gibt S. 410 es einen Mann, untadelhaft in seinen Werken? Wenn er auf seine Diener nicht vertraut und in seinen Engeln Böses findet, um wieviel mehr wird dies bei solchen zutreffen, die in irdischer Hülle wohnen?“10 Zu diesen gehören auch wir, die wir von demselben Staub gebildet sind. Solltest du aber behaupten, hier komme die persönliche Ansicht des Themaniters Eliphas zum Ausdruck, dann bedenke, daß nicht er der Sprecher ist, sondern jene Engelsgestalt, welche in einem Gesichte sich ihm offenbart und ihm Gottes Aussprüche übermittelt! Doch meinetwegen mag Eliphas sprechen, was zweifellos der Engel spricht. Werden aber folgende Äußerungen nicht voll und ganz im Namen Jobs gesprochen: „Eine Prüfung ist des Menschen Leben auf Erden“11. „Wenn ich gesündigt habe, was kann ich tun?“12 „Warum hast Du vergessen, meine Missetat von mir zu nehmen und mich von meiner Sünde zu reinigen?“13 „Wie kann ein Mensch auf Erden vor Gott gerecht sein?“14 „Wenn ich gerecht bin, wird er mich nicht hören; aber seines Gerichtes entbehre ich“15. „Ich bin gottlos; wozu habe ich mich umsonst bemüht? Wenn ich mich auch wasche mit Schnee und mit reinen Händen dastehe, so hast Du mich doch zur Genüge in den Schmutz getaucht“16. „Wenn ich sündige, wirst Du auf mich acht haben; aber Du wirst mich nicht reinigen von meinen Vergehen“17. „Wenn ich gottlos handle, wehe mir! Wenn ich gerecht bin, dann kann ich nicht atmen. Denn ich bin voller Schande“18. „Wer wird rein sein vor Schmutz? Auch nicht einer, selbst wenn sein Erdenleben nur einen Tag dauerte und nach Monaten zu zählen wäre“19. Solltest du bemerken wollen, daß das Fragefürwort „wer“ nicht die Unmöglichkeit, sondern zuweilen nur die Schwierigkeit andeutet, dann werde ich dir antworten: „Wo steht denn deine kühne Behauptung verzeichnet, daß die Gebote Gottes leicht und S. 411 ohne Schwierigkeit zu erfüllen seien?“ Die Schrift sagt doch: „Der Mensch arbeitet unter Schmerzen für sich, und mit Gewalt wehrt er sich gegen sein Verderben“20, damit nach Unterdrückung, nach Unterjochung und nach Abtötung des Fleisches der Geist in ihm lebe. Die lächerliche Deutung eures Demosthenes21, Job habe nicht gesagt: „Wer wird rein von der Sünde sein“, sondern: „Wer wird rein vom Schmutze sein“ übergehe ich. Er sucht auf diese Weise darzulegen, daß an den Schmutz der Windeln in der Kindheit, aber nicht an Laster und Sünde zu denken sei. Ist dies aber nicht seine Auffassung, dann sagt mir doch, wie er die Stelle versteht! Seine Aussagen sind so schwer zu erfassen und in einen solchen Wortschwall eingehüllt, daß er bei dem Leser eher Verdacht wachruft, als ihm Belehrung bietet. Am Schlusse sagt Job: „Was soll ich hierauf antworten? Ich will meine Hand auf meinen Mund legen. Einmal habe ich gesprochen; ich will nichts hinzufügen“22. Was ist das zuletzt für eine Gerechtigkeit, mit welcher Job, der makellose und gerechte Mann, der ohne Fehl sich alles Bösen enthielt, verherrlicht wird, wenn er schließlich auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen ist? Es trifft hier zu, was wir in den Sprichwörtern lesen: „Wer wird sich rühmen, daß er ein keusches Herz habe? Wer wird darauf bauen, daß er rein sei von Sünde?“23 Behaupte, daß auch hier „wer“ nicht die Unmöglichkeit, sondern die Schwierigkeit zum Ausdruck bringt! Hinweg darum mit deinem Lehrsatze! Entferne aus deinem Buche die Worte: „Gottes Gebote sind leicht“!


  1. Ps. 32, 5; 118, 64 [Hebr. Ps. 33, 5; 119, 64]. ↩

  2. Ps. 31, 5 [Hebr. Ps. 32, 5]. ↩

  3. Ps. 31, 6 [Hebr. Ps. 32, 6]. ↩

  4. Spr. 24, 16. ↩

  5. Spr. 18, 17. ↩

  6. Ps. 57, 4 [Hebr. Ps. 58, 4]. ↩

  7. Röm. 5, 14. ↩

  8. Exod. 13, 2; Exod. 34, 19. ↩

  9. Ezech. 44, 1 f. ↩

  10. Job 4, 17―19. ↩

  11. Job 7, 1. ↩

  12. Job 7, 20. ↩

  13. Job 7, 21. ↩

  14. Job 25, 4; Eccle. 7, 20 [= Ecclesiastes/Prediger 7, 19]. ↩

  15. Job 9, 15. 16 nach LXX. ↩

  16. Job 9, 29 f. ↩

  17. Job 10, 14 nach LXX. ↩

  18. Job 10, 15 nach LXX. ↩

  19. Job 14, 4 f. nach LXX. ↩

  20. Spr. 16, 26 nach LXX. ↩

  21. Gemeint ist Pelagius. ↩

  22. Job 39, 34 f. ↩

  23. Spr. 20, 9. ↩

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